München. Mit einer Selbstanzeige ist Uli Hoeneß ins Visier der Steuerfahnder geraten. Der Bayern-Präsident zog die Notbremse, um straffrei zu bleiben. Sein Ruf als Saubermann ist ramponiert. Vor den Barça-Spielen kommt der Skandal für den Verein zur Unzeit.
Ein geheimes Konto in der Schweiz könnte Uli Hoeneß teuer zu stehen kommen. Nach einer Selbstanzeige beim Finanzamt geht es für den Präsidenten des FC Bayern München nicht nur um Geld und Straffreiheit, sondern auch um sein Ansehen, das nach den Enthüllungen des Wochenendes mehr als angekratzt ist. Das öffentliche Bild des streitbaren Vordenkers und populären Klartextredners mit hohen Wertvorstellungen über den Fußball hinaus muss womöglich ganz neu gezeichnet werden.
Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt gegen den 61 Jahre alten Sportfunktionär und Unternehmer wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung, wie der "Focus" in seiner neuen Ausgabe (Montag) schreibt. Das Nachrichtenmagazin, dessen Herausgeber Helmut Markwort dem Verwaltungsbeirat des FC Bayern angehört, berief sich auf Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich und Hoeneß selbst. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) erklärte, schon seit längerem Kenntnis von dem Verfahren zu haben.
Der "Focus" zitierte aus einer schriftlichen Stellungnahme, die Hoeneß dem Magazin übermittelt habe: "Ich habe im Januar 2013 über meinen Steuerberater beim Finanzamt eine Selbstanzeige eingereicht." Diese hänge "mit einem Konto von mir in der Schweiz" zusammen. Laut Oberstaatsanwalt Heidenreich sei die "Prüfung auf Wirksamkeit und Vollständigkeit der Selbstanzeige" Gegenstand des Verfahrens. Belegbare Angaben über die im Raum stehenden Summen gibt es nicht. Auch eine Sprecherin der Münchner Staatsanwaltschaft wollte keine näheren Angaben zum Fall machen.
Seehofer wusste seit geraumer Zeit Bescheid
Seehofer sagte der Onlineausgabe der Münchner "Abendzeitung" am Samstag bei einem Termin in München, er sei bereits vor "einer geraumen Zeit" über das Verfahren informiert worden. "Das müssen jetzt die Justiz- und Finanzbehörden regeln."
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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hielt sich zurück. "Jeder Kommentar von mir wäre einfach falsch", erklärte er auf einer Dienstreise in Washington. Die politische Opposition im Bund und in Bayern hielt sich im Wahlkampfjahr dagegen nicht mit lauter Kritik an den Unionsparteien und dem CSU-Sympathisanten Hoeneß zurück.
"Mich enttäuscht, dass jemand wie Uli Hoeneß, der Leistung, Disziplin und Geradlinigkeit unerbittlich wie kaum ein anderer fordert, beim Steuerzahlen Anspruch und Wirklichkeit nicht in Übereinstimmung bekommt", sagte NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans. Florian Pronold, Chef der Bayern-SPD, urteilte: "Uli Hoeneß ist kein Vorbild mehr." Sylvia Schenk, die Sportbeauftragte der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International, sieht Hoeneß beschädigt. Seine Glaubwürdigkeit sei "extrem erschüttert", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Selbstanzeigen eröffnen Steuerhinterzieher grundsätzlich die Möglichkeit, nachträglich Straffreiheit zu erlangen, wenn dies dem Fiskus verborgene Steuerquellen erschließt. Hoeneß sagte laut "Focus", dass er die Angelegenheit ursprünglich über das von der Bundesregierung aus Union und FDP angepeilte Deutsch-Schweizer Steuerabkommen habe regeln lassen wollen. Dieses war im Bundesrat am Widerstand der von SPD und Grünen regierten Bundesländer gescheitert.
Hoeneß "darf im Moment nichts sagen" - Für den FC Bayern kommt der Skandal zum ungünstigsten Zeitpunkt
Gegen Hoeneß wendet sich nun auch, dass er seit seinem Rückzug vom Managerposten und der Wahl zum Bayern-Präsidenten im Jahr 2009 sein Engagement auf politischem und sozialem Terrain forciert hatte. Der Metzgerssohn, der auch mit großzügigen Spenden ein Herz für die Schwachen in der Gesellschaft beweist, äußerte sich in Talkshows auch zu Steuerfragen wie der Reichensteuer. Man müsse die Reichen im Lande behalten, warnte er, "damit sie hier gemolken werden können". Er verwies auch darauf, das die Bayern-Profis "schon jetzt eine Halbzeit für das Finanzamt" spielten.
Auch wenn den FC Bayern die "Privatangelegenheit" (Trainer Jupp Heynckes) des Präsidenten zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt trifft, erwarten die sportlich Verantwortlichen keine Auswirkungen auf das Champions-League-Spiel gegen den FC Barcelona am Dienstag. "Das in irgendeine Verbindung mit Barcelona zu setzen, ist völliger Quatsch", sagte Sportvorstand Matthias Sammer am Sonntag im TV-Sender "Sport 1".
Als Beweis konnte er den 6:1-Sieg der Münchner Profis in Hannover anführen. "Uli Hoeneß ist für uns natürlich ein wichtiger Mann, aber wir äußern uns dazu nicht - und das belastet uns überhaupt nicht", versicherte Heynckes. Hoeneß war in Hannover nicht im Stadion - ein seltenes Ereignis beim FC Bayern. Mit der Steueraffäre belastet er "seinen" Club ausgerechnet in einer Saison, in der die Mannschaft mit dem Gewinn des Triples (Meisterschaft, Pokal und Champions League) sein sportliches Lebenswerk krönen könnte.
Uli Hoeneß will sich nach der Selbstanzeige in seiner Steueraffäre vorerst mit weiteren öffentlichen Äußerungen zurückhalten. "Ich darf im Moment nichts sagen, denn ich befinde mich in einem schwebenden Verfahren", sagte der Präsident des deutschen Fußball-Rekordmeisters FC Bayern München am Sonntag der "Süddeutschen Zeitung". "Sie können sich vorstellen, dass mir vieles auf der Zunge liegt, aber ich muss erst mit den Behörden meine Hausaufgaben machen."
Reaktionen zum Steuerfall Uli Hoeneß - Daum "hegt keinen Groll"
Bayern-Trainer Jupp Heynckes: "Bei uns gibt es immer irgendwelche Meldungen und Äußerungen und was weiß ich. Das schärft die Sinne, das macht uns noch aufmerksamer und noch ehrgeiziger. Meine Mannschaft lässt sich von nichts beeinflussen und beeindrucken."
Christoph Daum (Fußball-Lehrer und 2000 bis zu Aussagen von Hoeneß über seinen Kokain-Konsum als Bundestrainer vorgesehen): "Die Nachricht hat mich absolut überrascht. Das hätte ich ihm niemals zugetraut, vor allem nicht, wenn man sieht, wie Uli Hoeneß in vielen Situationen seines Lebens aufgetreten ist. Hoeneß hat sich schließlich zu einer absoluten moralischen Instanz aufgeschwungen. Ich hätte so etwas niemals vermutet. Hoeneß tut mir leid. Ich bin nicht derjenige, der mit dem Zeigefinger auf andere Menschen zeigt. So möchte ich nicht leben. Ich verspüre Mitgefühl für ihn und hege keinen Groll. Ich weiß sehr genau, was Uli Hoeneß alles für den deutschen Fußball und die Gesellschaft geleistet hat. Ich hoffe und wünsche ihm deshalb von Herzen, dass er da heil wieder rauskommt."
Bayern-Sportdirektor Matthias Sammer: "Das ist eine private Konstellation. Uli Hoeneß ist für uns natürlich ein wichtiger Mann, aber wir äußern uns dazu nicht - und das belastet uns überhaupt nicht."
Bayern-Ehrenpräsident Franz Beckenbauer: "Ich kann Uli nur die Daumen drücken, dass es gut ausgeht."
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: "Jeder Kommentar von mir wäre einfach falsch."
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer: "Ich weiß, dass ein Verfahren läuft. Das müssen jetzt die Justiz- und Finanzbehörden regeln."
Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler: "Steuerhinterziehung ist eine Straftat, kein Kavaliersdelikt. Wer Steuern hinterzieht, unabhängig von Amt und Person, der schadet unserem Land und hat jeden Anspruch verloren, Vorbild zu sein."
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück: "Ihm steht das zu, was jedem Staatsbürger zusteht. Und ich will sehr deutlich machen, ich möchte nicht, dass er einen Prominenten-Bonus bekommt, aber ich möchte auch nicht, dass er einen Prominenten- Malus bekommt."
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles: "Auch diejenigen, die es scheinbar nicht nötig haben, schaffen ihr Geld am Finanzamt vorbei ins Ausland und das auf Kosten aller anderen ehrlichen Steuerzahler unseres Landes. Das ist zutiefst unmoralisch! Der Fall Uli Hoeneß beweist eindrücklich wie richtig und wichtig es war, das Steuerabkommen mit der Schweiz zu verhindern."
Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin: "Ginge es nach Wolfgang Schäuble, würden Leute wie Uli Hoeneß noch immer ihre Gelder anonym in der Schweiz horten."
Sylvia Schenk (Sportbeauftragte der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International): "Die Glaubwürdigkeit von Hoeneß ist extrem erschüttert. Es wird sicher ganz schwer sein für ihn, da wieder herauszukommen. Dieser Fall ist auch ein Schlag gegen den ganzen Sport, der gerade auf verschiedenen Gebieten um seine Glaubwürdigkeit kämpft."
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD): "Uli Hoeneß kann keinen Promibonus erwarten. Steuerbetrug ist ein schwerwiegendes Verbrechen zum Schaden der Allgemeinheit."
NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD): "Mich enttäuscht, dass jemand wie Uli Hoeneß, der Leistung, Disziplin und Geradlinigkeit unerbittlich wie kaum ein anderer fordert, beim Steuerzahlen Anspruch und Wirklichkeit nicht in Übereinstimmung bekommt."
Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD): "Zu Hoeneß selbst möchte ich mich nicht äußern. Ganz allgemein gesprochen muss ich sagen, dass ich es seit Jahren nicht verstehe, warum die CSU so viele Sympathien für Steuerhinterzieher hegt, obwohl sie sonst so für Law and Order auftritt. Dass Hoeneß so heftige Sympathien für die CSU hegt, findet in den kommenden Wochen vielleicht eine zusätzliche Erklärung." (sid/dpa)