Bochum. .

Wer glaubt, es sei ohne große Probleme möglich, eine Gruppe für unter dreijährige Kinder von zehn auf 15 aufzustocken, kennt die Wirklichkeit nicht. Christiane Schlott ist Leiterin des St.-Barbara-Kindergartens (SKFM) in Wattenscheid und kennt den Alltag gut: „Das hat oft nichts mit der Praxis zu tun. Die Kleinsten müssen gefüttert, gewickelt und intensiv betreut werden“, erzählt sie. Dabei sei die Einrichtung durch einen Neubau sehr gut ausgestattet. Seit 2010 gibt es dort eine Gruppe mit zwölf Mädchen und Jungen im Alter bis zu drei Jahren. Dies ist auch bisher schon in Ausnahmefällen möglich.

„Doch der Bedarf hier im Stadtteil ist wesentlich höher. Es gibt im Schnitt bis zu 50 Anmeldungen pro Jahr. Wir könnten locker eine weitere U-3-Gruppe eröffnen“, berichtet Schlott. Im Übrigen teilt sie die Kritik des Geschäftsführers des Kita-Zweckverbandes im Bistum Essen, Peter Wenzel, am zentralen Ergebnis des sogenannten zweiten Krippengipfels in Düsseldorf aus der letzten Woche. Wenzel hatte erklärt: „Das Rad der Qualität wird zurückgedreht: von der Förderung und Bildung der Kinder hin zur reinen Betreuung.“ Die Gruppengröße pauschal von zehn auf bis zu 15 Kinder aufzustocken, sei ein „fachlicher Offenbarungseid“.

Bedarfdeckungsquote von 33 Prozent

Sozialdezernentin Britta Anger, die erst vor wenigen Wochen die neuesten Zahlen zum Sachstand der U-3-Betreuung in Bochum präsentierte, reagiert ebenfalls recht skeptisch auf die Ergebnisse des Spitzentreffens bei NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD). „Für uns ist eine solche Aufstockung grundsätzlich nur dann vorstellbar, wenn dafür der nötige Platz vorhanden ist.“

Derzeit, mit Stichtag 1. August, gibt es in Bochum insgesamt 1386 Plätze für unter Dreijährige, davon 1192 in Kindertagesstätten und 694 in der Tagespflege, diese machen einen Anteil von rund 26 Prozent aus. Dabei hält Anger gar nicht soviel von der Prozentrechnerei. Denn, selbst wenn Bochum in einem knappen Jahr die errechnete Bedarfdeckungsquote von 33 Prozent erreichen sollte, – noch rund 500 zusätzliche Plätze müssen dafür geschaffen werden – helfe das wenig: „Es muss doch nur eine Mutter, deren Kind wir keinen Platz anbieten können, klagen, und schon ist es passiert.“

Diese Gefahr ist ganz reell. Denn die Stadt traute den theoretisch errechneten Bedarfsdeckungszahlen ohnehin nicht. Eine repräsentativ durchgeführte Elternbefragung förderte einen Bedarf von rund 40 Prozent zu Tage. In absoluten Zahlen ausgedrückt, bedeutete dies, dass sogar 750 zusätzlich Plätze in der Stadt geschaffen werden müssen.

Mehr Geld für den Ausbau der U-3-Plätze

Dabei sind bereits aktuell mehr als 46 Neu- und Anbaumaßnahmen geplant, denn ohne solche oft kostenintensiven Maßnahmen sei die Zielvorgabe einfach nicht zu erfüllen. Obwohl die bereit gestellten Investitionsmittel mit bis zu 18.000 Euro pro Platz in aller Regel nicht mehr ausreichen. Für die Träger hat sich die Übernahme der Betriebskostenzuschüsse für die freien Träger als hilfreich herausgestellt. In Bochum wurden seit dem Jahr 2008 bislang insgesamt 8,5 Millionen Euro an Fördermitteln an die verschiedenen Träger ausgezahlt.

Dieser Tage hatten die drei Bochumer SPD-Landtagsabgeordneten Carina Gödecke, Thomas Eiskirch und Serdar Yüksel erklärt, dass das Land in Bochum mehr Geld für den Ausbau der U-3-Plätze zur Verfügung stelle, insgesamt 15 Millionen Euro bis 2014. Das gelte auch für den in dieser Summe enthaltenen Ausgleich der Betriebskosten, was insgesamt von 2011 bis 2014 5,6 Millionen Euro ausmache. Zunächst hatte das Land dieses Geld jedoch blockiert und musste dazu erst über eine Klage der Kommunen („Konnexitätsklage“) vor dem Landesverfassungsgericht verpflichtet werden.