Bochum. Ob eine Wasseraufbereitungsanlage in Algerien oder der Offshore-Windpark in der Nordsee vor Borkum – immer wieder bringen Investitionen im In- und Ausland den Stadtwerken Verluste ein. Zufall, dass ab Oktober die Strompreise steigen? Stadtwerke-Chef Bernd Wilmert bestreitet einen Zusammenhang.

Hin und wieder schwefelt den Bochumer Stadtwerken eine üble Nachricht ins Haus: Mal wird eine Million Euro in den Sand von Algerien gesetzt, für eine Wasseraufbereitungsanlage, die nicht bezahlt wurde. Oder es drohen Zusatzkosten in Höhe von 50 Millionen Euro wie in diesen Tagen, weil die Inbetriebnahme des Windparks Borkum verschoben wurde. Bei solch hohen Risiken schwant nicht wenigen Bochumer Stadtwerke-Kunden, dass sie es sind, die zur Kasse gebeten werden, wenn auswärtige Mega-Geschäfte der Stadtwerke floppen. Im Oktober soll schließlich mal wieder der Strompreis erhöht werden.

Kein einziger Euro der Entgelte für Strom, Wasser und Gas werde für Großinvestitionen anderswo verwendet, versichert Stadtwerke-Chef Bernd Wilmert gern im freundlichen Bariton. Es ist die halbe Wahrheit. Was der als „Energiemanager des Jahres“ hochgelobte Mann dabei verschweigt, ist, wen es wirklich trifft, wenn riskante Deals seiner Firma nichts einbringen oder gar baden gehen.

„Nie trifft es den Gebührenzahler“, weiß etwa CDU-Fraktionschef Klaus Franz, Mitglied im Stadtwerke-Aufsichtsrat. „Aber es geht der Stadt verloren, über diesen Weg trifft es die Bürger.“ Beim Stadtwerke-Konzern haben selbst gestandene Ratsmitglieder Mühe, die Netzwerke der Beteiligungen gänzlich zu durchblicken, geschweige deren einzelne Risiken.

Goldesel Gelsenwasser

Als einziger Goldesel gilt die 50-prozentige Beteiligung der Stadtwerke an der Gelsenwasser AG. Alljährlich wird die Gewinnausschüttung genutzt, um den Kaufkredit abzustottern, was glänzend funktioniert, abgesehen davon, dass die Not leidende Mutter Stadt davon keinen Cent für die eigene Schuldentilgung sieht. Gleichwohl gilt der Gelsenwasser-Coup als genialer Glücksgriff.

Woanders sieht es nicht so strahlend aus, wie etwa beim Steag-Kauf durch ein Stadtwerke-Konsortium.

2011 war das Ergebnis bei der Steag so eingebrochen, dass sie ihre Rücklagen angreifen musste, um die vertraglich zugesicherte Dividende an ihre neuen Stadtwerke-Gesellschafter, darunter Bochum, zahlen zu können. Von einer lukrativen Beteiligung am Zwischenlager Ahaus musste sich die Steag trennen, um eine Bedingung der Grünen zu erfüllen.

Netzanschluss für Offshore-Windpark verschiebt sich

„Wir sind zum Wachsen verdammt“, ist das Credo von Bernd Wilmert. Es traf ihn hart, als er erst Mitte Juni erfuhr, dass der Netzanschluss für den gepriesenen Offshore-Windpark in der Nordsee vor Borkum verschoben wurde - bis hin zum 2. Quartal 2013. Grund: Der Netzanschluss durch den Netzbetreiber Tennet verzögert sich um bis zu fünf Monate. Auch die Fertigung der 700 Tonnen schweren See-Fundamente durch die Georgsmarienhütte-AG-Tochter Weserwind AG hinkt hinter dem Zeitplan her. Das gilt auch für die Umspannplattform, über die der See-Windstrom an Land gebracht wird.

Auf 50 Millionen Euro schätzt Dietmar Spohn, technischer Geschäftsführer der Bochumer Stadtwerke, die drohenden Extrakosten. Für seine Firma, die 18 Prozent des Windparks hält, wären das an die 10 Mio Euro Miese. Um einen langwierigen Gerichtsprozess zu vermeiden, wurden zwei Ministerien eingeschaltet, um die Windnummer anders zu lösen.

„Alte Gurken“ der Steag

Mit Sorge schauen Kritiker auch auf die „alten Gurken“ der Steag, Kraftwerke, denen RWE die Verträge kündigte und lieber billigen Strom im Ausland kauft. Und was Gelsenwasser anlangt, sei das Auslandsgeschäft, etwa die Kraftwerke in Kolumbien, in der Türkei und auf den Philippinen, für den städtischen Gesellschafter Stadtwerke ein merkwürdig ferner Besitz. Auch Nahgeschäfte wecken Zweifel. Wie Wilmerts Absicht, jetzt mit 11 Mio Euro aus den Rücklagen 50 Prozent der Dorstener Stadtwerke zu kaufen, was Branchenkenner überrascht: Denn mit Netzgesellschaften sei kein Geld mehr zu machen, weil die Netzgebühren teurer werden, geht zur Zeit die Kunde.