Wohl jeder hat sie längst satt, die unförmigen Winterklamotten, zwiebelig übereinander getragen, in beschwerlichem Schwarz oder Braun. Wer sich voller Vorfreude der Frühjahrsmode zuwendet, sollte darauf gefasst sein: Das kann ins Auge gehen.
Und zwar ganz schön grell. „In diesem Frühling läuft nichts ohne Farbe. Wer den Neustart macht, sollte sich nicht zurücknehmen.“ Sylke Wessel (46) leitet die Abteilung für Damen-Oberbekleidung im hiesigen Textilkaufhaus Baltz und fungiert auch als Einkäuferin. Als solche muss sie sich bereits der nächsten Wintermode zuwenden. Für die Kunden aber kommt jetzt erst einmal das Frühjahr.
Bloß keine Pastell-Farben
Sylke Wessel demonstriert, wo’s langgeht: Zum leichten Trench in kräftigem Rot sucht sie die passende Handtasche heraus, und die ist Pink. Angesagt sind auch deftiges Grün (wie eine sonnenbegossene Wiese), mittleres Blau (bloß kein Pastell) und natürlich Orange (schwer angesagt). Indes: „Keiner muss jeden Trend mitmachen. Gott sei Dank gibt es kein Modediktat mehr.“ Mutige Kundinnen kleiden sich von Kopf bis Fuß farbenreich. „Andere brechen einzelne Details herunter, tragen also einen roten Blazer oder ein T-Shirt oder vielleicht nur einen Gürtel, der Akzente setzt.“
Das Verlangen nach Farbe ist naturgemäß im Frühling besonders stark. Es signalisiert Vitalität, Frische, Aufbruch. Das macht sich die Modebranche seit jeher zu eigen. Selten aber so knallig und überraschend in der Zusammenstellung wie in diesem Jahr.
Frühling beflügelt
Roter Mantel mit Pink-Täschchen mag so manche Frau erst einmal den Mund verziehen lassen. Kommt indes ein wild gemustertes Tuch hinzu, das genau die beiden „sich beißenden“ Farben mit aufgreift, findet auch das Auge zurückhaltender Zeitgenossen plötzlich Gefallen, und die Mundwinkel entspannen sich. Das gleiche gilt wohl für Mustermix: Erlaubt sind Blümchen zu Streifen. „Es geht zumeist gar nicht darum, dass ich zum Frühjahr hin unbedingt etwas Neues brauche“, sagt Sylke Wessel. Vielmehr fühle sich jeder beflügelt, nach den langen, grauen Wintermonaten mit ihrer dunklen Zweckkleidung die Garderobe visuell kräftiger wahrzunehmen.
New York Fashion Week
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Sind erst einmal die wattierten, unförmigen Klamotten im Kleiderschrank zur Seite geschoben, lassen leichte Textilien mehr Figur durchblicken: Etuikleider lägen wieder im Trend mit knieumspielter Rocklänge (bei ganz junger Mode hält sich der Mini). Bei Hosen dominieren gerade Formen. Sogar die Bundfalte ist zurück; weil sie aber schreckliche Erinnerungen an die Karottenhosen wecken würde, beschränkt sich die Falte auf dezente Abnäher.
„Mode“, so sagt Sylke Wessel, „hat viel mit Gefühl zu tun.“ Ihr eigenes drückt sie in sehr fröhlichen, lebhaften Farben aus, mit dem Signal: Der Frühling kann kommen.
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