Bochum. . Schauspielhaus-Intendant Anselm Weber ist erschrocken über die finanzielle Situation. Pro Jahr fehlen bis zu 750 000 Euro. Eine Spielstätte muss schließen, die Eintrittspreise werden erhöht. Wie geht es weiter?
Höhere Eintrittspreise, eine Spielstätte weniger – Intendant Anselm Weber (48) zieht angesichts der finanziellen Situation beim Schauspielhaus die Reißleine. Und tritt dennoch auf der Stelle: „Was wir vorne sparen, fliegt hinten wieder raus!“, sagt er.
Die Schieflage seines Hauses beruhe letztlich auf politisch gewollten Strukturen. „Es hat aber wohl niemand durchgerechnet, was dies kostet“, sagte Weber am Mittwoch in einem Gespräch, an dem auch Kulturdezernent Michael Townsend teilnahm. Anhand von Zahlen legte der Intendant dar, dass die Überführung des Hauses in eine Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) zum 1. Januar 2006 inzwischen fast 5,7 Millionen Euro gekostet habe. Allein für das laufende Jahr fehlen zurzeit eine halbe bis eine dreiviertel Million, ergänzte Townsend. Tariferhöhungen, Energiekosten und die Kürzung des städtischen Zuschusses um jährlich 220.000 Euro belasteten den Etat seit Jahren über Gebühr. Townsend: „Jetzt aber sind unsere Rücklagen verbraucht.“
Spielregeln einhalten
Da sich die Stadt auferlegt habe, gewisse „Spielregeln“ einzuhalten – darunter der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen – sei es nun sehr schwierig zu sparen. Zumal Weber für seine Schauspieler das gleiche Recht einfordert. „Es kann nicht sein, dass immer auf Kosten der Kunst gespart wird.“
Weber betonte nachdrücklich, dass es auch nicht der rein künstlerische Bereich sei, der die Probleme verursache. So machten die Gagen nur acht Prozent der Gesamtaufwendungen aus. Das entspricht ungefähr der Größenordnung der Einnahmen durch den Kartenverkauf. Schwerer ins Gewicht als die Kosten für die 31 fest angestellten Schauspieler fallen vor allem die Gesamtkosten für insgesamt 288 Stellen. Dazu kommen Betriebskosten von 1,4 Mio Euro pro Jahr. – „Ohne, dass jemand überhaupt das Gebäude betreten hat“, so Weber.
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Kunst als weiche Flanke
Der Intendant wehrt sich nun offen dagegen, diesen Graben, der sich ihm erst seit einem halben Jahr auftut , mit Einsparungen auf dem künstlerischen Gebiet zu schließen: „Ich kenne das von anderen Häusern. Die Kunst gilt als weiche Flanke“. Weber zieht andere Register. „Wir tun im Moment alles was möglich ist. Wir haben den Werbeetat gegen Null gefahren, wir drucken nächstes Jahr nur noch ein Eröffnungsplakat und ich habe einen Einstellungsstopp verhängt.“ Mitarbeiter, die krank werden, in Elternzeit gehen oder ausscheiden, werden nicht ersetzt.
Der tiefe Blick in die Bücher hat den Intendanten offensichtlich getroffen. „Ich wurde hier mit Dingen konfrontiert, die nicht mein Kerngeschäft sind. Ich kann zwar jetzt als Buchhalter anfangen, aber das habe ich nicht gelernt.“
Die Brocken hinwerfen?
Fühlt er sich getäuscht? Bewusst sei das wohl nicht geschehen, sagte er, doch gab er zu, in depressiven Momenten überlegt zu haben, „die Brocken hinzuwerfen“.
Kulturdezernent Townsend versprüht dagegen vorsichtigen Optimismus und will die Schärfe aus der Diskussion nehmen. Er glaubt, dass das Loch mittels einer „gemeinsamen Anstrengung“ geschlossen können werde. Konkret bringe bereits die Schließung des Melanchthonsaals, der Spielstätte des jungen Schauspielhauses, eine Einsparung von 160.000 Euro pro Jahr. Dies ergebe sich aus der Jahresmiete (ca. 17.000 Euro) und der Verlagerung von drei Personalstellen zurück ins Haupthaus.
Personelle Konsequenzen?
Mit der Erhöhung der Eintrittspreise (erhoffter Zugewinn: ca. 100.000 Euro) und der Schließung des Saals hält der Intendant seine Maßnahmen zur Konsolidierung zunächst für abgeschlossen. Die Premieren der nächsten Spielzeit würden plangemäß gespielt. Wie der Verwaltungsrat mit dem Finanzloch umgehen wird, und ob sich noch neue Geldquellen eröffnen werden, wird man schon in den nächsten Wochen erfahren, so Townsend.
Etwaige personelle Konsequenzen wollte der Kulturdezernent nicht diskutieren.
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