Bochum. Raus aus den Amtsstuben, rein in moderne Büros. Bochum krempelt seine Verwaltung um. Die ersten Ergebnisse sind im Husemannkarree zu sehen.
Schick. Das ist der erste Eindruck, den die neuen Arbeitsplätze von bis zu 850 Beschäftigten der Stadt Bochum hinterlassen. Große, lichte Räume, offene Begegnungsbereiche mit Küche und roten Sitzgarnituren, blaue und grüne Trennwände und transparente Rückzugsorte, sozusagen große, Telefonzellen-artige Privatbereiche mitten in den Großraumbüros. Hier in den oberen Etagen des Husemannkarrees sieht es so gar nicht aus wie in einer Amtsstube.
Stadt bucht 15.000 m2 Bürofläche für die nächsten 20 Jahre
Ende März war der seit vielen Jahren größte Umzug der Stadtverwaltung beendet. Seitdem haben die Beschäftigten der Bußgeldstelle, des Ordnungsamts, des Sozialamts, des Familienbüros, des Referats für Sport und Bewegung, des Kommunalen Integrationszentrums und des Referats für Gleichstellung, Familie und Inklusion neue Arbeitsplätze – und ihre Kunden, die Bochumerinnen und Bochumer, neue Anlaufstellen. Und das voraussichtlich zumindest für die nächsten 20 Jahre. Für diesen Zeitraum hat die Stadt nämlich auf fünf Etagen 15.000 der insgesamt 30.000 Quadratmeter Fläche in dem Einkaufs- und Dienstleistungszentrum gemietet.
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Weitere Verwaltungsstandorte werden modernisiert
Die einen sagen, das sei ein Fehler („Bauen oder Kaufen ist billiger als Mieten“); für die anderen, in erster Linie die Rathaus-Koalition, ist es der Auftakt eines umfassenden Umbaus der Verwaltungsstandorte. Die beiden nächsten großen Schritte werden der Bezug des „Haus des Wissens“ 2027 und der anschließende Abriss des Bildungs- und Verwaltungszentrums (BVZ) sein. Dazu kommt die Sanierung der verbleibenden beiden Flügel im Rathaus. Sie soll 2030 beendet sein. Und auch dort sind die Arbeitsplätze moderner ausgestattet: technisch und optisch.
Ob das alles so schick aussehen muss, wie es nun aussieht, darüber lässt sich streiten. Aus Sicht der Stadt ist die Modernisierung der Arbeitswelt aber alternativlos. „Wir wollen Vorreiterin modernen Stadtmanagements sein“, sagt Stadtdirektor Sebastian Kopietz. Mit Infotheken, Wartebereichen, digitalen Informationswänden, individuellen Beratungsräumen und vielem mehr. „Die Stadt macht sich auf den Weg nach New Work“, hat Kopietz vor einiger Zeit beim Rundgang durch die neue Bürolandschaft gesagt.
Viele Unternehmen schwören auf offene, moderne Büroflächen
Und sie folgt damit einem Weg, den viele Unternehmen längst eingeschlagen haben. Der Immobilienriese Vonovia hat seine 2018 bezogene neue Zentrale nach ähnlichen Prinzipien eingerichtet, ebenso die IT-Schmieden Volkswagen Infotainment und Etas und viele andere.
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New Work steht für attraktive und mitarbeiterorientierte Arbeitsplätze, für moderne technische Ausstattung, für neue Formen des Zusammenarbeitens – und auch dafür, dass niemand mehr einen festen, physischen Arbeitsplatz, sondern sich diesen jeden Morgen im Gebäude neue „sucht“ bzw. bucht. Das jedenfalls ist die reine Lehre. In der Praxis sieht es schon etwas anders aus. Schließlich wandert etwa das Ordnungsamt nicht täglich neu durchs Gebäude, sondern ist immer an der gleichen Stelle als Anlaufstelle für die Bürger erreichbar. Innerhalb des Ordnungsamts freilich sind die meisten Stühle und Schreibtische nicht mehr fest an einzelne Beschäftigte vergeben – so wie in den Bereichen auch nicht.
Etwa 6300 Beschäftigte arbeiten bei der Stadt Bochum
Das ist nur eine Facette der „neuen Arbeitswelt“. Die wiederum kommt bei den städtischen Beschäftigten durchwachsen an. „Optisch kann man nicht meckern“, sagt Uwe Schmidt, der Personalratschef und Interessenvertreter von etwa 6300 Angestellten und Beamten. Die neue Ausstattung mache einen guten Eindruck.
Es gibt buchbare Arbeitsplätze auf den offenen Büroflächen. Feste Trennwände an den Schreibtischen auf der offenen Bürofläche machen individuelles Arbeiten möglich. Und bei mehr Bedarf nach Rückzug können leicht bewegliche Stellwände für zusätzliche akustische und optische Abschottung eingesetzt werden.
Allerdings: „Es sind ganz neue Arbeitsbedingungen, die einen Umgewöhnungsprozess mit sich bringen, der nicht von allen gleich getragen wird“, so Schmidt. „Die Jüngeren stehen dem offener gegenüber als Kollegen, die seit vielen Jahren bei der Stadt arbeiten, und das bislang in Einzel- oder Doppelbüros.“ So sind denn auch Hunderte Hinweise der Beschäftigten an eine extra eingerichtete E-Mail-„Beschwerdestelle“ gegangen, in denen es um Defizite, Missstände und Veränderungsvorschläge ging.
Beschäftigte konnten neue Bürowelt ausgiebig testen
Allerdings: Der Arbeitgeber Stadt hat die Beschäftigten bei der Planung der neuen Arbeitswelt mitgenommen. Im ehemaligen Viactiv-Standort an der Universitätsstraße, den die Stadt mittlerweile gekauft habe, sei auf Wunsch des Personalrats eine Testfläche eingerichtet worden.
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„Das war eine gute Idee und nicht selbstverständlich für einen öffentlichen Auftraggeber“, sagt Thomas Diekhöfer. Er hat mit seinem Bochumer Unternehmen Ruhrprojekt die neue städtische Bürowelt geliefert.
Auch der Personalrat der Stadt hat im vergangenen Jahr drei Wochen lang die neue Arbeitswelt getestet, um sich ein Bild von den Veränderungen zu machen. Nun wartet er erst einmal ab, wie sich die Arbeitsabläufe einspielen und die Beschäftigten auf die neue Umgebung einstellen. „In einem halben Jahr werden wir mal schauen, was sich verbessert hat und wie die Stimmung unter den Kolleginnen und Kollegen ist“, sagt Uwe Schmidt.
Acht Prozent der städtischen Arbeitsstellen sind unbesetzt
Tatsächlich hat die Modernisierung neben der erhofften Effizienzsteigerung und der größeren Bürgerfreundlichkeit noch eine weitere Dimension. Bochum muss als Arbeitgeber attraktive Arbeitsplätze anbieten, um im Kampf um begehrtes Personal mit der freien Wirtschaft mithalten zu können. Durchschnittlich acht Prozent der städtischen Stellen sind momentan unbesetzt. Das ist schon eine beträchtliche Personallücke.