Bochum. Bis zum 5. März soll der letzte Mieter (73) eine Häuserzeile in Bochum verlassen, die Stadt beharrt auf dem Abriss. Der Streit spitzt sich zu.

„Es gibt für mich kein Danach“, sagt Klaus Schmitt. Bis zum 5. März soll der letzte Mieter der Häuserzeile an der Kohlenstraße 135 bis 142 seine Wohnung verlassen haben. Die Zwangsräumung droht. Doch der 73-Jährige will nicht weichen. Polizei ist vor Ort. Der Streit spitzt sich zu.

Der geplante Abriss der vier Häuser unmittelbar an der Westtangente ist zum Politikum geworden. Unterstützergruppen wie das „Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung“ erkennen darin ein Symbol für eine verfehlte und unsoziale Wohnungspolitik in Bochum. Der Verfall müsse gestoppt, die Häuser instandgesetzt und dringend benötigter preisgünstiger Wohnraum geschaffen werden, so die Kritiker. Dafür sprechen sich auch 1140 Unterzeichner einer Online-Petition aus. Ihre Forderung: „Klaus bleibt!“ Stattdessen sollen hier neue Gewerbeflächen entstehen.

Stadt Bochum: Sachverhalt wird „skandalisiert“

Die Stadt beharrt auf dem Abriss. „Nicht jede Wohnung kann gerettet werden“, bekräftigte Stadtbaurat Markus Bradtke in der jüngsten Ratssitzung. Die Häuser seien „mit wirtschaftlichen Mitteln“ nicht zu renovieren. Die Stadt habe in dem Verfahren gegen Klaus Schmitt stets rechtmäßig gehandelt; der Sachverhalt werde von den Aktivisten „skandalisiert“.

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Der Räumungsklage wurde 2023 in letzter Instanz stattgegeben. Doch Klaus Schmitt kämpft weiter. Nach Angaben des Solidaritätskreises hat er inzwischen beim Amtsgericht Räumungsschutz beantragt. „Begründung ist seine angeschlagene psychische Verfassung“, sagt Sprecher Johannes Habich. Vor dem Verwaltungsgericht wolle Schmitt zudem ein Stopp der Abriss-Vorbereitungen erwirken. „Die Baustraße hinter den Gebäuden wurde bereits angelegt“, so Habich.

„Klaus bleibt“, haben Aktivisten auf die Fassaden der Schrotthäuser an der Kohlenstraße in Bochum gesprüht.
„Klaus bleibt“, haben Aktivisten auf die Fassaden der Schrotthäuser an der Kohlenstraße in Bochum gesprüht. © WAZ | Gernot Noelle

Vor angedrohter Zwangsräumung: Erhöhte Polizeipräsenz?

Derweil berichtet das „Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung“ von einer erhöhten Polizeipräsenz an den Häusern an der Kohlenstraße. Die Polizei habe mit Blick auf eine offenbar befürchtete Besetzung „eine Hysterie ergriffen“, so Sprecher Wolfgang Czapracki-Mohnhaupt. „Allabendlich wird rund um die Häuser nachgeschaut, ob alles noch seine Ordnung hat. Kontrolliert wird jeder und jede, die den Häusern zu nahe kommt“, heißt es in einer Mitteilung.

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Sogar eine 91-jährige Teilnehmerin der regelmäßigen „Sonntagsspaziergänge“ in dem Viertel habe jüngst eine Personenfeststellung über sich ergehen lassen müssen. „Angesichts des bisherigen polizeilichen Vorgehens werden schnell Erinnerungen an Polizeiaktionen gegen das ehemals besetzte Heusnerviertel wach“, mahnt Czapracki-Mohnhaupt und fragt: „Welche Gefahrenlage sieht die Polizei, dass sie solch eine Personenkontrolle für zulässig hält? Warum nur diese Hysterie? Oder soll der Mieter durch solche Maßnahmen nur eingeschüchtert werden?“

Bei mehreren Demonstrationen im Stadtgebiet wurde ein Erhalt der Wohnungen an der Kohlenstraße gefordert. Kurz vor der Zwangsräumung am 5. März spitzt sich der Streit zu.
Bei mehreren Demonstrationen im Stadtgebiet wurde ein Erhalt der Wohnungen an der Kohlenstraße gefordert. Kurz vor der Zwangsräumung am 5. März spitzt sich der Streit zu. © WAZ | Gernot Noelle

Netzwerk mahnt: „Folgen einer Zwangsräumung bedenken“

Hat die Stadt eine regelmäßige Beobachtung der Häuser veranlasst? Die Rathaus-Pressestelle verweist auf WAZ-Anfrage auf die Polizei. Deren Sprecher Marco Bischoff erklärt: „Im Rahmen des täglichen Dienstes wurde und wird weiterhin anlassbezogen auf Grundlage geltenden Rechts auf einsatzrelevante Situationen vor Ort reagiert.“ Bei Bedarf werde die Polizei auf Ersuchen des Amtsgerichts den Gerichtsvollzieher im Rahmen der Amts- und Vollzugshilfe unterstützen. „Entsprechende Abstimmungen finden statt“, so Bischoff.

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Während der Solidaritätskreis offen lässt, ob und was am 5. März passieren wird, warnt das „Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung“ vor einem rigorosen Vorgehen. Die mehrfache Ankündigung von Klaus Schmitt, sein Geburtshaus nicht lebend verlassen zu wollen, „sollte Stadt und Polizei Sorge genug sein, alle möglichen Folgen einer Zwangsräumung mit Fachleuten nochmals zu überdenken“, so Wolfgang Czapracki-Mohnhaupt.