Bochum. „Die da oben, wir hier unten“: Bürgerbeteiligung in der Politik wird vielfach vermisst. In Bochum soll das anders sein. Doch es gibt Reibereien.
In Bochum sollen die Bürgerinnen und Bürger mehr Mitsprache bei Entscheidungen der Stadt und Politik erlangen. Doch ein Eckpunkte-Papier der Verwaltung sorgt für Streit. Dabei geht es –ausgerechnet – um den Vorwurf mangelnder Bürgerbeteiligung.
Politikverdrossenheit gilt als wesentlicher Auslöser für das Erstarken rechtspopulistischer und -extremer Parteien in Deutschland. „Die da oben machen doch eh, was sie wollen“: Diese Auffassung ist immer häufiger Allgemeingut.
Bürgerbeteiligung in Bochum: Stadt hat Eckpunkte formuliert
Stadt und Politik in Bochum wollen gegensteuern. 2020 wurden die Planungen für eine erweiterte Bürgerbeteiligung angeschoben. Die wird zwar schon in vielfältiger Form ermöglicht: von Sprechstunden beim Oberbürgermeister und den Bezirksbürgermeistern bis zur Einwohnerfragestunde im Rat, von Stadtteilspaziergängen bis zur Spielplatzplanung, von Bürgerkonferenzen bis zu den gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungen beim Bau- und Planungsrecht.
Doch Bochum will mehr. Deshalb hat die Verwaltung ein Papier erarbeitet, das zusätzliche, verstärkt auch digitale Formate aufzeigen soll, mit denen sich Bürger in und für ihre Stadt einbringen können. Zwei darin aufgeführte Ideen: Das bereits bestehende Büro für Bürgerbeteiligung soll als zentrale Kontaktstelle fungieren. Und: Der Ausschuss für Anregungen und Beschwerden soll zurückkehren. Ihn gab es bereits von 1979 bis 1994.
„Hinters Licht geführt“: Scharfe Kritik an Verwaltungsvorlage
In der Ratssitzung am Donnerstag hagelte es Kritik. Elf Gruppen und Initiativen vom Arbeitskreis Umwelt bis zur „Radwende“ hatten schon zuvor bemängelt, dass die Eckpunkte – anders als zugesagt – ohne Mitwirkung der Bochumer Zivilgesellschaft formuliert worden seien. Zudem seien sie „auf ganzer Linie enttäuschend, an Unverbindlichkeit kaum zu überbieten und bleiben meilenweit hinter dem zurück, was andere Städte zum Thema Bürgerbeteiligung beschlossen haben“.
Die Bürger müssten sich „von einer Politik-Elite hinters Licht geführt“ fühlen, bekräftigte Volker Steude von den „Stadtgestaltern“. Die Bezirksvertretungen hätten unbedingt mit eingebunden werden müssen, sagte UWG-Ratsherr Hans-Josef Winkler.
FDP: Bürgerbeteiligung in Bochum braucht ein Gesicht
Die Vorlage sei „weit entfernt von einem großen Wurf“, meint auch Felix Haltt, Vorsitzender der FDP-Ratsfraktion. Die Bürgerbeteiligung in Bochum brauche „eine klare Vermarktungsstrategie“, „ein Gesicht“, einen weithin sichtbaren und bekannten Ansprechpartner. Als Vorbilder sehen die Liberalen den städtischen Baum-Manager Marcus Kamplade und den Mobilitäts-Beauftragten Matthias Olschowy.
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Sebastian Pewny von den Grünen wies die Vorwürfe zurück. Die Eckpunkte der Stadt bildeten lediglich den Rahmen, wo und wie welche Formate möglich seien. Darauf werde nun in den politischen Beratungen aufgebaut. „Wir haben noch einige weitere Vorstellungen, die wir in der nächsten Zeit einbringen werden“, kündigte Pewny an.
Mehrheit im Rat: Aber Diskussion hat gerade erst begonnen
CDU-Fraktionschef Karsten Herlitz wird ihn beim Wort nehmen. Das Eckpunkte-Papier könne nur der erste Aufschlag sein. „Ich hoffe, dass da in diesem Jahr Leben reinkommt.“
Mit breiter Mehrheit u.a. der rot-grünen Koalition wurde die Vorlage im Rat angenommen. Einig waren sich alle Kommunalpolitiker: Die Diskussion über eine breite, verlässliche und glaubwürdige Bürgerbeteiligung ist mit dem Ratsbeschluss keineswegs abgeschlossen, sondern hat gerade erst begonnen.