Bochum. Ein neues Buch ruft die Geschichte der Westtangente und des Heusnerviertels in Bochum wach. Es war eine der größten Hausbesetzungen der Republik.
Das Heusnerviertel ist Vergangenheit, über das Areal verläuft heute der Donezk-Ring, ehemals Westtangente genannt. Kaum bekannt ist noch, dass vor dem Abriss des Wohnviertels in Bochum-Stahlhausen in den 80er Jahren hier eine der größten Hausbesetzungen Deutschlands erfolgte. Ein neues Buch widmet sich, erstmals umfassend, den Hintergründen und zeichnete die umfangreiche Baugeschichte der seinerzeit höchst umstrittenen Stadtautobahn nach.
Neues Buch ruft die Geschichte der Westtangente in Bochum wach
Verfasst hat die Dokumentation „Westtangente und Heusnerviertel. Ein Brennpunkt der Bochumer Stadtgeschichte“ Johannes Habich. Autobahnen in Bochum und Umgebung ist das Spezialgebiet des Hobbyforschers, der bereits mit zahlreichen Veröffentlichungen und Vorträgen, etwa bei der Kortum-Gesellschaft, das Thema beackert hat. Bei seinen vielfältigen Recherchen war Habich zwangsläufig auch die Westtangente begegnet, das Stück des Außenrings zwischen Wattenscheider Straße und Wiemelhausen.
Mit der Ruhr-Universität bekam die Straßenplanung eine größere Dimension
„Ich wolle zunächst herausfinden, warum sich der Bau dieser Autobahn über 33 Jahre lang hingezogen hatte“, sagt Habich. Tatsächlich gibt es erste Pläne für einen Außenring schon in den 1920er Jahren. Die Entwürfe wurden immer wieder verändert, angepasst, modifiziert. „Mit der Ruhr-Universität bekam die Straßenplanung in den 1960er Jahren dann eine noch größere Dimension“, so Habich.
Er hat diese Vorgeschichte akribisch recherchiert, sein Buch ist voll mit alten Planentwürfen, Skizzen, Trassierungsvarianten und auch Fotos. Am Ende fiel die Entscheidung, die Straße weiter östlich verlaufen zu lassen, als anfangs geplant. „Dabei stand das Heusnerviertel im Weg“, so Habich. Seit den 1970er Jahren begann die Stadt, dort Häuser aufzukaufen, und überließ die Gegend – offenbar bewusst – dem Verfall.
Nun drängt der zweite Aspekt mit Macht hinein: Die „auf Abriss“ stehenden Häuser wurden nämlich als günstiger Wohnraum vom Akademischen Förderungswerk angemietet, viele Studenten zogen hierhin. Mit den verbliebenen Alt-Bewohnern entwickelte sich das alte Heusnerviertel so zu eine Art Feldversuch der Revitalisierung. Was „von oben“ nicht gewollt war, schließlich war die Autobahn beschlossene Sache.
Als es Mitte der 80er Jahre ernst wurde damit, kam es rund um die Heusner- und Bahnstraße zu Hausbesetzungen, Zwangsräumungen, Abriss unter Polizeibewachung – damals sogar Thema in der Tagesschau. Habich dokumentiert auch diesen Aspekt, und er hat sehr viele bislang unbekannte Fotos herausgekramt, die das subkulturelle Leben im Viertel zeigen, kurz bevor die Bagger anrückten.
Hier erhältlich
Das Buch „Westtangente und Heusnerviertel. Ein Brennpunkt der Bochumer Stadtgeschichte“ wird von Johannes Habich im Eigenverlag vertrieben. Das DIN-A-4-Hardcover mit vielen Abbildungen umfasst 116 Seiten und kostet 25 Euro.
Die Dokumentation ist in den Bochumer Buchhandlungen Janssen, Brüderstraße 3, Mirhoff & Fischer, Pieperstraße 12, UBU, Unistraße 39/41 und Karrierebuch, Stühmeyerstraße 33a, erhältlich.
Der Autor kommentiert die Entwicklung nicht, und räumt auch den Krawallen und Großdemonstrationen, die Bochum damals im Zuge der gewaltsamen Räumung der Häuser erschütterten, wenig Raum ein. In erster Linie werden verkehrshistorische und sozialpolitische Aspekte rund um den Bau der Schnellstraße beleuchtet.
Bochum wurde von einer Motorisierungswelle überrollt
Gleichwohl bezieht Johannes Habich auch Stellung. „Wie das ganze Ruhrgebiet wurde Bochum in den letzten 40 Jahren von einer Motorisierungswelle überrollt. Es ist deshalb müßig, die Notwendigkeit der Westtangente infrage zu stellen“, schreibt er. Die Trassenwahl dagegen müsse kritisiert werden. Im Flächennutzungsplan von 1972 war der Verlauf viel weiter westlich vorgesehen: „Dabei wäre das Heusnerviertel größtenteils verschont geblieben.“