Bochum. Die Räumungsfrist ist abgelaufen. Doch der einsame Kampf eines Mieters in Bochum geht weiter. Wie die Stadt reagiert, wer Solidarität zeigt.

Die Frist ist abgelaufen. Klaus Schmitt bleibt standhaft. Bis zum 7. Dezember hätte er das Wohnhaus an der Kohlenstraße 135 räumen müssen. „Aber ich bleibe!“, bekräftigte der 73-Jährige bei einem „Solidaritätsbesuch“ des Bündnisses „Gutes Wohnen in Bochum“. Deren Aktivisten kündigen weitere Aktionen an.

Seit seiner Geburt lebt Klaus Schmitt in dem Haus unmittelbar am ehemaligen Heusnerviertel, das in den 80er Jahren Schauplatz einer der größten und erbittertsten Hausbesetzungen in Deutschland war. Insgesamt sind es vier verwahrloste Gebäude, die die Stadt als Eigentümerin schon seit Jahren als „Schrottimmobilien“ gelistet hat. Sie sollen abgerissen und „einer gewerblichen Nutzung zugeführt werden. Wohnbebauung soll dort (...) nicht mehr stattfinden“, heißt es im Rathaus. Die Rede ist vom Bau neuer Büroflächen.

Räumungsklage: Mieter hat sein Geburtshaus nie verlassen

Klaus Schmitt ist seit dem Tod seiner Mutter vor sechs Jahren der letzte Mieter in der Häuserzeile. 2019 war ihm von der Stadt gekündigt worden. Er wehrte sich juristisch. Vergeblich. Im September wies das Landgericht seine Berufung gegen die Räumungsklage zurück. Klaus Schmitt muss raus.

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Doch der einstige Fernmeldetechniker gibt seinen einsamen Kampf nicht auf. Dabei gehe es nicht nur um ihn, sagt er im WAZ-Gespräch, sondern auch „um den Erhalt von preisgünstigem Wohnraum, der in Bochum dringender denn je fehlt“. Statt die Häuser weiter herunterzuwirtschaften, könnte die Stadt sie ertüchtigen und mit geringen Mieten neu nutzen.

Verwahrlost sind die vier Mehrfamilienhäuser an der Kohlenstraße. Die Stadt will sie abreißen und auf der Fläche Gewerbe ansiedeln. In dem Haus Nummer 135 (links) wohnt Klaus Schmitt als letzter Mieter.
Verwahrlost sind die vier Mehrfamilienhäuser an der Kohlenstraße. Die Stadt will sie abreißen und auf der Fläche Gewerbe ansiedeln. In dem Haus Nummer 135 (links) wohnt Klaus Schmitt als letzter Mieter. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Bochumer Bündnis stattete „Solidaritätsbesuch“ ab

„Der Abriss ist ein Unding bei der akuten Wohnungsnot, die wir in Bochum haben. Weitere Büros braucht kein Mensch!“, unterstreicht Maja Burghardt. Die 23-jährige Studentin zählte in dieser Woche zu einem Dutzend Aktivisten des Bündnisses „Gutes Wohnen in Bochum“, die Klaus Schmitt an der Kohlenstraße Mut zusprechen wollten. Mit dabei: der Autor Johannes Habich, der ein Buch über das Heusnerviertel verfasst hat, sowie Rainer Midlaszewski vom Netzwerk „Stadt für alle“.

Klaus Schmitt freute sich über den Beistand. „Das ist mein Zuhause. Das werde ich lebend niemals verlassen“, bekräftigte der Rentner mit entschlossenem Blick. Was das bedeute, könne „sich jeder denken“. Doch noch sei Gegenwehr angesagt. Aufgrund einer psychischen Erkrankung wolle er einen Räumungsschutz erwirken.

Stadt kündigt an: „Wir werden die weiteren Schritte einleiten“

Derweil lässt die Stadt keinen Zweifel, konsequent vorzugehen. Nach Ablauf der Räumungsfrist „werden wir nun die weiteren Schritte einleiten“, erklärt Sprecher Thomas Sprenger auf WAZ-Anfrage. Was das heißt, hat die Stadt in ihrer Räumungsaufforderung Anfang November angekündigt: Man werde „soweit erforderlich den Räumungstitel mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers vollstrecken“. Sollte dadurch eine Notlage eintreten, „stehen die Ansprechpersonen des Amtes für Soziales (...) für einen Erstkontakt zur Verfügung“.

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Das Bündnis „Gutes Wohnen in Bochum“ sichert Klaus Schmitt weitere Unterstützung zu. In welcher Form, wolle man noch beraten. Ob es wie vor 40 Jahren zu Hausbesetzungen kommen könnte, ließ die Gruppe beim Besuch an der Kohlenstraße offen.

Mieterverein: Zahl der Sozialwohnungen ist nochmals gesunken

Bei einer Versammlung des Bündnisses in der Ko-Fabrik hatte Martin Krämer vom Mieterverein zuvor massive Fehlentwicklungen auf dem Bochumer Wohnungsmarkt angeprangert. Die Zahl der Sozialwohnungen sei nochmals um 1500 gesunken. Die Maßnahmen aus dem letzten Handlungskonzept der Stadt hätten kaum Erfolge gezeitigt. Krämer: „Die explodierenden Baukosten verschärfen aktuell die Lage.“ Neubaumieten von 12,50 bis 18 Euro pro Quadratmeter seien „unbezahlbar für Normal- und Geringverdiener“.