Bochum. Klaus Schmitt will in seiner Wohnung bleiben, die Stadt Bochum das Schrotthaus abreißen lassen. Der Rentner kämpft und erhält viel Unterstützung.

Juristisch hat er den Kampf verloren, doch Klaus Schmitt gibt nicht auf. Er will in seiner Wohnung an der Kohlenstraße 135 im früheren Heusnerviertel bleiben. Hier, nahe der Rombacher Hütte, lebt er seit seiner Geburt vor 73 Jahren. Eine von der Stadt Bochum gesetzte Räumungsfrist hat Schmitt verstreichen lassen, stattdessen kämpft er weiter um sein „Grundrecht zu wohnen“. Und dabei bekommt er immer mehr Unterstützung: Am Samstagmittag (16. Dezember) startete ein Demonstrationszug vom Musikforum am Rathaus vorbei zur Kohlenstraße.

„Klaus bleibt“: Protest gegen Zwangsräumung in Bochum wächst

Rund 60 Personen ziehen von der Polizei begleitet durch die Innenstadt. Die meisten von ihnen gehören zum Bündnis „Gutes Wohnen in Bochum“. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr Klaus die Wohnung klaut“, skandieren sie. Schmitt sehen sie als Symbol für ihre Forderung nach bezahlbarem Wohnraum in der Stadt. Die setze lieber auf Neubauprojekte, anstatt den Bestand zu pflegen und zu nutzen, wird in vielen Wortbeiträgen kritisiert. In die vier Häuser an der Kohlenstraße sei bewusst nichts mehr investiert worden, um sie jetzt abreißen lassen zu können, damit sich dort Gewerbe ansiedeln kann.

„Klaus bleibt – Wohnraum erhalten!“, steht auf einem Plakat bei der Demo, die am Samstagmittag vor dem Musikforum in Bochum startete.
„Klaus bleibt – Wohnraum erhalten!“, steht auf einem Plakat bei der Demo, die am Samstagmittag vor dem Musikforum in Bochum startete. © WAZ | Gernot Noelle

Man dürfe Wohnraum nicht einfach wegnehmen, finden Maja Burghardt und Luise Welper vom Bündnis „Gutes Wohnen in Bochum“. „Da hängen doch Geschichten dran.“ Wie die von Klaus Schmitt. 1949 waren seine Eltern in das Wohnhaus eingezogen. Ein Jahr später kam er zur Welt. Zuletzt habe er hier zehn Jahre lang seine Mutter gepflegt, bis zu ihrem Tod vor sechs Jahren.

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Klaus Schmitts Kampf gegen die Zwangsräumung, das wird am Samstag klar, ist inzwischen zum Politikum geworden. Gruppen und Initiativen wie „Stadt für alle“ und „Genug ist genug Bochum“ nutzen die Gelegenheit, um gegen die Wohnungsbaupolitik der Stadt Bochum zu protestieren und eine Wohnraumschutzsatzung zu fordern. Im Internet wurde eine Online-Petition gestartet, um Unterschriften zu sammeln. „Wohnraum darf keine Ware sein – Zwangsräumung von Klaus stoppen“, heißt es dort. 281 Menschen haben schon unterzeichnet (Stand Samstagnachmittag).

Einsamer Mieter in Bochum: Klaus Schmitt besitzt drei Immobilien

Auch Schmitt selbst sieht seinen Protest eher „sozialpolitisch motiviert“, eben um Wohnraum zu erhalten. Zwingend angewiesen auf die Wohnung an der Kohlenstraße und die günstige Miete (100 Euro für 70 Quadratmeter) ist er nicht. Denn der frühere Fernmeldetechniker besitzt drei Immobilien – zwei Eigentumswohnungen und einen alten Bauernhof im Westerwald.

„Klaus bleibt“ – dieser Slogan ziert inzwischen auch eine Wand an den Häusern der Kohlenstraße, die die Stadt Bochum abreißen lassen will.
„Klaus bleibt“ – dieser Slogan ziert inzwischen auch eine Wand an den Häusern der Kohlenstraße, die die Stadt Bochum abreißen lassen will. © WAZ | Gernot Noelle

Die beiden Wohnungen habe er bei Versteigerungen erworben. „Eine ist nicht ausgebaut und unbewohnbar. Ich hatte schon einen Architekten beauftragt, doch nach dem Börsencrash 2008 fehlte mir das Geld“, erklärt der 73-Jährige. „Die andere habe ich vermietet. Doch die Frau werde ich da nicht rausekeln. Ich gebe den schwarzen Peter nicht einfach weiter.“ An der Kohlenstraße wolle er weiter wohnen bleiben, „weil hier meine Wurzeln sind“.

Zwischenzeitlich habe er mal geplant gehabt, auf dem Bauernhof im Westerwald zu leben. „Ich wollte den damals für mich ausbauen.“ Aber dann seien seine Eltern dort hingezogen. „Wegen der besseren Luft, mein Vater litt hier im Ruhrgebiet unter Atemnot.“ Seinen Lebensabend möchte Schmitt dort nicht verbringen. Das ist ihm gerade im hohen Alter zu riskant. „Mein Vater ist nach einem Schlaganfall gestorben, weil Hilfe erst nach einer halben Stunde kam, so abgelegen ist das da. Nicht zu vergleichen mit Bochum.“

Inzwischen verkomme das Gehöft auch zusehends. „Ich bin zu alt, mich zu kümmern“, sagt Klaus Schmitt. „Ich habe den Schwung verloren.“ Nicht allerdings, wenn es um seine Wohnung an der Kohlenstraße geht.

Letzter Bewohner des Heusnerviertels

Klaus Schmitt ist der einzige verbliebene Bewohner des Häuserkomplexes Kohlenstraße 135 bis 141. Die vier Häuser sind die letzten Gebäude des früheren Heusnerviertels. Die Stadt will sie allesamt abreißen lassen. Neuer Wohnraum soll hier wegen der unmittelbaren Nähe zur A448 nicht entstehen. Geplant ist Gewerbe.

2019 erhielt Klaus Schmitt die Kündigung. 2021 folgte die Räumungsklage. Schmitt wehrte sich – und scheiterte. Im September wies das Landgericht seine Berufung zurück. Die Frist zur Räumung der Wohnung lief am 7. Dezember aus. Wie es nun weiter geht, dazu hält sich die Stadt bedeckt. „Wir werden nun weitere Schritte einleiten“, teilt Thomas Sprenger mit. Weiter will sich der Stadtsprecher dazu inhaltlich nicht äußern.