Bochum. Mit 1,76 Milliarden Euro ist Bochum verschuldet. Das kostet jedes Jahr Millionen Zinsen und summiert sich zu einem riesigen Betrag.
Die finanzielle Lage der Städte im Ruhrgebiet ist besser als erwartet. Auch in Bochum. So steht es im aktuellen Finanzbericht des Regionalverbandes Ruhr (RVR). Allerdings: Auch wenn sich die Haushaltslage deutlich erholt hat, seit 2018 schreibt Bochum schwarze Zahlen. Der im Laufe vieler Jahre angehäufte Schuldenberg hat mit etwa 1,7 Milliarden Euro gigantische Ausmaße angenommen – und sinkt nicht. Das kommt die Stadt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner teuer zu stehen.
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Insgesamt 543,6 Millionen Euro hat Bochum seit 2007 für seine Kredite allein an Zinsen bezahlt (Grafik); durchschnittlich knapp 32 Millionen Euro jedes Jahr. Dabei hat es noch von der über viele Jahre günstigen Zinsentwicklung profitiert. Seit 2007 ist der Zinssatz von 4,8 Prozent für Investitionskredite bzw. 3,8 Prozent für Kassenkredite – die Überziehungskredite für Kommunen – gesunken: bis auf 1,0 Prozent (2022; Investitionskredite) bzw. 0,6 Prozent (2016, Kassenkredite).
Damit ist auch die jährliche Zinsbelastung deutlich zurückgegangen: von 58,7 Millionen Euro allein im Jahr 2007 auf 15,9 Millionen Euro (2021). Allerdings: Nun steigen die Zinsen und die jährlichen Zinslasten wieder. Allein 2023 musste Bochum 25,8 Millionen Euro dafür verwenden, um die Kosten für die Kreditaufnahme zu begleichen. Damit ist aber noch kein einziger Euro der Kredite selbst zurückgezahlt.
Bochum hat keine Schulden abgebaut, stattdessen Werte geschaffen
Tatsächlich hat sich der Schuldenstand in den vergangenen Jahren kaum verändert. Zwar ist es gelungen, die Kassenkredite deutlich zu reduzieren. Sie lagen 2023 im Durchschnitt bei 565,2 Millionen Euro und damit nach Auskunft der Kämmerei um knapp 220 Millionen Euro niedriger als noch 2020. Gleichzeitig sind aber die Kommunalkredite von Jahr zu Jahr gestiegen auf knapp 1,16 Millionen Euro. Kritiker werfen der Stadt daher vor, sie habe es trotz der günstigen Zinsentwicklung versäumt, die Schulden abzubauen.
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Dem tritt die Finanzverwaltung entgegen: Die Stadt habe in den letzten Jahren die Kassenkredite schrittweise zurückgeführt und zugleich in den Erhalt der Infrastruktur und die Zukunft investiert. Die Rede ist von „guten“ Schulden; solche, mit denen Werte geschaffen werden. Profitiert hat Bochum darüber hinaus von diversen Finanzpaketen. Seit dem Jahr 2015 wurden 127 Millionen Euro von Bund und Land dafür verwendet, um in mehr als 100 Projekten Schulen, Straßen, Kitas und andere öffentliche Einrichtungen zu bauen und zu sanieren.
Pro-Kopf-Verschuldung in Bochum von 4864 Euro
Den bislang eingeschlagenen Kurs will die Stadt beibehalten, heißt es im Rathaus. Die Kassenkredite, mit denen lediglich laufende Kosten bezahlt, aber keine Werte geschaffen werden, sollen weiter abgebaut werden. Zugleich sind neue Kredite für Investitionen in Höhe von 326 Millionen Euro geplant.
Damit werden auch die städtischen Schulden pro Kopf weiter steigen. Sie sind in den vergangenen 16 Jahren deutlich gewachsen: von 3072 Euro je Bochumerin und Bochumer (2007) auf mittlerweile 4864 Euro (2023). Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen liegt die Verschuldung je Einwohner bei durchschnittlich 3573 Euro (2022); im Regierungsbezirk Arnsberg, dem Bochum angehört, waren es zum gleichen Zeitpunkt 3395. Damit liegt Bochum deutlich über dem Durchschnitt in der Region.
Es würde 229 Jahre dauern, bis alle Schulden getilgt sind
Was es bedeutet, den Schuldenberg von 1,7 Milliarden Euro abzubauen, sofern keine weiteren Kredite dazu kommen, lässt sich im RVR-Finanzbericht nachlesen, den der Wissenschaftler und Kommunalfinanzexperte Prof. Martin Junkernheinrich erstellt hat. Würde Bochum pro Jahr und Einwohner 75 Euro für Zinsen und Tilgung bezahlen, würde es 229 Jahre dauern, um diesen Berg zu beseitigen.
Zins- und Schuldenmanagement
Seit 2007 betreibt Bochum ein aktives Zins- und Schuldenmangement. Mit der Aufnahme von Krediten und mit Umschuldungen soll der Schuldenstand der Stadt gesteuert und optimiert werden. Drei Mitarbeiter der Kämmerei sind mit dieser Aufgabe befasst.
Die Stadt Bochum nimmt nicht nur Kredite auf dem Finanzmarkt auf. Sie hat auch alleine oder zusammen mit anderen Städten Anleihen platziert. 2020 hat sie die bis dato größte Anleihe einer einzigen Kommune auf den Kapitalmarkt gebracht und dabei 250 Millionen Euro eingesammelt. Die Konditionen: 0,05 Prozent Zinsen für zehn Jahre, das sind jährlich 125.000 Euro.