Bochum. Die Feuerwehr Bochum hat täglich bis zu acht Einsätze wegen „hilfloser Person hinter verschlossener Wohnungstür“. Warum die Zahlen so hoch sind.

Die Bochumer Feuerwehr rückt zunehmend zu Einsätzen aus, die intern den Titel „hilflose Person hinter verschlossener Wohnungstür“ tragen. Wie Feuerwehrchef Simon Heußen in einem WAZ-Gespräch sagte, sei dies im vergangenen Jahr mehr als 800 Mal der Fall gewesen. „Das wird immer mehr.“

Unter allen „technischen Hilfeleistungen“, die die Feuerwehr erbringe (rund 2500 pro Jahr), sei das Öffnen von Wohnungstüren oder Fenstern wegen Notlagen der Bewohnerinnen und Bewohnern „der häufigste Fall“. „Es gibt Tage, an denen wir acht oder neun solche Einsätze haben.“

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Feuerwehr Bochum rückt mit Drehleiter an

Überquellende Briefkästen, Stürze in der eigenen Wohnung, Sorgen von Nachbarn, weil Hochbetagte in der Wohnung nebenan seit längerem vermisst werden: Das sind häufige Gründe, warum regelmäßig der Rettungsdienst der Feuerwehr alarmiert wird. Die Einsatzkräfte versuchen, die Tür möglichst ohne größere Schäden zu öffnen oder rücken mit einer Drehleiter an, um in Obergeschossen durchs Fenster in die Wohnung zu gelangen.

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Heußen erklärt die Zunahme dieser Fälle auch mit einer wachsenden Vereinsamung der Betroffenen. „Das soziale Netz fehlt.“ Immer wieder treffen die Rettungskräfte in den geöffneten Wohnungen auch auf verstorbene Menschen.

Patricia Walczak, die für die Caritas die ambulante Pflege in der ganzen Bochumer Osthälfte leitet, kann die Schilderungen der Feuerwehr gut nachvollziehen. „Immer mehr leben heute allein“, sagt sie. Kinder seien oft nicht mehr in der Nähe und würden deshalb gar nicht merken, ob Vater oder Mutter noch gut zurechtkämen. „Die soziale Struktur hat sich verändert.“

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Immer häufiger würden heute auch Menschen im Alter von mehr als 90 Jahren weiter allein zu Hause leben, sagt die Pflegedienstleiterin. Zudem herrsche bei einigen heute auch noch die falsche Vorstellung, dass man als Bewohner eines Pflegeheims nicht mehr so einfach rein- und rausgehen könne oder dass es dort Sechs-Bett-Zimmer gebe. In Wirklichkeit seien die Zustände dort aber viel besser.

Hemmschwelle zum Wählen des Notrufs „sehr gering“

Die wachsende Lebenserwartung der Menschen trägt auch dazu bei, dass die Anzahl der Rettungsdienstfahren im vergangenen Jahr gegenüber 2022 weiter angestiegen ist - auf mehr als 43.000. Diese hohe Fallzahl sei aber eigentlich gar nicht erforderlich, sagt Feuerwehrchef Heußen, weil mangels Lebensgefahr häufig der Hausarzt oder der ärztliche Bereitschaftsdienst 116 117 der richtige Ansprechpartner sei. Die Hemmschwelle, auch bei kleineren gesundheitlichen Problemen den Notruf 112 zu wählen, sei „sehr gering“.