Bochum. Im Prozess um die tödliche Gasexplosion in Bochum ist der Hauptangeklagte (51) zu Haft verurteilt worden. Sein Kollege (30) wurde freigesprochen.
Zehn Monate nach der Gasexplosion in einem Wohnhaus in Bochum, bei der eine Frau starb, ist das Urteil gegen zwei Bauarbeiter gefallen: Der Hauptangeklagte, ein 51 Jahre alter Vorarbeiter, wurde zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässigen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Sein Kollege (30) wurde freigesprochen.
Seit dem 10. September standen die beiden Arbeiter einer Tiefbaufirma vor der 7. Strafkammer des Bochumer Landgerichts. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Hauptangeklagten in ihrem Plädoyer am Mittwoch zwei Jahre und acht Monate Haft beantragt. Für den Mitangeklagten hatte Staatsanwältin Jasmin Cramer Freispruch beantragt. Er habe keine herausragende Stellung auf der Baustelle gehabt und keine Sorgfaltspflicht verletzt.
Prozess um Hausexplosion: Verteidiger forderten Freispruch
Verteidiger Roman von Alvensleben hatte indes auch für seinen 51-Jährigen Mandanten auf Freispruch plädiert. Seine Argumentation: Die enormen Folgen des Unglücks seien wegen einer unglücklichen Verkettung der Umstände nicht dem Angeklagten zuzurechnen: „Da hat sich etwas verselbstständigt, das weder vorhersehbar noch erkennbar war.“
Das Gericht blieb mit seinem Urteil gegen den Hauptangeklagten zwar etwas unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, allerdings auch deutlich über einem bewährungsfähigen Bereich, der bei zwei Jahren endet. Das Gericht sah „erhebliche Regelverstöße“ und „grobe Fahrlässigkeit“ beim Hauptangeklagten.
Hausexplosion: Strafe im offenen Vollzug möglich
Der nicht vorbestrafte 51-Jährige sei „geeignet für den offenen Strafvollzug“, befand das Gericht. Das würde bedeuten, dass er nur nachts ins Gefängnis muss und tagsüber arbeiten kann. Der Vorarbeiter hatte im Prozess Reue und Mitleid gezeigt; beides nahm ihm das Gericht auch ab. Vor dem Prozess saß er bereits dreieinhalb Monate in U-Haft, war von Ende Juni bis zur Hauptverhandlung wieder frei.
Richter Josef Große Feldhaus sagte am Freitagvormittag: „Das ganze Haus brach in sich zusammen, es war vollständig zerstört.“ Vorher sei das Haus durch die Explosion einen halben Meter angehoben worden. Das Einfamilienhaus von etwa 1900 war rund 200.000 Euro wert, den Grundstückswert nicht mit eingerechnet.
Tödliche Gasexplosion in Bochum: So haben wir über den Prozess berichtet:
- Plädoyers gehalten: Was fordert die Staatsanwaltschaft, was die Verteidigung?
- Sohn der Verstorbenen als Zeuge vor Gericht: „Das Licht ging aus und ich bin gefallen“
- Dritter Verhandlungstag: Sachverständiger belastet die Angeklagten
- Zweiter Verhandlungstag: Weitere Gebäude waren stark gefährdet
- Prozessauftakt: Das sagten die Angeklagten am ersten Verhandlungstag
Am 10. Januar hatten die Angeklagten, Mitarbeiter einer Essener Tiefbaufirma, im Auftrag von Vodafone im Bochumer Südwesten Kabelschächte für Glasfaserleitungen verlegt. Der Bohrer wühlte sich unterirdisch im „horizontalen Spülbohrverfahren“ durch die steinige Erde. Als etwa 130 bis 140 Meter geschafft waren, fraß sich der Bohrkopf in etwa 1,20 Meter Tiefe durch eine Gasleitung, bohrte zwei je 15 Zentimeter große Löcher in die Wände des Rohres.
Gasexplosion in Bochum: 61-Jährige starb in den Trümmern
Über Stunden strömte daraufhin Gas im Untergrund aus und sättigte das Erdreich. Durch Klüfte und Spalten drang es in den nicht wasser- und luftdichten Keller des 1900 gebauten Hauses an der Keilstraße 60 ein. Dort stand eine Ölheizung, um die herum sich eine zündfähiges Gas-Luft-Gemisch bildete. Eine elektrische Zündung, vielleicht die Zündung des Brenners, reichte aus, das ganze Haus einstürzen zu lassen. Es war 21.45 Uhr. Die Wucht der Explosion war so stark, dass das Gebäude vorher ein halben Meter angehoben wurde, wie es hieß.
Die Eigentümerin (61) hatte in den Trümmern keine Überlebenschance. Ihr Sohn (36) im Obergeschoss wurde wie durch ein Wunder äußerlich nur leicht verletzt.
Dass der Bohrkopf auf einen Widerstand getroffen sein könnte, wusste der Bohrführer. Denn nach dem Ausruf eines Bauarbeiter „Gas! Gas! Gas!“ hatte er die Maschine gestoppt und den Bohrkopf etwas zurückgezogen. Alle weiteren Anwesenden, auch die Angeklagten, rochen aber nach eigener Bekundung nichts. Auch weitere kleinere Prüfungen ergaben nichts. Alle gingen in den Feierabend, ohne zuvor eine Grube auszuheben, um den Gas-Verdacht sicher abzuklären. Das aber wäre ihre Pflicht gewesen.
Außerdem hätte der Vorarbeiter schon vor dem Unglück eine Grube öffnen müssen, denn eine „blinde Unterquerung“, wie die Staatsanwältin sagte, war verboten.
„Er hat darauf vertraut, es wird schon nichts passieren“
Auch Richter Josef Große Feldhaus betonte nach dem Schuldspruch: „Die Bohrung hätte ohne Freilegung der Gasleitung nicht durchgeführt werden dürfen. Die Vorschriften waren ihm bekannt, er missachtete sie trotzdem.“ Und er habe es unterlassen, sofort die Stadtwerke zu informieren. Die hätten sicher sofort eine hohe Gaskonzentration gemessen. Große Feldhaus: „Er hat darauf vertraut, es wird schon nichts passieren.“
Eine „erhebliche Schuld“, so der Richter, treffe auch die Bauleiterin der Tiefbaufirma (die nur eine Ausbildung als Gymnastiklehrerin hat) sowie den Chef der Firma. Sie hätten die Baustelle nur unzureichend organisiert. Ob auch sie Konsequenzen tragen müssen, ist noch unklar.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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