Bochum. Eine saftige Steuernachzahlung reißt ein riesiges Loch in die Kasse des Rottstr.5-Theaters Bochum. Das Aus stand kurz bevor, doch Hilfe naht.
Aufmerksame Theatergänger fragen sich schon länger: Was ist eigentlich an der Rottstraße 5 los? Die freie Bühne hat im auslaufenden Jahr 2023 noch keine einzige Premiere herausgebracht. Die letzte hieß „Cabaret“ und lief im vergangenen Dezember, seitdem gab es fast ausschließlich Repertoirevorstellungen. Ein Gespräch mit den beiden Theaterleitern Oliver Paolo Thomas und Alexander Ritter bringt Klarheit: „Wir hatten in den letzten Monaten mit massiven Problemen zu kämpfen“, erzählt Thomas. „Unser Theater stand kurz vor dem Aus.“
Theater Rottstraße 5 in Bochum stand kurz vor dem Aus
Als Grund nennt er eine Umsatzsteuerprüfung, die das Finanzamt rückwirkend für die Jahre 2021 und 2022 angesetzt habe. Danach sei dem Theater ein Nachzahlungsbescheid in Höhe von 35.000 Euro ins Haus geflattert. „Das wurde vom Finanzamt ganz offensichtlich falsch berechnet, die Höhe war völlig absurd“, erklärt Thomas. „Auch unser Steuerberater sah das so.“
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Dann sei der entscheidende Fehler passiert: „Unser Steuerberater hat es versäumt, gegen den Bescheid rechtzeitig Widerspruch einzulegen. Als die Frist verstrichen war, wurde der Bescheid automatisch rechtskräftig, und das ganze Geld wurde von unserem Konto eingezogen.“ Ein nachträgliches Intervenieren habe wenig geholfen: „Jeder, der sich damit etwas auskennt, hat gesehen, dass wir als freies Theater weitgehend von der Umsatzsteuer befreit sind“, meint Thomas. „Doch wenn der Widerspruch ausbleibt, wird die komplette Summe fällig.“
Spielbetrieb weitgehend lahmgelegt
So habe ein riesiges Loch in der Theaterkasse den Spielbetrieb weitgehend lahmgelegt. „Seit Ende 2022 schieben wir diese Lücke vor uns her“, sagt Thomas. Der Betriebskostenzuschuss der Stadt, der quartalsweise ausgezahlt wird, habe immer mal wieder zu etwas Entlastung geführt: „Dann hat man wieder etwas Geld, um die Schauspieler zu bezahlen. Wer es irgendwie einrichten konnte, hat auf seine Gage vorerst verzichtet und uns damit etwas Zeit geschenkt, wofür wir den Kollegen unendlich dankbar sind.“ Sonst habe die Bühne fast ausschließlich von den Einnahmen an der Abendkasse gelebt.
Trotzdem hätten sich in den letzten Monaten „ein Meer aus Mahnschreiben“ angehäuft, wie Oliver Paolo Thomas es nennt. „Die kamen unter anderem von der GEMA, es wurden immer mehr.“ Dabei habe sich das Theater immer an einen Grundsatz gehalten: „Bei uns gilt: ‚Mensch vor Konzern‘. Wir nehmen lieber noch einen Extra-Mahnbrief in Kauf, statt einen freien Schauspieler, der seine Gage dringend braucht, hängenzulassen.“
All dies sei nicht ohne Folgen: „Wir haben versucht, den Steuerberater haftbar zu machen“, so Thomas. „Leider stellt sich die Versicherung quer, was uns zu dem Schritt veranlasst hat, formell auf Schadenersatz zu klagen.“ Daneben stehe das Theater in gutem Austausch mit dem Kulturbüro der Stadt und dem Kulturdezernenten Dietmar Dieckmann (SPD): „Wir haben ihn direkt eingeweiht und ihm gesagt, dass hier echte Probleme auf uns zukommen.“
Kulturausschuss genehmigt zinsloses Darlehen
In der vergangenen Sitzung des Ausschusses für Kultur und Tourismus fiel der einstimmige Beschluss, dem Theater schnell und unbürokratisch unter die Arme zu greifen. Eine „einmalige Sonderzahlung“ in Höhe von 20.000 Euro wird dem Theater als zinsloses Darlehen gewährt: „Ohne diese Überbrückungshilfe würde das Theater tatsächlich unverschuldet vor dem Aus stehen und wir eines der profiliertesten freien Theater in NRW verlieren“, sagt Dieckmann. „Ich bin sehr froh, dass wir schnell helfen konnten.“ Das Geld habe aus Restmitteln im Etat des Kulturbüros zur Verfügung gestellt werden können.
Rottstraße 5 zeigt „Außer Atem“
Als erste und letzte Premiere in diesem Jahr zeigt das Rottstr.5-Theater eine Bühnenadaption von „Außer Atem“ in der Regie von Theaterleiter Alexander Ritter. Bekannt wurde der Stoff als zeitlos cooler Filmklassiker mit Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg.
In die Rolle des Gangsterpärchens schlüpfen Henry Morales und Lise Wolle, die viele Jahre am Theater Oberhausen zu sehen war. Die Premiere war ausverkauft. Wieder am 12. Januar und 10. Februar. Karten: 0163 761 50 71
Das Darlehen muss natürlich zurückgezahlt werden, dennoch: Den beiden Theaterleitern steht die Erleichterung ins Gesicht geschrieben: „Ohne diese Hilfe hätten wir Anfang nächsten Jahres wohl schließen müssen“, sagt Ritter. „Jetzt können wir endlich wieder unseren Job machen.“
Die Oberfinanzdirektion NRW mag sich auf Nachfrage nicht zu dem Vorfall äußern und verweist auf das Steuergeheimnis.