Bochum. In seinem Roman „Am laufenden Band“ erzählt Joseph Ponthus vom Leben am Fließband. Jetzt kommt die bedrückende Geschichte in die Kammerspiele.
Bei dem Titel „Am laufenden Band“ denken die Älteren an eine bunte Unterhaltungsshow mit Rudi Carrell aus den 70er Jahren. Weit weniger heitere Töne werden bei der gleichnamigen Premiere am Freitag, 24. März, um 19.30 Uhr in den Kammerspielen in Bochum angeschlagen: Hier rattert das laufende Fließband unerbittlich in einem Schlachthof.
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Premiere in Bochum führt ans Fließband
Die Aufführung basiert auf dem Roman des französischen Schriftstellers Joseph Ponthus, der über zweieinhalb Jahre seines kurzen Lebens selbst als Zeitarbeiter in mehreren Fabrikanlagen schuftete, eher er 2021 mit nur 42 Jahren an Krebs starb. Schicht um Schicht arbeitete er nachts zunächst in einer Fischfabrik in der Bretagne und schaufelte sich durch Tonnen gefrorener Garnelen. Später reinigte er die Hallen eines Fleischgroßhandels vom Blut und Fett der geschlachteten Tiere.
Der Roman „Am laufenden Band“ erschien 2019 und sorgte für großes Aufsehen. Auch den Regisseur Tom Schneider hat die Lektüre mächtig beeindruckt: „Zum ersten Mal gelesen habe ich das Buch tatsächlich in der Bretagne, wo Ponthus gearbeitet hat“, erzählt er. „Das war schon ein merkwürdiges Gefühl.“ Geschrieben hat der Autor seinen Text in lyrischer Form ohne Punkt und Komma: Es ist ein Manifest, Gedicht und Aufschrei zugleich.
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Kein investigativer Reporter wie Günther Wallraff
Interessant ist vor allem, aus welcher Motivation heraus Ponthus in diesen Fabriken anheuerte: „Er wollte dort nicht als investigativer Reporter im Stil von Günther Wallraff die heutige Arbeitswelt aufrollen. Es ging ihm schlicht ums Geldverdienen“, erzählt Schneider. Sogar eine gewisse Romantik leuchte in Ponthus‘ Schilderungen immer wieder durch: „Was er da nächtelang tat, musste er sich schönreden. Auch zu seinen Kollegen baute er eine gewisse Kollegialität auf, um die Schufterei überhaupt irgendwie aushalten zu können.“
Dabei habe der Autor aber stets eine „privilegierte Distanz“ auf seinen Job bewahrt: „Manchmal verklärt, aber immer solidarisch blickte er auf einen Ort, der die Menschen kompromisslos verschleißt.“
Auf der Bühne wird viel gearbeitet
Als deutsche Erstaufführung kommt „Am laufenden Band“ jetzt in die Kammerspiele. Das vierköpfige Ensemble bestehend aus Dominik Dos-Reis, Michael Lippold, Karin Moog und Daniel Nerlich teilt sich die Rolle des Erzählers. Und: „Auf der Bühne wird viel gearbeitet, die Anstrengungen sieht man den Schauspielern auch an.“
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Allerdings wird kein Schlachthof mit riesigen Schweinehälften auf der Bühne zu sehen sein, der Raum bleibt eher abstrakt: „Ein Theater ist in gewisser Weise ja auch eine Fabrik mit lauter Bühnenmaschinen“, sagt der Dramaturg Marvin L. T. Müller. Mit ganzer Kraft werden etwa Instrumente bearbeitet, das Timing ist exakt einstudiert und wird den Schauspielern über kleine Stöpsel in den Ohren vorgegeben. „Das ist alles auch ein bisschen choreographisch.“
Beeindruckende Aufführungen mit Sandra Hüller
Regisseur Tom Schneider brachte in Bochum zuletzt „Die Hydra“ und „Bilder deiner großen Liebe“ auf die Bühne. Beides waren Arbeiten mit Sandra Hüller, deren gemeinsames Kollektiv „Farn“ seit 2016 besteht. Die Inszenierungen bestachen durch visuell reizvolle Bühnenbilder. So versank bei „Die Hydra“ am Ende die komplette Szenerie in einem famosen Rausch aus Licht, Nebel und Chaos. Auch „Am laufenden Band“ soll optisch ähnlich eindrucksvoll werden, verspricht Schneider: „Es gibt schon starke Bilder.“
Dauer: ca. 90 Minuten ohne Pause. Termine: 24. und 29. März, 16. April, 3., 6. und 20. Mai. Karten: 0234 3333 5555