Wattenscheid. Das Bochumer Schauspielhaus inszeniert das Fußball-Drama „Nicht wie ihr“ für Clubheime – Premiere in Wattenscheid.
„Der Fußball ist das Theater des kleinen Mannes“, soll der große Philosoph Sepp Herberger einmal gesagt haben – und darin steckt eine Menge Weitsicht. Denn beide Spielarten eint eine Menge: Große Dramen und herrliche Komödien finden sich auf dem Rasen wie auf der Bühne, und eine formvollendete Darbietung des „Eingebildeten Kranken“ begegnet einem bei jedem zweiten Bundesligaspiel.
So gesehen liegt das Bochumer Schauspielhaus nicht falsch, wenn es auf der Suche nach neuen Publikumsschichten auf ungewöhnliche Gastspielreise geht. Das Stück „Nicht wie ihr“ nach dem Roman von Tonio Schachinger bringen sie direkt in die Vereinsheime Bochumer Fußballclubs.
„Nicht wie ihr“ bei der SG Wattenscheid 09 vor alten Fotos aus guten Zeiten
Zur Premiere ist das Clubhaus der SG Wattenscheid 09 seit Wochen ausverkauft, das gab es im pandemiegebeutelten Theater schon lange nicht mehr. Das urige „Wohnzimmer“, wie es der Verein nennt, punktet mit rustikalem Ruhrpott-Charme. Schon etwas vergilbt sind die Schwarz-Weiß-Bilder an den Wänden, die von den ewigen Triumphen zeugen, als Klaus Steilmann „seine“ SG 09 1990 in die 1. Bundesliga führte.
Doch so herzlich die Begrüßung auch ist: Die Gäste aus dem Kulturtempel merken schnell, dass ihnen die Aufmerksamkeit des 70-köpfigen Publikums an diesem Abend nicht allein gehört. Denn nebenan auf dem Kunstrasen findet zeitgleich eine Partie statt, deren Dramatik dem Theatergeschehen weit überlegen sein könnte. Bei einem Sieg über den VfB Waltrop wären die Wattenscheider B-Junioren ganz dicht dran am Aufstieg in die Westfalenliga. Da gilt: Daumen drücken!
„Nicht wie ihr“ bei der SG Wattenscheid 09 mit viel Tempo und Spielwitz
Während die kräftigen jungen Spieler dem Ball nachjagen, wird im Vereinsheim die schillernde Geschichte des fiktiven Spielers Ivo Trifunovic erzählt, die Hauptfigur aus Schachingers Roman „Nicht wie ihr“, der nicht selten an die Erfolge von Nick Hornby erinnert. Mit 16 Jahren ging Ivo zu Real Madrid, heute spielt er beim FC Everton für 100.000 Pfund Wochenlohn und ist trotzdem maßlos unzufrieden. „Wer keinen Bugatti hat, kann sich gar nicht vorstellen, wie angenehm Ivo gerade sitzt“, so der schöne erste Satz. Solche Autos fahren auch in Wattenscheid nur die wenigsten, und trotzdem lässt man sich gern davontragen in die absurde Welt dieses neureichen Schnösels aus dem Profisport.
Regisseur Malte Jelden, selbst glühender Fußballfan, bricht den Roman klug auf den Kern herunter: Die Sorgen des Fußballmillionärs werden geschickt verknüpft mit einer schicksalhaften Begegnung. Ivo trifft seine Jugendliebe Mirna wieder, die Affäre mit ihr macht ihn zu einem ganz anderen Menschen. Mit einer Menge Tempo und Spielwitz, aber auch mit Sinn für die etwas stilleren Momente erzählen Konstantin Bühler, Karin Moog und Anne Rietmeijer die Geschichte stilecht im Fußballdress und in wild verteilten Rollen; Rietmeijer veredelt die Halbzeitpause in den 70 Spielminuten zudem mit einer wunderbaren Musikeinlage.
Am Ende gibt es starken Beifall fürs Ensemble – und erste neugierige Blicke gehen hinüber auf den Platz. Mit 1:0 siegen die Wattenscheider über ihre Rivalen! Noch ein Punkt in drei Spielen, und der Aufstieg ist perfekt.
Wieder am 13. Mai im Deutschen Fußballmuseum Dortmund. Karten: Tel. 0231 / 22 22 1954. Die übrigen Vorstellungen sind ausverkauft.