Bochum. Die Premiere von „Herbert“ im Schauspielhaus Bochum ist abgesagt. Liegt es nur an Corona? Oder steckt ein Krach mit Regisseur Fritsch dahinter?
Legendäre Herbie-Hits wie „Männer“, „Alkohol“ und „Bochum“ auf der großen Bühne? Darauf müssen die Bochumer Theatergänger vorerst verzichten. Die mehrfach verschobene Aufführung von „Herbert“ mit den Songs von Herbert Grönemeyer im Schauspielhaus Bochum ist abgesagt, die Premiere endgültig geplatzt. „Pandemiebedingt wird die Inszenierung nicht mehr zustande kommen“, teilt Sprecher Alexander Kruse auf Nachfrage mit. „Ein Ersatztermin konnte für die Dauer der Intendanz von Johan Simons nicht gefunden werden.“
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Theaterabend mit Liedern von Herbert Grönemeyer in Bochum ist geplatzt
Auf „Herbert“ in der Regie von Herbert Fritsch warten die Bochumer seit Jahren. Die Produktion gilt als eines der prominentesten Corona-Opfer: Geplant war die Premiere für den 21. März 2020, wenige Tage zuvor musste das Schauspielhaus wegen des ersten Lockdowns schließen. „Der letzte Probentag war am 14. März, die Arbeiten waren daher noch längst nicht abgeschlossen“, so Kruse.
Die geplante Pressekonferenz (das Medieninteresse war enorm) wurde wegen Corona abgesagt, Szenenfotos aus der Aufführung gab es nicht. Tatsächlich wurde bis heute nur ein einziges Bild aus den Proben öffentlich: Es zeigt den Schauspieler Dominik Dos-Reis in einer Art Schutzanzug und wurde für das Programmheft aufgenommen.
Worum es in „Herbert“ eigentlich gehen sollte, war ebenfalls streng geheim. Fest stand nur, dass sich Herbert Fritsch dem Herbie-Mythos überaus frei und ungezwungen nähern wollte. Die Inszenierung hätte weder ein Musical noch ein Liederabend werden sollen, vielmehr sollten Versatzstücke aus Grönemeyers künstlerischem Schaffen abstrakt-verspielt und stark verfremdet auf die Bühne kommen. Gesungen werden sollte ausschließlich a cappella. Auch eine Geschichte oder Handlung gab es nicht, es gab auch keinen Text außer den Songtexten von Grönemeyer.
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Fritsch sorgte für größten Aufreger in der jüngeren Theatergeschichte
Herbert Fritsch, der zu den bekanntesten und wagemutigsten Theaterregisseuren im deutschsprachigen Raum zählt, hatte am Schauspielhaus zuvor bereits für einige Furore gesorgt – positiv wie negativ. Sein famoses Slapstick-Stück „Murmel Murmel“ war als Übernahme von der Berliner Volksbühne Ende 2018 ein riesiger Hit. Nur wenige Wochen später legte er mit „Die Philosophie im Boudoir“ seine erste Bochumer Regiearbeit vor – und sorgte mit dem versauten Marquis-de-Sade-Abend für einen der größten Aufreger in der jüngeren Geschichte des Schauspielhauses. Nicht wenige Zuschauer „flüchteten“ förmlich aus der Premiere, der Flop war perfekt.
Danach wollte sich Herbert Fritsch die Songs seines Namensvetters vorknöpfen – und bekam dafür Rückendeckung von allerhöchster Stelle: „Fritsch darf alles. Er darf mich zerlegen, zerfleddern, ohne Ehrfurcht, mit Witz“, so wurde Grönemeyer zum Probenstart zitiert. „Wenn er mich dabei braucht, bin ich zur Stelle. Wenn nicht, bin ich einfach nur neugierig. Es lebe das Chaos, der Fritsch’sche Wahnsinn!“
„Herbert“ sollte bereits mehrfach nachgeholt werden
Mit 15 Darstellern begannen die Proben. Umso größer war die Enttäuschung, als die Premiere kurz vor knapp abgesetzt wurde: „Die Vorstellung fiel aus wegen Corona. Die Karte war nur ein Stück Papier“, erinnert sich WAZ-Leser Dirk John, der sein Ticket bis heute aufbewahrt hat. Die Eintrittspreise wurden zwar erstattet, geblieben sei die freudige Erwartung „auf einen illustren Theaterabend.“
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Dieser sollte, so versprach es das Schauspielhaus mehrfach, unbedingt nachgeholt werden: spätestens nach Ende der Corona-Krise. Auf einer Webseite, die erst am Mittwoch offline genommen wurde, machte das Schauspielhaus weiter mächtig Lust auf den „Herbert“-Abend: „Noch halten wir die Pausen-Taste gedrückt, doch es kommt der Tag, an dem wir wieder auf Play schalten“, hieß es dort. „Und dann heißt es: Kopf hoch, tanzen!“
Gerüchte über Differenzen zwischen Regisseur und Intendant
Dieser Tag wird nicht mehr kommen, über die Hintergründe darf nun trefflich spekuliert werden. Ob Corona tatsächlich der einzige Grund für die Absage ist, könnte man zumindest als zweifelhaft bezeichnen. Immer wieder machten in den letzten Monaten Gerüchte die Runde, nach denen es während der Proben zu Differenzen zwischen Fritsch und Intendant Johan Simons gekommen sein soll.
Ob Fritsch womöglich allzu freigeistig mit den Songs von Bochums berühmtestem Sohn umgegangen sein könnte und man nach „Die Philosophie im Boudoir“ direkt den zweiten, diesmal weitaus schlimmeren Flop befürchtete, wäre vorstellbar. Offiziell bestätigt wird das natürlich nicht: „Gerüchte kommentieren wir grundsätzlich nicht“, sagt Sprecher Alexander Kruse.
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Fritsch soll nicht mehr am Schauspielhaus inszenieren
Interessant ist aber ein weiteres Detail: Herbert Fritsch, so bestätigt es das Theater, wird während der Simons-Intendanz nicht mehr am Schauspielhaus arbeiten. Ursprünglich wurde er als Hausregisseur mit einer Produktion pro Jahr angekündigt. Die Kosten, die die „Herbert“-Absage verursacht, mag das Theater nicht näher beziffern: „Zu den Produktionskosten, die ja maßgeblich durch die Gagen bestimmt werden, können wir leider keine Auskunft geben. Da geht es um Vertragsinterna“, so Kruse.
Was Herbert Fritsch über all das denkt, ist nicht bekannt. Eine Nachfrage unserer Redaktion ließ seine Agentur unbeantwortet.