Köln. . Steffen Baumgart empfängt heute mit dem 1. FC Köln den VfL Bochum. Der Trainer über Abstiegskampf, Kult-Image, Schalke und Grönemeyer.
Nachdem seine Profis auf dem Trainingsplatz am Geißbockheim geschwitzt hatten, stand für Steffen Baumgart (51) am Mittag ein weiterer Termin im Kalender. Im Interview sprach der Bundesliga-Coach des 1. FC Köln über sein Image und das richtungsweisende Duell mit dem VfL Bochum heute Abend (20.30 Uhr/DAZN).
Herr Baumgart, heute, wenn der 1. FC Köln den VfL Bochum empfängt, werden elf Grad Celsius erwartet – T-Shirt-Temperaturen also?
Steffen Baumgart: Dass ich im T-Shirt an der Seitenlinie stehe, hat ja nichts mit dem Wetter zu tun. Sondern damit, dass ich die Bewegungsfreiheit brauche. Auch ich friere, nur nicht in diesen 90 Minuten. Nach Abpfiff ziehe ich mir schnell eine Jacke an.
Stört es Sie, wenn Sie auf solche Dinge angesprochen werden?
Baumgart: Das sind ja Dinge, die von außen entstehen. Die Frage ist, was ich an mich heranlasse. Wenn sich die Leute gerne damit beschäftigen, dass der Trainer emotional und laut ist, schreit, eine Schiebermütze trägt und im T-Shirt dort steht, egal ob kalt oder warm, sollen sie das tun. Darüber definiere ich mich aber nicht. Sondern über den Fußball. Da weiß ich, was ich kann. Andererseits weiß ich auch, dass es ganz, ganz viele gibt, die das besser können als ich.
Die Schiebermütze ist zu Ihrem Markenzeichen geworden.
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Baumgart: Als Spieler war es der hochgeklappte Kragen des Trikots, jetzt ist es eben die Mütze. Wobei Sie auch von mir kein Bild aus den vergangenen fünf, sechs Jahren finden würden, auf dem ich privat keine Schiebermütze trage. Ich bin mir schon im Klaren darüber, dass sie so schnell zum Objekt wurde, dass sie Fans gefällt, weil der Erfolg da ist.
Oft wird der Begriff Kult-Trainer verwendet, wenn über Sie gesprochen wird. Können Sie damit etwas anfangen?
Baumgart: Was der Begriff bedeuten soll, kann ich mir schon vorstellen. Aber ich finde ihn schwierig, da ich noch als Trainer tätig bin. Meistens ist irgendwas aus der Vergangenheit Kult. Für mich sind diese Begrifflichkeiten ohnehin nicht ausschlaggebend oder wichtig. Das sollen andere bewerten. Ich werde meine Art behalten, beziehungsweise hoffe ich, dass ich sie behalten werde. Mal kommt sie gut an, mal weniger gut – und auch das hat damit zu tun, wie es gerade sportlich läuft. Ich bin schon lange im Geschäft und weiß, dass Trainer in der Öffentlichkeit heute noch als gut und morgen dann schon als nicht mehr gut bewertet werden – obwohl sie ihre Arbeit nicht verändert haben. Fragen Sie mich in zehn Jahren noch mal, ob Kult das richtige Wort für mich ist.
Wird gemacht. Haben Sie einen Karriereplan?
Baumgart: Nein, so etwas funktioniert sowieso nicht. Es gehört sehr viel Glück dazu, in der richtigen Situation am richtigen Ort zu sein. Am Ende wird sich immer irgendwas in irgendeine Richtung bewegen. Aber es gibt keine speziellen Vereine, zu denen ich möchte. Ich bin beim 1. FC Köln sehr glücklich, habe ein sehr gutes Team – das ist das, was zählt.
Ihr Vertrag, der im Sommer 2024 ausläuft, soll verlängert werden.
Baumgart: Das war im letzten Jahr schon so besprochen worden. Wir haben klar gesagt, dass wir von Jahr zu Jahr entscheiden – und wenn alle zufrieden sind, dann verlängern wir. Wird das jedes Jahr so sein? Nein, wird es nicht. Ich glaube, der letzte Trainer, der hier so lange tätig gewesen ist, war Peter Stöger. Es ist schön, wenn man die Möglichkeit hat, länger bei einem Klub zu bleiben.
Warum passt es so gut zwischen Ihnen und dem 1. FC Köln?
Baumgart: Es wird immer gerne von außen reininterpretiert, ob einer passt oder nicht. Das hat wie gesagt auch viel mit Erfolg und Misserfolg zu tun. Was ich Ihnen aber sagen kann, ist, dass ich sehr gerne hier arbeite.
Im Jahr 2021 waren Sie Kandidat für den Job bei Schalke 04. Wie weit waren die Verhandlungen?
Baumgart: Mit Rouven Schröder hatte ich ein gutes Gespräch über gewisse Möglichkeiten. Es war aber relativ schnell klar, dass ich nach Köln gehen werde. Solche Gespräche enden ja nicht gleich in einer Verpflichtung. Ich hatte mich damals mit zwei, drei Klubs unterhalten. Ich halte es auch für normal, sich mit anderen auszutauschen, wenn man fest unter Vertrag steht. Mir wird in solche Sachen immer zu viel reininterpretiert. Grundsätzlich ist es so, dass man in unserem Job mit allem rechnen muss – und man muss selbst für alles bereit sein.
Für beide Klubs, Köln und Bochum, ist das Spiel am Freitag richtungsweisend, weil es in den vergangenen Wochen nicht rund lief. Der VfL hat vier Bundesliga-Partien in Serie verloren und ist auf den letzten Tabellenplatz abgestürzt. Ihre Mannschaft holte erst sechs Punkte in der Rückrunde, acht Zähler Vorsprung sind es auf den Relegationsrang. Was bedeutet diese Konstellation?
Baumgart: Gewinnen wir, ist alles gut. Verlieren wir, wird es auch für uns unangenehm. Es ist ja nicht so, dass wir auf einer rosa Wolke schweben; auch wir kämpfen im Moment um jeden Punkt. Wir haben zwar einen gewissen Vorsprung, aber ich glaube schon, dass sich zwei Mannschaften auf Augenhöhe begegnen werden. Wenn man sich die vergangenen Spiele genau anguckt, stellt man fest: Bei Bochum passen Ergebnis und Leistung nicht zusammen. Trotzdem geht es darum, dass wir gerade auch zu Hause unsere Spiele gewinnen.
Warum rutscht der FC nicht mehr in den Tabellenkeller?
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Baumgart: Wir reden nicht davon, dass wir nicht mehr reinrutschen, sondern darüber, dass wir unsere Punkte holen. Wir wissen schon, dass wir noch einen harten Weg vor uns haben. Wir haben in letzter Zeit nicht so gepunktet, wie wir uns das vorgestellt haben, und sind entsprechend nicht weit weg von unten, konzentrieren uns also voll auf den Abstiegskampf.
Was zeichnet den VfL aus?
Baumgart: Er hat eine Mannschaft, die sehr aggressiv agiert, die sehr gut nach vorne verteidigt und dabei eine sehr gute Struktur hat. Philipp Hofmann ist immer ein Abnehmer für Standards und für Bälle, die nach vorne kommen. Manuel Riemann ist ein Torwart, der in der Lage ist, den Ball sehr genau in den vorderen Bereich zu bringen. Dazu sind sie sehr zweikampfstark und waren aus meiner Sicht auch in jedem Spiel nicht nur konkurrenzfähig, sondern auch in der Lage, positivere Ergebnisse zu erzielen.
Wie haben Sie den Klub in den vergangenen Jahren verfolgt?
Baumgart: Eine richtige Entwicklung begann erst mit Thomas Reis als Trainer. Vorher war man im Niemandsland der Zweiten Liga und hat sich eigentlich damit abgefunden. Durch Reisi haben sie nicht nur an die Bundesliga-Tür geklopft, sondern dann sogar die Klasse gehalten. Auch jetzt haben sie in Thomas Letsch einen Trainer, der eine klare Struktur hat. Bochum hat nicht nur aufgrund der Tradition eine Berechtigung, in der Bundesliga zu spielen, sondern auch aufgrund der Art und Weise, wie sie die Spiele angehen.
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Haben Sie eine besondere Bindung zum Verein?
Baumgart: Dadurch, dass ich öfter gegen sie gespielt habe, gibt es positive wie negative Erlebnisse – aber eine besondere Bindung habe ich nicht. Ich kann nur sagen: Bochums Hymne ist mit die schönste, die du haben kannst. Ich bin von klein auf Herbert-Grönemeyer-Fan. Sie gehört also zum Liedgut, das man dann auswendig kennen sollte.