Bochum. Mit nur zwei Schauspielern gelingt im Theater Rottstraße 5 eine schillernde Hommage an den Broadway-Klassiker. Dafür braucht es keine große Show.

Für spannende Theaterabende nah am Puls der Zeit hat das Theater Rottstraße 5 in Bochum in jüngster Zeit ein erstaunliches Näschen bewiesen. Mit „Wir, Kinder der Sonne“ gelang ein vorzüglicher Kommentar zur Corona-Krise, in „Die fetten Jahre sind vorbei“ wurde die Idee einer scheinbar gerechteren Gesellschaft schwarzhumorig aufs Korn genommen.

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Theater in Bochum zeigt „Cabaret“

Jetzt widmet sich Bochums bedeutende Off-Bühne dem Klassiker „Cabaret“, bekannt geworden als Musical mit Liza Minnelli – und dreht aus der schillernden Vorlage ein ganz eigenes Ding mit nur zwei fabelhaften Schauspielern und einem schwungvoll aufspielenden Musiker.

Die nächsten Vorstellungen an der Rottstraße

Das neue Jahr beginnt im Theater Rottstraße 5 mit einem Konzert: Die Klangkünstler von Interzone Perceptible bringen am Donnerstag, 12. Januar, den Stummfilm „Der Golem“ auf die Bühne. In die „Schöne neue Welt“ nach Aldous Huxley entführt das Theater am Samstag, 14. Januar.

Das Solo „Die Wand“ mit Lea Kallmeier, das zuletzt in einer Tiefgarage in Wattenscheid aufgeführt wurde, ist auf heimischer Bühne wieder am Freitag, 20. Januar, zu sehen. Beginn: jeweils 19.30 Uhr. Info: rottstr5-theater.de

„Willkommen, Bienvenue, Welcome!“ Die Aufführung braucht keine zwei Minuten, da sind die Besucher im ausverkauften Saal schon mittendrin im Berlin der Weimarer Jahre. Eine Flasche Schampus wird geköpft, die perlenden Gläser werden unter den Zuschauern verteilt, schließlich muss das Leben in vollen Zügen genossen werden. Und wenn mal wieder eine S-Bahn über das kleine Theater rattert, hat man wirklich das Gefühl, dass die Rottstraße und der Alexanderplatz keine 500 Kilometer voneinander entfernt sind.

Es ist immer wieder erstaunlich, mit welch wenigen Mitteln in dem kargen Saal Atmosphäre erzeugt wird. Etwas Nebel, etwas schummriges Licht und ein paar mit Wasser gefüllte Luftballons, die von der Decke baumeln, genügen Regisseurin Maria Trautmann, um den Kit Kat Club in der Bochumer Innenstadt lebendig werden zu lassen.

Nostalgische Klänge und harte Disco-Beats

Der Conferencier (gespielt von Linus Scherz) gibt den grell geschminkten Einheizer, als Nachtclubsängerin Sally Bowles räkelt sich Lea Kallmeier im hinteren Teil der Bühne lasziv auf dem Boden. Die nostalgischen Klänge, die der Musiker Benedikt ter Braak seinem Keyboard entlockt, weichen plötzlich harten Disco-Beats, die die Aufführung blitzschnell in unsere Zeit beamt.

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Dabei orientiert sich Trautmanns „Cabaret“ eher an dem Roman „Goodbye to Berlin“ von Christopher Isherwood, bei dem die Regisseurin einzelne Figuren und Motive entleiht. Wer das komplette Musical mitsamt seiner ausufernden Revuenummern sehen will, muss dafür nach Düsseldorf oder Dortmund fahren. Die Stärke der Bochumer Aufführung liegt vielmehr darin, die Geschichte auf ihren Kern zu reduzieren, ohne dafür eine große Showtreppe bauen zu müssen.

Mit nur wenigen Mitteln wird im Theater Rottstraße 5 eine beklemmende Atmosphäre erzeugt. Szene mit Lea Kallmeier und Linus Scherz.
Mit nur wenigen Mitteln wird im Theater Rottstraße 5 eine beklemmende Atmosphäre erzeugt. Szene mit Lea Kallmeier und Linus Scherz. © Jonas Domrath

Mit der düsteren Vorahnung, die alle Figuren auf der Bühne umtreibt, spielt die Inszenierung geschickt: Während im Club noch die letzten fröhlichen Tanznummern zelebriert werden, ziehen draußen immer mehr Braunhemden durch die Straßen. Der drohende Nazi-Aufmarsch wird nur durch ein Tonband eingespielt.

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Großer Jubel für Premiere in Bochum

Ob die unsicheren Zeiten unserer Tage wirklich mit jenen zur Jahreswende 1929/30 vergleichbar sind, da wagt Maria Trautmanns Deutung keinen eindeutigen Kommentar. Aber als Hommage an eine schillernde Ära und als Warnung vor drohenden politischen Umstürzen in diesen denkwürdigen Jahren funktioniert die nur rund eine Stunde kurze Aufführung ausgezeichnet. Zum Höhepunkt schmettert Linus Scherz das Lied „Der morgige Tag ist mein“, das mächtig schaudern lässt. Die braune Gefahr ist hier endgültig in der Mitte der Gesellschaft angekommen: „Oh Vaterland, Vaterland zeig uns den Weg...“ Riesiger Jubel!

Wieder am 13. Januar und 11. Februar. Karten (14, erm. sieben Euro): karten@rottstr5-theater.de