Bochum. Im Frühjahr beenden Carlotta Hein und Linus Scherz ihr Studium in Bochum. Was dann passiert, ist unklar. Corona hat viel durcheinander gebracht.
Dietmar Bär, Peter Lohmeyer , Richy Müller, Uwe Ochsenknecht: Die Liste prominenter Schauspieler, die einst die Bochumer Schauspielschule besuchten, ist lang. Wer es schafft, hier aufgenommen zu werden, dem steht mit etwas Glück der Weg an die großen Theater offen – so zumindest lautet eine alte Regel, an der sich bis heute nichts geändert hat. Zumindest bis Corona kam.
Auch im verflixten Jahr 2020 ist die ehemalige Westfälische Schauspielschule , die der Folkwang-Universität der Künste angegliedert wurde, bestens aufgestellt. Zehn extrem talentierte junge Schauspieler machen hier im kommenden Frühjahr ihren Abschluss und stehen danach gewissermaßen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.
Große Namen besuchten schon die Bochumer Schauspielschule
Doch an welche Bühnen es sie ziehen wird und welche Filmrollen sie ergattern können, ist momentan schwer zu sagen. Denn das Coronavirus sorgt nicht nur für eine neuerliche Schließung sämtlicher Theater , es hemmt auch erheblich den Arbeitsfluss hinter den Kulissen. Viele Häuser müssen sparen, feste Engagements werden kaum noch vergeben. Und die Dramaturgen, die früher für Talentsichtungen wie selbstverständlich kreuz und quer durchs Land gefahren sind, verzichten derzeit auf weite Reise.
Doch was machen die jungen Eleven? Wie können sie sich überhaupt beweisen? „Es ist total schwierig momentan, denn soviel steht auf der Kippe“, sagt Linus Scherz (24), einer der Studierenden des vierten Jahrgangs, die jetzt ihren Abschluss machen. „Die Situation ist eigenartig, denn sie ist neu und wirkt irgendwie lähmend“, meint seine Studienkollegin Carlotta Hein (23). Doch immerhin: „Die Uni kämpft sehr für uns. Das ist schon toll und wirklich beruhigend.“
Beim Absolventen-Vorsprechen geht's oft ums Ganze
Von zentraler Bedeutung im Leben eines jungen Schauspielers ist das sogenannte Absolventen-Vorsprechen. Hier können sie vor ausgewähltem Fachpublikum zeigen, was sie in den letzten Jahren gelernt haben . Großes Glück für die Bochumer Studierenden: Kurz vor Beginn des neuerlichen Lockdowns konnte das Vorsprechen Ende Oktober im Folkwang-Theaterzentrum glatt über die Bühne gehen. So trug Carlotta Hein u.a. die Gräfin Orsina aus Lessings „Emilia Galotti“ vor, Linus Scherz spielte Auszüge aus dem Hamlet. „Das war ungeheuer anstrengend, aber hat gut geklappt“, sagt Carlotta Hein.
Ob das schon der Weg ins Engagement war? Unklar. „Wenn sie einen gut finden, dann wird man danach zum Vorsprechen eingeladen“, sagt Carlotta Hein. Auch zentralere Vorsprechen werden gerade geplant, um die Theaterleiter noch einmal anzulocken: in Hamburg, Ulm oder Düsseldorf sollen sie voraussichtlich stattfinden. „Das wäre schon cool, wenn das klappt.“
Am Tag der Premiere schlug das Virus zu
Unglaubliches Pech hatten die Eleven hingegen mit ihrer großen gemeinsamen Aufführung: Am Tag der Premiere Mitte März wurde „Die Vereinigten Staaten von Amerika gegen Herbert Nolan“ in der Zeche Eins abgesagt. Linus Scherz erinnert sich mit Schaudern: „Wir hatten daran acht Wochen täglich intensiv gearbeitet“, erzählt er. „Da ist man am Ende wie in einem Tunnel und kriegt kaum noch was anderes mit.“ Schiere Fassungslosigkeit habe am Tag der Absage unter den Studierenden geherrscht: „Es hat etwas Zeit gebraucht, um das zu realisieren.“
Immerhin: Drei Vorstellungen konnten sie Ende Oktober von ihrer aufwändigen Produktion noch zeigen. Coronabedingt waren nur fünf Zuschauer pro Abend zugelassen. Carlotta und Linus sind trotzdem froh, das noch gespielt haben zu dürfen – allein schon wegen der ungewöhnlichen Erfahrung.
Und doch schauen beide halbwegs optimistisch in die Zukunft. Wohin es sie im kommenden Jahr ziehen wird, ist noch nicht klar. „Unser Fokus liegt klar auf dem Theater“, sagt Linus Scherz. Abends vor Publikum spielen zu dürfen: Für viele junge Schauspieler ist das noch immer ein großer Traum – und daran wird Corona nichts ändern.
Info: Gegründet 1939
Die Westfälische Schauspielschule wurde 1939 von Saladin Schmitt gegründet und war lange am Lohring beheimatet. Mittlerweile ist sie Teil der Folkwang-Universität der Künste.
Am Campus Bochum konzentriert sich seit 2014 die Folkwang Theaterausbildung (mit den Studiengängen Schauspiel und Regie). Rund 60 Studierende lernen und arbeiten im Theaterzentrum an der Friederikastraße 4 (Thürmer-Saal).