Griesenbruch. Aus einer Trinkhalle an der Ursulastraße in Bochum ist ein Ort für Kunst, Musik und Literatur geworden – sehr zur Freude der vielen Nachbarn.
Neulich lag eine Karte im Briefkasten. Darauf standen nicht viele Worte, nur dies: „Danke für Euer Schaubüdchen!“ Judith Schäfer war ganz gerührt: „Der Zuspruch, den wir hier aus der Nachbarschaft erfahren, ist wunderschön“, sagt sie. Scheint so, als sei das kleine Schaubüdchen in Griesenbruch in Bochum auf einem guten Weg, zu einer echten Bochumer Kulturinstitution zu werden.
Auch interessant
Schaubüdchen in Bochum hat sich in Ort für Kunst und Kultur verwandelt
Rund eineinhalb Jahre ist es her, seit aus der ehemaligen Trinkhalle an der Ursulastraße 24 ein Ort für Kunst, Performances, Musik und Literatur geworden ist. 1957 gebaut, befand sich in dem unscheinbaren Eckgebäude mit den riesigen Schaufenstern zuvor über Jahrzehnte ein klassisches „Büdchen“, wie man sie überall im Ruhrgebiet fand. Hier bekam man nicht nur Bömskes, Kaffee und belegte Brötchen. Das Büdchen war auch die zentrale Anlaufstelle für das halbe Viertel, um beim Feierabendbier den neuesten Tratsch auszutauschen.
Schaubüdchen hat Verstärkung bekommen
Das Projektteam ist mittlerweile gewachsen. Neben Judith Schäfer und Philipp Blömeke beteiligen sich auch Birk-André Hildebrandt und Valeska Klug (vom Duo „Scheinzeitmenschen“) und Katharina Kern ehrenamtlich an dem ambitionierten Projekt.
Das Schaubüdchen ist geöffnet am 15. und 22. September jeweils von 16 bis 19 Uhr. Die Finissage der Nachbarschaftsausstellung findet am 29. September ab 18 Uhr statt. In der Adventszeit sind kleine Konzerte unter anderem mit Mitgliedern der Bochumer Symphoniker und des Essener Aalto-Theaters geplant. Die Teilnahme ist kostenlos. Alle Infos: schaubuedchen.de
Nachdem die Trinkhalle geschlossen wurde und damit das Schicksal vieler kleiner Kioske im Ruhrgebiet teilte, die sich der Discounter-Konkurrenz geschlagen geben mussten, stand das Büdchen über ein Jahr lang leer – bis sich Judith Schäfer und Philipp Blömeke ein Herz fassten, um daraus das Schaubüdchen zu entwickeln. Beide hatten sich mit ihrer künstlerischen Arbeitsgemeinschaft „Dunkelkammer“ schon früher für die kulturelle Nutzung ungewöhnlicher Orte eingesetzt. Dank Förderungen von der Stadt und vom Land (im Rahmen des Programms „Kreativ-Quartiere Ruhr“) nahm die Idee langsam Fahrt auf.
Ausstellungen, Installationen, Lesungen
Seither hat sich eine Menge getan. Ausstellungen, Rauminstallationen, mehrere Lesungen und gut besuchte Abende etwa im Rahmen der BO-Biennale und der „Tag der Trinkhallen“ fanden bereits im und um das Schaubüdchen herum statt. „Größere Veranstaltungen verlegen wir vor allem wegen Corona gern in den Außenbereich, wo etwa 30 Menschen auf Klappstühlen Platz finden“, erzählt Philipp Blömeke.
Auch interessant
Um die Nachbarschaft nicht unnötig zu nerven, wurde die letzte Krimilesung über Funkkopfhörer, die jeder Besucher ausleihen konnte, nach draußen übertragen, während die Autoren drinnen im Büdchen aus ihren Werken lasen. Auch eine Theaterperformance unter dem Titel „Alleinsam“ stieß auf diese Weise auf einiges Interesse: Im Kostüm eines einsamen Wolfes erzählte Schauspielerin Lena Entezami von Momenten des Alleinseins.
Gedichte werden über Kopfhörer abgespielt
Die Texte entstanden nach Interviews mit Menschen aus der Umgebung, die darin von ihrer Einsamkeit berichteten. Gedichte der Bochumer Autorin Verena Liebers können von außen an einer Hörstation angehört werden. Wer einen Kopfhörer selber mitbringt, kann sie auch außerhalb der Öffnungszeiten jederzeit abspielen.
So versteht sich das Schaubüdchen vor allem als ein Angebot für die Menschen aus dem Umfeld. Frisch eröffnet wurde die Nachbarschaftsausstellung „Anne Ecke“, an der sich jeder künstlerisch beteiligen kann, der im Umkreis des Büdchens wohnt. Zeichnungen von Kindern sind im Schaufenster ebenso ausgestellt wie Bilder, Skulpturen und Comics. „Die Ausstellung wird sich noch weiter verändern“, sagt Judith Schäfer. „Wer sich daran beteiligen möchte, kann sich gern bei uns melden.“ Angelegt ist das Projekt auf eineinhalb Jahre.
Auch interessant
„Artist Talk“ mit Kaffee und Kuchen
Weiter ausgebaut werden soll der „Artist Talk“: Dann lädt das Schaubüdchen zu kleinen Spaziergängen ein, die zu Theatern, Galerien und anderen kreativen Orten in der Nähe führen. „Die Besucher sollen mit den Künstlern ins Gespräch kommen“, so Blömeke. „Am Ende gibt es Kaffee und Kuchen.“ Wo? Natürlich im Schaubüdchen!