Bochum. Ukraine-Krieg und steigende Preise: Immer mehr Bochumer kommen zur Tafel. Was tun, wenn die Lebensmittel nicht reichen? Die Chefin hat eine Idee.
Das Orga-Team der Tafel Bochum und Wattenscheid erlebt 2022 wohl seine schwerste Zeit – vom Jahr 2015 mal abgesehen. Geschäftsführerin Larisa Baasner teilt seit bald 25 Jahren Lebensmittel an bedürftige Bochumer aus. Angefangen mit 100 Abholern, gibt die Tafel mittlerweile in der Woche an 7000 bis 8000 Haushalte Essen aus. Die aktuelle Preisentwicklung verschärft die Situation.
Inflation und Preissteigerung: Immer mehr Bochumer kommen zur Tafel
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Frau Baasner, wie erleben Sie dieses Jahr?
Am 3. Juni mussten wir in unserer fast 25-jährigen Geschichte zum ersten Mal Leute mit leeren Händen nach Hause schicken und einen Aufnahmestopp verhängen. Das tat weh und tut immer noch weh, weil wir aktuell keine neuen Leute registrieren können.
Warum kommen dieses Jahr so viel mehr Menschen?
Ich würde sagen, zu 50 Prozent ist das der Ukraine-Krise und zu 50 Prozent der Inflation geschuldet. Außer den Geflüchteten kommen vorwiegend alleinerziehende Mütter und Rentner, die früher immer über die Runden gekommen sind, und jetzt nicht mehr. Einige haben ihr Leben lang gearbeitet und schämen sich, dass sie auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Denen helfen wir still und leise.
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Wie?
Einige können sich nicht überwinden, zur Tafel zu kommen, oder können körperlich nicht. Daher beliefern wir rund 100 Familien mit einem „neutralen Auto“ ohne Tafel-Aufschrift.
Wie kamen Sie zur Tafel?
Ich bin Spätaussiedlerin und habe 1996 hier in Bochum einen Job gesucht. Ich habe im „Extra“ Regale eingeräumt und hautnah mitbekommen, wie palettenweise Lebensmittel weggeschmissen wurden. Ich ging zu meinem Chef und bat ihn: „Lass mich mit dem Auto zu den Aussiedlerheimen fahren und die Waren für die Hälfte des Preises verkaufen!“ Er sagte, das geht nicht.
Wie haben Sie darauf reagiert?
Ich sagte, Lebensmittel wegzuschmeißen sei gegen meine Prinzipien. Daher könne ich das nicht machen. Dann lernte ich Manfred Baasner kennen, der gerade die Tafel gründete und Mitstreiter suchte. Erst als Ehrenamtliche, dann in Vollzeit – immer habe ich mit ihm gearbeitet. Wir waren so zusammengebunden, wir konnten nicht anders und haben geheiratet. (lacht)
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Welche Pläne haben Sie?
Wahrscheinlich werden wir unser System umstellen, sodass die Abholer nur noch einmal alle zwei Wochen kommen dürfen. Wir beobachten gerade, ob irgendwo Lebensmittel übrigbleiben, damit wir zumindest Familien mit Kindern neu aufnehmen können. Aktuell bleibt aber nichts übrig.
Welche Produkte fehlen?
Butter, Öl, selbst Brot ist Mangelware. Die Tafel rettet zwar jeden Tag 15 bis 20 Tonnen Lebensmittel, aber leider bekommen wir nur ganz selten frische Lebensmittel wie Fleisch, Fisch und Milchprodukte von den Supermärkten. Dabei wird die Kühlkette gar nicht unterbrochen, wir haben Kühl- und Tiefkühlautos. Trotzdem kriegen wir das nicht und alles landet in der Tonne.