Bochum. Die Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen,Viele Einzelhändler in Bochum beklagen Umsatzrückgänge. 27 Prozent sehen ihre Existenz bedroht.
Die Corona-Pandemie trifft den Handel in Bochum hart. Mehr als die Hälfte der Einzelhändler in der Region hat starke Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Für 27 Prozent ist die Krise existenzbedrohend. Das geht aus einer Unternehmerkunden-Studie im Auftrag der Commerzbank hervor. Befragt wurden Unternehmen mit Jahresumsätzen bis zu 15 Millionen Euro.
- Einkaufscenter soll ein Gesundheitszentrum werden.
- Steuerzahler fördert Schnäppchen-Miete in der Bochumer City
- Wie der Handel in den Stadtteilzentren der Pandemie trotzt
- Einzelhandel mit großen Veränderungen
Viele Stammkunden verloren
Damit hat die Krise den Einzelhandel im Raum Bochum härter getroffen als im restlichen Teil des Landes. Bundesweit sprechen nur 17 Prozent der Firmen von einer Existenzbedrohung. Zu schaffen macht den Händlern vor allem der Verlust von Stammkunden (54 Prozent) sowie die lange Schließung ihrer Läden während des Lockdowns bei gleichbleibenden Fixkosten.
Stark betroffen ist der Handel zwar auch von Preisanstiegen und Lieferschwierigkeiten, wie es in der Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern (IHK) im Ruhrgebiet heißt. Nicht zuletzt sei die prekäre Lage aber auf die „verschärften Restriktionen im Umgang mit der Corona-Situation zurückzuführen“. 24 Prozent der Händler, die sich an der Umfrage beteiligt haben, berichten von einer „schlechten Geschäftslage“.
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IHK-Chef fordert Lockerungen
Der Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet mit Sitz in Bochum, Michael Bergmann, fordert daher ein Umdenken von der Politik. „Der Einzelhandel war nie Infektionstreiber. Deshalb verstehe ich nicht, warum die 2G-Zugangsbeschränkung für den Nicht-Lebensmitteleinzelhandel in NRW aufrechterhalten wird.“
Sorgen machen sich die Unternehmen um die Innenstädte. 78 Prozent, so die Commerzbank-Studie, befürchten eine Verödung der City durch die Schließung kleinerer Läden, Restaurants, Bars und Kultureinrichtungen innerhalb der nächsten fünf Jahre.
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Sofortprogramm soll der City helfen
Tatsächlich ist der Leerstand an vielen Stellen in Bochum sichtbar. Ende 2021 waren 56 von 886 Ladenlokalen im Gleisdreieck ungenutzt. Die Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft verweist allerdings auf Vermittlungserfolge. Mit zwei Millionen Euro aus dem Sofortprogramm des Landes wird Gewerbetreibenden derzeit über eine „subventionierte Miete“ der Einzug in City-Lokalen schmackhaft gemacht.
Gute Nachrichten hatte Branchenberater Jürgen Knoth vor einigen Tagen für die in der Initiative Bochumer City (IBO) zusammengeschlossenen Einzelhändler. In mehrere der leeren Ladenlokale in der Huestraße ziehen demnächst neue Geschäfte ein. Mit einer Leerstandsquote von 5,6 Prozent stehe Bochum gar nicht schlecht da.
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Ton in den Geschäfte wird rauer
Und doch ist die Gefühlslage eine andere. Aus Sicht von Juwelier und IBO-Chef Marc Mauer sind weniger sinkende Umsätze das Problem in der City, auch wenn laut Umfragen von IHK und Commerzbank gut 50 Prozent der Händler in der Corona-Pandemie über Einbußen klagen. Den Zahlen steht er kritisch gegenüber. Aber er räumt ein: „Die Stimmung ist einfach am Boden.“ Auch bei den Kunden. Der Ton – auch gegenüber den Beschäftigten, die im vergangenen Jahr noch so gelobt wurden – werde rauer. Mauer setzt auf eine Belebung der Geschäfte und eine Beruhigung der Gemüter in den nächsten Monaten.
Strukturell ist der Handel in Bochum aus Sicht des IBO-Chefs auf jeden Fall bereits besser aufgestellt als in vielen anderen Kommunen. Der Wandel in der Innenstadt werde bereits angepackt. „Wir haben kein Galeria-Kaufhaus, das zu schließen droht.“ Besonders sei die aktuelle Situation deshalb, weil der Wandel, dem Handel immer unterworfen sei, durch die Corona-Pandemie extrem beschleunigt werde; auch bei der Digitalisierung.
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Die Leerstände etwa in der Drehscheibe und Citypoint an der Kortumstraße ließen sich nicht verhehlen. Aber mehrgeschossige Einkaufscenter „funktionieren nirgendwo mehr. Für sie brauchen wir neue Nutzungen.“
Im Citypoint steht der Wandel jetzt an. In dem Ende der 1980er Jahre gebauten Einkaufscenter soll ein Gesundheitszentrum aufgebaut werden. Ähnliches sei auch in der Drehscheibe möglich. Zumal: „ Beide Häuser haben mit dem direkten U-Bahn-Anschluss und dem Parkhaus optimale Anbindungen.“
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Große Lücken in der Innenstadt
Trotzdem gibt es große Lücken. Für den markantesten Leerstand in der City, die etwa 6500 Quadratmeter große Einzelhandelsfläche im Bochumer Fenster an der Massenbergstraße, gibt es seit dem Auszug des Modeparks Röther im Sommer 2019 noch keinen Nachfolger.
Selbst namhafte Filialisten sind auf dem Rückzug. So hat auf der Huestraße das Modelabel Tommy Hilfiger angekündigt, am 19. Februar seinen Laden zu schließen. „Danke Bochum“, heißt es auf einem Button im Schaufenster. Das hat selbst Branchenberater Jürgen Knoth überrascht. Und: Es bleibt die zweite große „Baustelle“ in der Innenstadt: der Abschnitt auf der Kortumstraße zwischen Südring und Husemannplatz mit großen Leerständen; darunter das ehemalige Heiland-Möbelhaus, von vielen als „Schandfleck“ empfunden.
Firmen fürchten Verödung der City
Der Handel sorgt sich, so ein Ergebnis der Commerzbank-Umfrage, um die Entwicklung der Innenstadt. Drei Viertel befürchten in den kommenden fünf Jahren eine Verödung des Stadtzentrums durch Geschäftsschließungen und auswärts gelegene Einkaufszentren.
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Um die Innenstadt attraktiver zu machen, wünschen sich zwei Drittel der Befragten daher mehr Radwege und Grünflächen. Ein Großteil (63 Prozent) würde sich zudem über eine Verbesserung des Parkplatzangebots inklusive Elektroladestationen freuen.
IHK-Chef Bergmann fordert Umdenken
Kritik an den Corona-Bestimmungen übt der Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet mit Sitz in Bochum, Michael Bergmann. Er hofft auf einen Umdenken in der Politik und auf bessere Rahmenbedingungen. Je länger die Zugangsbarriere beibehalte werde, umso gravierender seien die negativen wirtschaftlichen Folgen für die Betriebe in den Innenstädten und Stadtteilzentren. „Wenn die Leute jedes Mal ihre Personalia et cetera vorzeigen müssen, werden viele den einfachen Weg gehen und online einkaufen. Damit hatten wir schon vor der Pandemie zu kämpfen“, so der IHK-Chef.
Bedarf an Beratung wächst wieder
Die Folgen der Pandemie sind auch aus Sicht der Commerzbank messbar: „Der wiederholte Lockdown und der damit verbundene Kundenverlust haben jeden zweiten Einzelhändler in Bochum vor große Probleme gestellt“, sagt Guido Kunze, Leiter Unternehmerkunden in der Commerzbank Bochum mit Bezug auf die Ergebnisse der Umfrage unter Händlern.
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Immerhin gibt es aber durchaus Hoffnungsschimmer. Drei Viertel der befragten Unternehmen blicken optimistisch nach vorne.
Zuversichtlich mag sie ein weiteres Ergebnis der Studie stimmen. Corona hat zwar einen Digitalisierungsschub ausgelöst – und damit eine Entwicklung beschleunigt, die sich nach Einschätzung von IBO-Chef Marc Mauer ohne die Pandemie über zehn Jahre erstreckt hatte. Ein Drittel der Einzelhändler bemerken aber auch wieder mehr Bedarf an persönlicher Beratung.