Bochum. Immer mehr E-Fahrzeuge fahren auf Bochums Straßen. Für Handwerker und Lieferanten scheinen sie perfekt zu sein. Doch: Stimmt das auch?
Am Anfang war der Streetscooter. In Bochum hat der Logistiker DHL 2016 seine bundesweite Mobilitätsoffensive begonnen – mit 24 rein elektrisch betriebenen, im eigenen Unternehmen hergestellten Zustellfahrzeugen. Die gelben E-Laster beflügelten Fantasien von der umweltfreundlichen Lieferung auf der letzten Meile, von Handwerkern in elektrisch betriebenen Kasten- und Pritschenwagen sowie von einer schnell wachsenden Nutzung von E-Fahrzeugen im gesamten gewerblichen Bereich. Fünf Jahre später ist die Situation so:
Noch wenige Unternehmen fahren elektrisch
„Ich bin schon so ziemlich allein auf weiter Flur“, sagt Christian Goerdt. Vor vier Jahren hat der Inhaber des Bio-Lieferdienstes „Flotte Karotte“ aus Wattenscheid sein erstes E-Fahrzeug für den Betrieb angeschafft. Mittlerweile ist die E-Flotte auf vier in China gebaute Maxus-Lieferwagen, auf zwei Mercedes Vito und einen Streetscooter angewachsen. Und wie viele andere Unternehmer und Gewerbetreibende kennt er, die ebenfalls auf E-Fahrzeuge setzen? Auch bei längerem Überlegen fallen Goerdt nur zwei ein.
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Sabine Naber-Schüren geht es ähnlich. Die Bäckermeisterin hat vor gut zwei Jahren die alten Diesel-Lieferwagen abgeschafft und mit Hilfe von Fördermitteln zwei Streetscooter plus Ladeboxen gekauft. „Die laufen gut“, sagt sie über die Autos. Und mittlerweile hätten auch die Fahrer die Umstellung akzeptiert.
E-Auto-Kauf als persönliches Anliegen
Viele andere Betriebe kennt sie aber nicht, in denen E-Fahrzeuge eingesetzt werden. Sie werde mittlerweile in Sachen E-Mobilität aber häufiger um Rat gefragt.
Mit Zahlen kann sie dabei nicht dienen. „Ich habe noch nicht ausgerechnet, ob und wann der Betrieb mit E-Autos günstiger wird“, räumt die Bäckermeisterin ein. Für sie ist der Einsatz umweltfreundlicher Fahrzeuge auch ein persönliches Anliegen.
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Enthusiasmus gehört dazu
Das hat sie mit Christian Goerdt gemein. Er sagt zwar: „Natürlich soll sich das auch wirtschaftlich rechnen. Aber man muss schon mit einem gerüttelten Maß Enthusiasmus dabei sein, wenn man auf elektrische betriebene Fahrzeuge umsattelt.“ Beim Kauf des ersten Streetscooters habe es geheißen, er werde Teil eines „spannenden Projekts“. Genau das sei es manchmal auch. Unwägbarkeiten wie etwa nicht tadellos funktionierende Ladesäulen gehören dazu.
Dennoch wirbt auch er für ein Umdenken und Umsteigen. Zumal das Fahren mit den E-Mobilen „unbeschreiblich entspannend“ sei. „Wenn die Fahrer einmal überzeugt sind, dann habe sie viel Freude mit den E-Fahrzeugen. Es ist einfach ein schönes und entspanntes Fahren.“ Durchschnittlich alle 1,3 Kilometer machen die Autos der „Flotten Karotte“ Halt, steigt der Fahrer aus, um die Waren zu liefern. „Anhalten, Parkschalter einlegen, mehr ist es nicht“, so der Unternehmer.
Keine fünf Prozent der Fahrzeuge in Bochum fahren elektrisch
Wie viele dienstlich genutzte E-Fahrzeuge – Pkw, Transporter und Lkw – derzeit auf Bochums Straßen unterwegs sind, lässt sich nicht genau sagen. Fakt ist: „Die Zahl der Elektrofahrzeuge hat sich nach Angaben der Stadt im Juni um 145 auf 2511 erhöht. Außerdem sind 9886 E-Hybrid-Fahrzeuge gemeldet, 708 mehr als im Vormonat. Beides zusammen machen keine fünf Prozent aller in der Stadt gemeldeten Fahrzeuge (260.551) aus.
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Vorreiter in Sachen E-Mobilität sind vor allem die Stadt und ihre Unternehmen. Vor knapp vier Jahren hat Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) angekündigt, dass von sofort an bei der Stadt und allen kommunalen Unternehmen ausschließlich Pkw mit Elektro- und Hybridmotoren neu angeschafft werden sollen. In den nächsten Jahren könnten so zusätzlich rund 300 E-Autos durch die Stadt rollen.
Stadt und städtische Unternehmen sind Vorreiter
Dreistellig dürfte mittlerweile die E- und Hybrid-Flotte der Stadtverwaltung sein. 76 Fahrzeuge waren es 2019, darunter auch der Dienstwagen des OB; weitere 23 wurden damals bestellt. Bei der Bogestra sind seit 2020 nicht nur 20 E-Busse im Einsatz. Auch 28 Dienst-Pkw werden elektrisch angetrieben. „Sie versehen ihren Dienst“, heißt es in dem Unternehmen. „Es gibt keine nennenswerten Probleme.“
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Beim USB wurden schon vor zehn Jahren die ersten E-Autos als Dienstwagen eingesetzt. Mittlerweile 20 rein elektrisch betriebene Fahrzeuge gehören zum Fuhrpark, darunter eine Kleinkehrmaschine, ein Kleintransporter, ein Streetscooter, ein VW Crafter sowie vier umgebaute Mercedes Sprinter und ein umgebauter Mercedes Atego. Die jüngste Errungenschaften sind ein Kleinmüllwagen und eine Kompaktkehrmaschine. Auch ein mit Wasserstoff und ein mit Erdgas betriebenes Fahrzeug testet das Entsorgungsunternehmen.
DHL setzt seine Elektro-Strategie jetzt fort
Vorreiter DHL setzt seine Strategie derweil weiter fort. 95 Streetscooter XL und 38 L-Modelle fahren momentan auf Bochums Straßen. „Zug um Zug werden wir alle Diesel-Modelle gegen E-Fahrzeuge austauschen“, sagt Sprecher Rainer Ernzer. Das Ziel sei es, auf der sogenannten „letzten Meile“ vollständig mit E-Fahrzeugen zu liefern.
Bei seiner Vorstellung schien der Streetscooter zwar geeignet zu sein, um in vielen anderen Branchen und vor allem auch von kleinen und mittleren Betrieben genutzt zu werden. Tatsächlich hat DHL die verlustreiche Produktion aber Anfang 2020 eingestellt. Gebaut werden voraussichtlich bis 2022 nur noch Fahrzeuge für den eigenen Bedarf.
Davon betroffen ist auch die AHAG-Gruppe an der Porschestraße in Bochum. Sie hatte 2018 eine Kooperation mit DHL begonnen und den Vertrieb der E-Nutzfahrzeuge übernommen. Bis zu 300 Streetscooter jährlich sollten an den Markt gehen. Heute heißt es auf der Internetseite, es seien nur noch wenige Modelle verfügbar. Und das für einen Betrag deutlich unter dem Listenpreis von knapp 50.000 Euro etwa für das Kastenmodell.
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Sevic-Vertriebsleiter ist optimistisch
Hoffnungen auf gute Absätze auf dem gewerblichen Sektor hat auch E-Mobilhersteller Sevic. Er hat Ende 2020 am Dückerweg einen Ausstellungsraum eröffnet. Die Geschäfte haben zwar unter dem Einfluss der Corona-Pandemie stark gelitten, so Vertriebsleiter Michael Menkhoff. Lieferdienste und andere hätte eher Fahrzeuge von Mietflotten geleast, statt eigene anzuschaffen. „Aber jetzt merken wir einen richtigen Ruck“, so Menkhoff. Das Interesse wachse spürbar. Geschäftsführer aus den unterschiedlichsten Bereichen und aus dem ganzen Republik, von Hotels über eine Käserei bis hin zu Caterern und Supermärkten beschäftigen sich mit der Anschaffung von E-Fahrzeugen.
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Bio-Lieferant sieht noch Nachholbedarf bei Herstellern
Bio-Lieferant Christian Goerdt hofft derweil, dass die Lösung für E-Transporter bald in etwa das Niveau erreicht, das sein Pkw aus US-amerikanischer Herstellung erreicht. Auch in Sachen Wirtschaftlichkeit. „Mit dem fahre ich für 1,30 Euro auf 100 Kilometer“ – dank mit Solarenergie vom eigenen Dach gespeister Ladebox. Noch allerdings würden die Hersteller um einige Jahre hinterher hinken.
Vorerst hat sich der Unternehmer ein persönliches Ziel gesetzt: „Ich will meinen Elektriker noch überzeugen, sich ein E-Fahrzeug anzuschaffen.“ Es sind kleine Schritte, mit denen sich die E-Mobilität in Bochum nach vorne bewegt.