Bochum. Das 3:3 gegen RB Leipzig zeigt eindrucksvoll die neue Stabilität des VfL Bochum. Doch nun muss es die Mannschaft auch in Auswärtsspielen beweisen.
Es waren bemerkenswert selbstkritische Aussagen von Dieter Hecking am Samstagabend, als er nach dem 3:3 gegen RB Leipzig auf dem Podium im Ruhrstadion saß. Er habe schon früh erkannt, dass es mit seiner Erfolgsformation der vergangenen Wochen gegen den Champions-League-Teilnehmer schwer werden würde. Mit einer Fünferkette und einem Dreier-Mittelfeld bekam der VfL Bochum keinerlei Zugriff aufs Spiel, die Leipziger konnten sich mit einfachsten Mitteln vor das Tor von Patrick Drewes spielen – und führten schon nach 22 Minuten mit 3:0 gegen zu diesem Zeitpunkt vollkommen überforderte Bochumer. Wenngleich etwas Glück schon dazugehörte, nachdem eine verunglückte Flanke von Willi Orban ins Tor fiel und eine nicht kalibrierbare Abseitslinie den zweiten Treffer begünstigte. Erst dann, als es eigentlich zu spät war, stellte Hecking um auf eine Viererkette. „Ich habe zu spät reagiert“, sagte der Trainer. Doch plötzlich wurde es ein anderes Spiel, Bochum dominierte die Leipziger.
Anders als in der bisherigen Saison bedeutete der frühe und hohe Rückstand dieses Mal keinen Einbruch der Bochumer. Nach der Umstellung und der Einwechslung von Gerrit Holtmann zur Pause trat der VfL mutig auf. „Ich habe gesagt: Lass uns ein frühes Tor machen und dann zünden wir das Stadion noch einmal an“, sagte Hecking über seine Pausenansprache an die Mannschaft. Sie wirkte. Ein Ballgewinn von Holtmann, der einen zu kurzen Abschlag von Peter Gulacsi erahnte, brachte den VfL so richtig ins Rollen und gab den Startschuss zum aberwitzigen 13-Minuten-Hattricks des Niederländers Myron Boadu. Durch Treffer in der 48. Minute, 57. Minute und in der 61. Minute per Strafstoß glich der in der Vorwoche noch von Hecking scharf kritisierte Stürmer die Partie aus. „Es war ein Traum heute“, sagte Boadu, der von vielen als der große Hoffnungsträger im Kampf um den Klassenerhalt angesehen wird.
VfL Bochum: Klassenerhalt wieder realistisch
Dass dieser inzwischen wieder zu einem realistischen Szenario geworden ist, liegt in erster Linie an Heckings Handschrift. In nun neun Partien unter ihm hat der VfL neun Punkte geholt. In den ersten Wochen schaffte er es, seine Mannschaft defensiv zu stabilisieren und gegen Leipzig – nach anfänglichen Problemen – bot die Mannschaft auch fußballerisch eine gute Partie. Vor allem der Niederländer Dani de Wit, der nach dem erneuten krankheitsbedingten Ausfall von Kapitän Anthony Losilla erstmals unter Hecking in der Startelf stand, spielte stark auf. „Was er heute gespielt hat – da hat er die Messlatte sehr hochgelegt“, sagte Hecking. De Wit war laufstark, passsicher und zweikampfstark – und hatte mit gleich zwei Gelegenheiten sogar den Siegtreffer auf dem Kopf. Die Neuzugänge des vergangenen Sommers kommen langsam ins Rollen.
Der gewonnene Punkt wurde im Ruhrstadion wie ein Sieg gefeiert. Das Publikum spürte schon während der Partie, dass diese Mannschaft tatsächlich in der Lage sein könnte, ein erneutes Klassenerhaltswunder zu stemmen. „Nach dem 3:1, 3:2 und dem 3:3 – das war ja der Wahnsinn. Es ist schön, dass man das Volk hier mit einfachen Mitteln in Ekstase bringen kann“, sagte Holtmann über die VfL-Fans. Langsam aber sicher wird das Stadion an der Castroper Straße wieder zur Festung. Allerdings: Acht der neun Punkte holte der VfL Bochum zu Hause, auswärts klaffte zuletzt bei Mainz 05 eine leistungsmäßige Lücke im Vergleich zu den Heimauftritten.
Borussia Mönchengladbach ist VfL-Angstgegner
Dass es nun in der kommenden Woche zu Borussia Mönchengladbach (Samstag, 15.30 Uhr, Sky) geht, ist also nicht gerade ein Mutmacher. Zumal sich die Fohlen-Elf inzwischen zu einem Angstgegner entwickelt hat. Außerdem spielt dort Kevin Stöger. Der Mann, den sie in Bochum am meisten vermissen, weil seine Spielmacher-Qualitäten der Hecking-Mannschaft weiterhin abgehen. Bislang. Die zweite Halbzeit gegen Leipzig zeigte nämlich auch, dass deutlich mehr spielerisches Potenzial im Team steckt, als es über weite Strecken der Saison bislang zu sehen war.
News und Hintergründe zum VfL Bochum
- Wechsel: Torwart Riemann geht in die 2. Liga
- Kommentar: Transferstrategie - die besten Zugänge sind schon da
- Internet-Hit: Das ist der „Bratwurstmann“ des VfL
- Aufreger: Warum das 2:0 von Leipzig zählte - Panne beim VAR-Check
- Noten: Boadu überragt - Drewes strahlt keine Sicherheit aus
- Selbstkritik: Wie Trainer Hecking das frühe 0:3 erklärt
- Boadus Comeback: Wie der Stürmer mit Heckings Kritik umging
- Transferticker: Masouras weiter heißer Kandidat
- undefined
Und das Spiel war auch ein Fingerzeig an Hecking selbst. Das eigentlich von ihm im Karriereverlauf bevorzugte 4-3-3-System funktioniert auch mit dieser Mannschaft. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagte VfL-Verteidiger Bernardo. „Heute war es eine wichtige Nachricht für alle – auch die Bundesliga. Alle denken, wir sind tot. Wenn wir uns aber fokussieren, dann können wir das schaffen. Im Spiel und auch in der Liga.“ Den nächsten Beweis muss Bochum nun in Gladbach bringen – um endlich auch auswärts ein Klassenerhaltsgesicht zu zeigen. Der von Hecking ausgerufenen „Abstiegskampfeuphorie“ wäre es nur zuträglich.