Essen. Osnabrücks Geschäftsführer sieht viele Parallelen zwischen dem VfL und Rot-Weiss Essen, wünscht sich am Sonntag aber einen Sieg. Stolz auf Essener Chancen.
Im zweiten Teil unseres großen Interviews vergleicht Michael Welling die drei Vereine, die bislang seinen beruflichen Werdegang bestimmt haben und blickt voraus auf das mit Spannung erwartete Abstiegsduell „seiner“ Osnabrücker am kommenden Sonntag gegen Rot-Weiss Essen an der Bremer Brücke.
Den ersten Teil mit Ex-RWE-Boss Michael Welling vor dem Spiel in Osnabrück lesen Sie hier
Rot-Weiss Essen, Mainz 05, VfL Osnabrück - drei Kultvereine, die etwas aus der Reihe fallen. Wo sind die gravierenden Unterschiede bei den drei Klubs?
Ich würde Mainz da rausnehmen, aus ganz vielen Gründen, ich sehe Rot-Weiss Essen und Osnabrück deutlich näher beieinander. Mainz ist ein ganz ganz toller Verein, die haben eine unfassbare Entwicklung genommen, beginnend mit Wolfgang Frank, der in Essen auch kein Unbekannter war, als Trainer-Revolutionär gekommen in der 2. Bundesliga. Dann Kloppo, der am Rosenmontag übernommen hat. Dann Tuchel als Trainer, die haben sportlich ganz viel richtig gemacht und konnten sich so etablieren in der 1. Bundesliga. Aber, die haben sich relativ spät etabliert, anders als RWE oder Osnabrück, die wirklich klassische Traditionsvereine sind. Über Essen müssen wir nicht reden: Deutscher Meister, Pokalsieger etc., das ist Eulen nach Athen tragen hier in Essen. Und Osnabrück steht auf auf Rang elf in der Ewigen Tabelle der 2. Bundesliga, waren immer da, allerdings nie in der 1. Bundesliga. Beides sind Arbeitervereine, Rot-Weiss oben in Vogelheim und Borbeck verankert, der VfL im Stadtteil Schinkel, auch ein Arbeiterviertel. Die Bremer Brücke, die Hafenstraße - Traditionsstandorte; in Essen mit dem neuen Stadion, in Osnabrück immer noch mit der ehrwürdigen Bremer Brücke - die würde ich in ihren Rollenbildern viel ähnlicher sehen.
Großer wirtschaftlicher Unterschied zwischen VfL Osnabrück und Rot-Weiss Essen
Und die Unterschiede?
..... die sind trotzdem noch gravierend: Man muss die Stadt und ihr Potenzial sehen. Essen ist immer noch in den Top Ten der größten Städte Deutschlands, mit ihrer Wirtschaftskraft hier im Ruhrgebiet. Das ist ein ganz ganz anderes Potenzial als es diese Mittelstadt Osnabrück hat mit nur 160.000 Einwohnern, mit vielen Mittelständlern, die da sind. Deswegen: Wirtschaftlich besteht ein ganz großer Unterschied, die Tradition von Rot-Weiss, die Erfolge, sind noch ein ganz schönes Stück größer als sie beim VfL sind. Was die Leidenschaft und die Leidensfähigkeit der Fans angeht, das sollte man eher unterstreichen - da tun sich beide Klubs nichts. Das sind Fußballstandorte, die besonders sind, wie man sie nicht mehr so häufig in Deutschland findet.
Freude über bunte Fanszenen auf beiden Seiten
Ich kann mich an heiße Duelle in den Neunziger und Zweitausender Jahren erinnern, gerade mit dem Trainer Pele Wollitz. Was kann denn RWE am Sonntag an der Bremer Brücke erwarten? Wie heiß wird es da zugehen? Nach den Vorfällen in Saarbrücken: Ist man darauf vorbereitet, dass da wieder ein Silvester-Feuerwerk brennen könnte?
Was jetzt woanders passiert ist, hat keine Relevanz für Osnabrück gegen Essen, da bin ich total entspannt. Dass da die Fanszenen möglicherweise Choreos oder andere Dinge machen, ja, okay. Gleichzeitig freuen wir uns doch, wenn bunte Fanszenen da sind, wenn es laut ist. Es ist schon schöner, an der Brücke gegen Rot-Weiss Essen zu spielen als wenn, beispielsweise, Unterhaching kommt und 20 Leute mitbringt. Nein, es ist doch geil, deswegen machen wir das. Ich glaube, man muss die besondere Situation sehen, die beide Vereine sportlich haben, deswegen ist da Druck auf dem Kessel, die Anspannung ist groß. Es herrscht eine grundlegende Unzufriedenheit in beiden Fanlagern, was dann auch wie ein Schleier über dem Spiel liegen wird. In Osnabrück ist es so: Trotz Tabellenplatz 20 und Rückstand auf das rettende Ufer ist die Bremer Brücke voll, das ist Wahnsinn, wir sind im Heimbereich immer nahezu ausverkauft. Auch der Gästeblock ist ausverkauft - das wird stimmungsvoll, das wird großartig. Ich kann immer nur sagen: Ein Besuch der Bremer Brücke lohnt sich - auch wenn wir jetzt kein Dach mehr über der Ostkurve haben. Das wird ein geiles Fußballspiel, wie wir es uns wünschen. Beiden Vereinen helfen in der Situation nur Siege. Ich hoffe, dass wir gewinnen, da ist mir das Hemd näher als die Hose - aber nur in Verbindung damit, dass wir beide in der Liga bleiben.
Was kommt danach, hat der VfL noch was vor in der Winterpause in Sachen Verstärkungen? Ihr seid finanziell ja gut aufgestellt?
Wir müssen was machen, wir haben einige Probleme bei uns im Kader erkannt, auf den Positionen, aber auch, was die Charaktere angeht. Wir haben Kassensturz gemacht und schon sehr frühzeitig gesagt, dass wir in der Lage sind, da nochmal nachzulegen. Es wird, glaube ich, nicht zwingend am Geld mangeln, sondern eher darum gehen, die richtigen Spieler zu identifizieren, die dann auch dran glauben, in Osnabrück das, was tabellarisch anscheinend unmöglich ist, dann auch möglich zu machen. Da werden wir dann noch aktiv.
Welling möchte zu einer RWE-Rückkehr nie „Nie“ sagen
Sie haben es selbst erwähnt, bei RWE ist viel Fluktuation, die ganze Medienabteilung ist komplett neu, würde es den Fußball-Visionär Michael Welling noch einmal reizen, an der Hafenstraße in verantwortlicher Position zu stehen?
Ich glaube, aktuell stellt sich die Frage gar nicht. Auch die Kollegen bei RWE sind gerade in die Verantwortung gekommen, ich bin beim VfL Osnabrück. Ich glaube, ich hätte direkt nach meinem Ausscheiden damals gesagt: es ist irgendwie nicht vorstellbar. Heute, mit dem großen Abstand, mit den vielen Jahren, muss man das sicherlich etwas anders bewerten. Aktuell nicht relevant, im Fußball darf man aber nie nie sagen. Fußball ist verrückt, auf allen Ebenen, momentan ist das kein Thema.
Mehr News zu Rot-Weiss Essen
- Kaum drittligawürdig - RWE muss im Winter dringend Fehler korrigieren
- Ärger zwischen Fans in Osnabrück - „RWE-Fans mit Glühwein überschüttet“
- Uhlig vor RWO-Engagement - „werde immer RWE-Fan bleiben“
Sie hatten ja immer einen engen Draht zu Sascha Peljhan, dem ehemaligen Finanzvorstand, der ja auch nicht mehr im Verein aktiv ist, da könnte man sich ja eine gewisse Konstellation vorstellen.
Ja, ich habe einen guten Kontakt zu Sascha Peljhan, und ich freue mich heute noch sehr darüber, dass wir ihn damals gewinnen konnten für die Essener Chancen, wo ich auch heute noch mit großem Stolz drauf schaue. Was wir damals initiiert haben und was seitdem bei den Essener Chancen passiert ist, das ist eine echte Erfolgsstory, was die Kollegen dann daraus gemacht haben. Ich glaube, da hat Rot-Weiss, da haben die Essener Chancen auch viel in der Stadtgesellschaft bewegt, auch dank Menschen wie Tani Capitain. Wie Sascha, der sehr früh gesagt hat: ich unterstütze das. Das war dann das Fundament für alles, was an der Seumannstraße passiert ist; mit Bernd Schmalhausen, der das Ganze mit initiiert hat. Dann habe ich mich damals sehr gefreut, dass Marcus Uhlig es mit Sascha gelungen ist, noch ein bisschen mehr zu machen. Ohne es bewerten zu wollen, dafür bin ich zu weit weg: Aber ohne Sascha Peljhan wäre es für RWE nahezu unmöglich gewesen, in die 3. Liga in der Art aufzusteigen. Von daher müsste ganz Essen Sascha Peljhan dankbar sein, dass das gelungen ist, Sascha ist ein ganz wichtiger Protagonist gewesen. Und ohne es bewerten zu wollen: Die Dankbarkeit wird auch sicherlich bei den heute Verantwortlichen von Rot-Weiss da sein.
Lesen Sie zum Thema RWE - Abseits des Rasens - auch
- Das steckt hinter dem Fahnenmädchen-Projekt
- Fanliebling Fabian Herzenbruch unterrichtet nun Kinder in Essen
- Unterwegs mit den RWE-Einlaufkindern Leon und Lina
- RWE-Spieler bei Autogrammstunde in Borbeck: Mit Fotostrecke
- Rot-Weiss Essen: Fans lieben den Gartenzwerg im Shop
- „Essen asozial“: Neuer Song von RWE- und 257ers-Rapper
- Lernort Hafenstraße: Schüler im Antirassismus-Training
- Promifan Mike Rohleder von den 257ers: „Ich kenne auf der West fast jeden.“