Witten. Mit „Guide“ Alexander Kosenkow tritt sehbehinderter Sprinter der DJK BW Annen bei den Paralympics an. Was die Vorbereitung des Leichtathleten erschwerte.
Dieses Datum hat er bereits ganz fest in seiner Planung verankert: Der 4. September soll der große Tag werden für den sehbehinderten Wittener Leichtathleten Marcel Böttger. Der Sprinter von der DJK Blau-Weiß Annen steht vor seiner zweiten Teilnahme an den Paralympics. Die Spiele finden vom 28. August bis zum 8. September in Frankreichs Hauptstadt Paris statt. Nachdem Böttger bei seiner Premiere in Tokio 2021 durch ein unglückliches Malheur jäh gebremst wurde, hat er sich jetzt fest vorgenommen, um die Medaillen zu laufen.
Dabei liegt hinter dem Wittener, der in einer Praxis für Physiotherapie in der Ruhrstadt arbeitet, kein wirklich einfaches Jahr. Erst musste er mit der sportlichen Enttäuschung des Ausscheidens im Halbfinale bei der Weltmeisterschaft 2023 in Paris leben. Damals blieben er und sein niedersächsischer „Guide“ (Begleitläufer) Alexander Kosenkow (47) mit 11,40 Sekunden über die 100 Meter deutlich unter der angepeilten Zeit. „Ende des Jahres hatte ich dann mehrmals Corona“, berichtet Marcel Böttger.
Wittener baut weiterhin auf Verbindung zu Sprint-Routinier Alexander Kosenkow
Damit nicht genug, zog er sich im Februar 2024 einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zu, was ihn wochenlang weit zurückwarf. „Ich konnte ja lange überhaupt nicht trainieren“, sagt der inzwischen 31-Jährige. Erst im April, beim Trainingslager auf Lanzarote, konnte Böttger dann wieder so richtig durchstarten und an seinem ehrgeizigen Ziel, der Teilnahme an den Paralympics, arbeiten. Seinerzeit in Tokio geschah bereits im Vorlauf das Malheur, dass sich das circa 20 Zentimeter lange Verbindungsband zwischen ihm und Alexander Konsenkow kurz vor dem Ziel löste. Aus der Traum von einer Medaillenplatzierung.
Ob es damit nun diesmal klappt? Die bisherigen Resultate von Böttger und seinem ganz erfahrenen Guide lassen zumindest darauf schließen, dass er aussichtsreich am 31. August seine Reise nach Paris antreten kann. „Derzeit bin ich mit meiner Zeit Weltranglistenzweiter“, sagt der Wittener stolz. In seiner Startklasse T 11, in die er vor rund einem Jahr gewechselt war, liegt die für ihn bei 11,16 Sekunden. In Leverkusen glückte dieser starke Lauf, der die Hoffnung auf Edelmetall in Frankreich nährt. „Ein paar Wettkämpfe hatte ich ja inzwischen in diesem Jahr. Ich fühle mich jedenfalls ziemlich fit. Die vergangenen Rennen haben gezeigt, dass wir auf einem guten Weg sind“, so Böttger, der am Samstag noch bei einem 100-Meter-Sprint in Dortmund teilnahm.
„Ich fühle mich jedenfalls ziemlich fit. Die vergangenen Rennen haben gezeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Aktuell bin ich mit meiner Zeit Weltranglistenzweiter.“
„Ganz vorne in der Weltrangliste liegen die Besten derzeit nur eine Fußspitze auseinander. Das wird eine ganz spannende Angelegenheit“, sagt Marcel Böttger. Favorit scheint nach wie vor der griechische Weltmeister Athanasios Ghavelas zu sein, der im Vorjahr in Paris mit 10,93 Sekunden gewann – damit lag er sogar noch zwei Hundertstel unter der nach wie vor bestehenden persönlichen Bestzeit des Witteners.
Dass der Leichtathlet, der noch über zwei Prozent Rest-Sehkraft verfügt und erst seit 2019 professionell seinem Sport nachgeht, jetzt in der neuen Startklasse T 11 geführt wird, damit hat sich Böttger inzwischen arrangiert. „Das ist jetzt doch deutlich ausgeglichener und fairer“, sagt er zu der Tatsache, dass den sehbehinderten Athleten zusätzlich eine Augenbinde angelegt wird, um die Voraussetzungen für alle Aktiven anzugleichen.
Durch die Einteilung in eine neue Startklasse sind die Chancen gleichmäßiger verteilt
Nach den Paralympics 2021 in Tokio hatte sich zunächst angedeutet, dass Marcel Böttger und der viermalige Olympiateilnehmer Alexander Kosenkow (2004 bis 2016) künftig nicht mehr zusammen an den Start gehen würden. Dann aber blieb es doch bei dieser erfolgreichen Kombination – und die beschert dem Mann von der DJK Blau-Weiß Annen nun schon seine zweite Teilnahme an diesen viel beachteten Weltspielen der Menschen mit Beeinträchtigung. Böttger ist im Übrigen auch ganz sicher, dass das Verbindungsband diesmal nicht mehr für Probleme sorgen wird. „Das ist jetzt ein ganz neues, viel Stabileres. Bislang hat das immer gehalten.“
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Böttger startete in diesem Jahr unter anderem schon in Erfurt und in Dubai über seine 100-Meter-Distanz. Er geht davon aus, dass er am 4. September eine Zeit um die elf Sekunden schaffen muss, um in die Medaillenränge zu laufen. Erst Anfang Juli erfuhr er von seiner neuerlichen Paralympics-Nominierung. „Das kam ganz unromantisch in einer Pressemitteilung“, so Böttger – hat ihn aber nicht weniger gefreut. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ich dabei sein kann, war wegen meiner Vorleistung sehr groß.“
Griechischer Weltrekordler und mögliche Überraschungen aus China
Neben dem griechischen Weltrekordhalter hat Böttger unter anderem auch den einen oder anderen möglichen Rivalen aus China auf dem Zettel. „Die zeigen sich ja vor den Paralympics nicht so, das sind dann immer so gewisse Spielchen.“ Sollte der Wittener gemeinsam mit seinem „Guide“ Alexander Kosenkow aber in die Nähe seiner Bestzeit laufen, dann ist durchaus ein Spitzenplatz machbar vor zu erwartender großer Kulisse in Paris. Dann muss eben nur noch dieses vermaledeite Verbindungsband zwischen den Top-Sprintern halten. So wie in den bisherigen Rennen dieser paralympischen Saison.
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