Gelsenkirchen. Zum Jahreswechsel hat Oma Hagel wieder einen Brief an Günter Pruin geschrieben. Sie meint, dass es dem Sport in Gelsenkirchen nicht gutgeht.

Lieber Herr Pruin,

was machen Sie da jetzt eigentlich bei Gelsensport? Andree hat mir gesagt, Sie seien Leiter der Stabsstelle Sport- und Vereinsentwicklung. Sonst hat er mir eigentlich aber nichts erzählt. Es interessiert mich total, wie es überhaupt bei Ihnen und Ihrem Stadtsportbund in Gelsenkirchen so läuft. Es soll ja auch bald einen neuen Geschäftsführer geben, nachdem Ihr Nachfolger Marco Baron im März als Amtsinhaber abberufen worden ist. Ich liebe diese Formulierung, weil sie mir ständig begegnet. In der Zeitung, im Fernsehen, im Radio. Entbunden heißt es auch gerne und immer wieder. Warum sagt niemand klipp und klar, dass er jemanden rausgeworfen hat?

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Günter Pruin
Günter Pruin © Michael Dahlke

Ich habe mir die Ausschreibung angeschaut. Für mich wäre das nichts: Erstens bin ich viel zu alt, und zweitens kann ich mir nicht vorstellen, diese vielfältigen Aufgaben in 40 Wochenstunden bewältigt zu bekommen. Aber ich bin mir sicher, dass sich jemand finden wird. Als Kleinstadt-Frau weiß ich ja, dass es Stadtsportbünde gibt, bei denen es überhaupt keine hauptamtlichen Kräfte machen. Die schaffen das ehrenamtlich – wie auch immer? Und mit uns beiden könnte das auch schon deshalb nicht funktionieren, weil Sie ja doch deutlich mehr auf die Fußballer des FC Schalke 04 abfahren als ich.

21. Mai 1997 im Giuseppe-Meazza-Stadion: Eintrittskarte kostet 350 Mark

Früher war das bei mir auch mal anders. War das schön, als Werner Hansch damals aus dem Giuseppe-Meazza-Stadion unseren Triumph im Uefa-Pokal bei Inter Mailand kommentiert hat. Ich hatte Tränen in den Augen – vielleicht habe ich auch geheult – und war überglücklich, dass Andree live dabei sein durfte. Obwohl ich es irrsinnig fand, dass er für die Karte 350 Mark ausgegeben hat. Für diesen überwältigenden Tag am 21. Mai 1997 hat es sich aber gelohnt. Und ich weiß noch genau, wie stolz Andree war, ein Original-Autogramm von Rudi Assauer ergattert zu haben. Tja! Da hatte Schalke noch viele tolle Typen. Auf und neben dem Rasen.

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Sie fragen sich bestimmt schon, wann ich aufs Jahr zurückblicke. Ein Jahr, das für die Sportstadt Gelsenkirchen – warum nennen Sie sich eigentlich so? – keines in eine gute Richtung gewesen ist und für einige negative Schlagzeilen gesorgt hat. Wieder einmal. Und das hat nichts mit der Corona-Pandemie zu tun. Die schenke ich mir übrigens diesmal. Nur so viel: Was unsere ausschließlich Panik verbreitenden Politiker mit diesem Virus, dessen Varianten in Zukunft ja nicht weniger werden, so alles anstellen, will nicht in meinen alten Schädel und macht mir Angst. Aber vergessen Sie’s einfach. Obwohl: Ich habe mich schon wieder aufgeregt.

Tolle Arbeit bei den Schalke-Basketballern: Tobias Steinert

Ich komme zurück zu Ihrer Sportstadt. Keine Angst: Ich werde Sie nicht schon wieder mit einer schicken und modernen Sporthalle nerven. Zumal Gelsenkirchen die ja eigentlich auch gar nicht mehr braucht. Die Basketballer des FC Schalke 04, bei denen Tobias Steinert lange Zeit ausgezeichnete Arbeit geleistet hat und die in der 2. Bundesliga Pro A in Oberhausen nicht nur einmal mitreißenden Sport präsentiert haben, dümpeln nach ihrem Profi-Aus 2020 jetzt in der Oberliga rum. Klingt gar nicht so schlecht, aber Andree hat mir gesagt, dass das nur die sechste Klasse sei. Und? Sieben Spiele, sieben Niederlagen, Tabellenschlusslicht. Die könnten auch in einer Turnhalle in Rotthausen-Nordwest spielen, es bekäme ohnehin fast niemand mit.

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Ich weiß. Der FC Schalke 04 hat sich dazu entschieden, auf Breitensport zu setzen. Und deshalb ist in diesem Jahr ja auch die Entscheidung gefallen, die Leichtathleten, die einst Lilly Kaden sogar auf internationaler Bühne hatten, und Handballer zu Billig-Abteilungen zu machen. Glauben Sie eigentlich auch, dass dies ein richtiger und guter Weg ist? Mir hat es sehr gut gefallen, was Christopher Heming gesagt hat. Das ist übrigens der Handballer, der nach mehr als einem Jahr wieder das Schalke-Trikot angezogen und sich bei seinem ersten Spiel einen Achillessehnen-Riss zugezogen hat. Unentgeltlich. Haben Sie das Interview gelesen?

Tolle Arbeit bei den Schalke-Handballern: Sebastian Hosenfelder

Der junge Mann spricht davon, dass er die Entscheidungen des Hauptvereins nicht verstehe. Ich übrigens auch nicht. Ich zitiere mal: „Ich habe das Gefühl, dass es für uns Handballer vom FC Schalke 04 überhaupt keine Wertschätzung gibt. Wir sind lediglich geduldet. So darf man sich innerhalb eines Vereins nicht verhalten. Die 100.000 Euro Ersparnis stehen in keinem Verhältnis zu dem, was damit alles zertrümmert worden ist.“ Zertrümmert, hat er gesagt. Sie wissen, woran ich sehr alte Frau bei diesem Wort denke? Es verdeutlicht mir auf jeden Fall eindrucksvoll das Ausmaß für die Handballer.

Und falls die jetzt aus der Verbandsliga absteigen werden – in die sechste Liga, die Landesliga, aus der sie sich einst vor allem auch dank der tollen Arbeit von Sebastian Hosenfelder bis in die Oberliga hochgearbeitet hatten –, können sie sich die Turnhalle in Rotthausen-Nordwest mit ihren Basketballern teilen und dort gemeinsam mit ihren Leichtathleten die Bedingungen im Seilspringen fürs Deutsche Sportabzeichen erfüllen.

Fabian Hentschel und der FC Schalke 04 spielen seit dieser Saison im Schürenkamp nur noch Verbandsliga-Handball.
Fabian Hentschel und der FC Schalke 04 spielen seit dieser Saison im Schürenkamp nur noch Verbandsliga-Handball. © Oliver Mengedoht

Jetzt werden Sie sich wahrscheinlich wundern: Ich schreibe Ihnen auch noch etwas, das mir beim FC Schalke 04 sehr gut gefallen hat. Die U-19-Fußballer müssen in dieser Saison der A-Junioren-Bundesliga zwar spüren, dass der eine oder andere Konkurrent finanzkräftiger und deshalb auch besser ist, aber das U-17-Team begeistert bislang. Behauptet zumindest Andree. Die Mannschaft von Trainer Onur Çinel ist in der B-Junioren-Bundesliga noch ungeschlagen und hat gute Aussichten, das Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft zu erreichen. Sie hat auch schon einen Titel geholt, nämlich den NRW-Ligapokal. Und wissen Sie, warum ich mich darüber besonders gefreut habe? Weil es im Finale einen 2:1-Auswärtssieg gegen Borussia Dortmund gab. Herrlich!

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Klar: Wenn man auf ein Jahr zurückblickt, sollten Erfolge nicht fehlen. Mir fällt aber nichts ein. Ich rufe mal eben Andree an. Spontan, sagt er, falle ihm auch nichts Weiteres ein. Ich solle aber mal erwähnen, dass ein großes Projekt in diesem Jahr endgültig kaputtgegangen sei. Der Angriff der Fußballerinnen der SSV Buer auf die Bundesliga sei mit dem Rückzug aus der Bezirksliga wohl endgültig zu den Akten gelegt worden. Und einige Fußball-Männerteams seien wegen des Corona-Saisonabbruchs in ihren Klassen geblieben. Mein Handy klingelt.

Mandy Böhm feiert Debüt in der Ultimate Fighting Championship

Andree. Er hat mit einem Kollegen telefoniert. Ich soll noch erwähnen, dass Mandy Böhm im Mixed-Martial-Arts (MMA) ihr Debüt in der Ultimate Fighting Championship (UFC), der größten MMA-Organisation der Welt, gefeiert und in Las Vegas als zweite deutsche UFC-Kämpferin überhaupt gekämpft hat. Sie hat gegen die Brasilianerin Ariane Lipski verloren. Aber: eine Gelsenkirchenerin auf ganz großer internationaler Bühne! Und: Die Sons of Dart sind ohne einen einzigen Punktverlust Herbstmeister in der drittklassigen Zweiten Liga NRW geworden. Sie werden höchstwahrscheinlich aufsteigen.

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So, lieber Herr Pruin! Ich wünsche Ihnen und Ihren Liebsten ei­nen guten Rutsch und alles Gute fürs nächste Jahr. Ich bin mal gespannt, was sie bei Gelsensport als Leiter der Stabsstelle Sport- und Vereinsentwicklung so alles bewirken werden. Vielleicht mit einem tollen neuen Geschäftsführer.

Ich freue mich auf Ihre Antwort.

Ihre Emmi Hagel