Gelsenkirchen/Dubai. Donis Avdijaj will seine Karriere in Österreich wieder in Schwung bringen. Im Interview spricht er über sein Image, Kritik und seine Verwandlung.
Deutschland ist es ruhiger geworden um Donis Avdijaj. Und nach turbulenten Jahren genießt es das einstige Top-Talent des FC Schalke 04 derzeit beim TSV Hartberg in Österreichs Bundesliga fernab der ganz großen Öffentlichkeit zu spielen – auch, weil er sportlich endlich wieder überzeugen kann.
Im Interview mit der WAZ spricht der inzwischen 25 Jahre alte Offensivspieler über Fehler in der Vergangenheit, Veränderungen, sein Image und den Traum von der Rückkehr nach Deutschland.
Donis Avdijaj, Sie haben die Weihnachtstage für ein Trainingscamp in Dubai genutzt. Was sagt Ihre Familie dazu, dass Sie an Weihnachten nicht zu Besuch kommen konnten?
Donis Avdijaj: Natürlich bin ich an Weihnachten gern zu Hause und verbringe Zeit mit der Familie. In diesem Fall aber, war die Arbeit wichtiger als das Vergnügen – doch meine Familie unterstützt mich dabei.
Warum nehmen Sie in Ihrem Urlaub an einem zusätzlichen Trainingslager teil?
Avdijaj: Ich will in allen Bereichen das Bestmögliche aus mir herausholen, das ist mein großes Ziel. Bis zum 2. Januar bin ich noch in Dubai und absolviere zwei Einheiten pro Tag. Wir arbeiten viel im athletischen Bereich, haben professionelle Fitnesstrainer und auch einen Physiotherapeuten dabei.
Wie hat Ihr aktueller Klub, der TSV Hartberg, auf Ihre Idee des privaten Trainingslagers reagiert?
Avdijaj: Der Verein hat das im Blick und es ist alles abgesprochen, keine Frage. Die Verantwortlichen haben volles Vertrauen in mich und mein Umfeld und sind froh, dass ich bereit bin, die Extrameile zu gehen.
Beim TSV Hartberg spielen Sie in der österreichischen Provinz. Wie war Ihr erster Eindruck von Stadt und Verein?
Avdijaj: Schon aus meiner Zeit in Graz kenne ich mich in der Steiermark gut aus, ich wusste also, was mich erwartet. Der TSV Hartberg ist wie eine große Familie, die versucht, das Beste aus ihren Möglichkeiten zu machen – das ist wirklich bemerkenswert. Bei der Wahl meines Klubs haben mein Berater und ich im Sommer genau abgewogen, haben nicht blind den erstbesten Vertrag unterschrieben. Wir wollten ein ruhiges Umfeld und vor allem einen Klub, in dem ich regelmäßig spiele. Mit Österreich hatte ich schon zuvor gute Erfahrungen gemacht. Die Ruhe tut mir gut.
Sportlich läuft es bei Ihnen mit drei Toren und einem Assist in den ersten zehn Ligaspielen wieder besser. Was haben Sie verändert?
Avdijaj: Meine Situation war in den vergangenen zwei Jahren unglücklich. Auch deshalb habe ich in meinem persönlichen Umfeld einiges verändert und lebe nun deutlich professioneller. Es waren mehrere kleine Stellschrauben, die viel bewirkt haben. Meine Teamkollegen und auch mein neuer Berater vertrauen auf meine Qualitäten und unterstützen mich, sodass ich endlich wieder zeigen kann, dass ich das gewisse Etwas habe und auf dem Feld den Unterschied machen kann.
Auch Ihre Ernährung haben Sie umgestellt. Wie schwer fällt Ihnen die Selbstdisziplin?
Avdijaj: Ich ernähre mich zu rund 95 Prozent vegan, denn ich habe gemerkt, wie viel Einfluss die richtige Ernährung auf meine Leistungsfähigkeit hat. Das war für mich eine große Umstellung und es gibt auch immer wieder Momente, in denen es mir schwerfällt, nicht in alte Muster zu verfallen. Generell aber bin ich sehr zufrieden mit den vergangenen Monaten, denn ich merke schon jetzt, dass sich meine Disziplin auszahlt.
Obwohl Sie erst 25 Jahre alt sind, ist der TSV Hartberg schon Ihre neunte Station im Profifußball. Wie schwer war es für Sie, sich ständig in einem neuen Umfeld und sogar in neuen Ländern zurechtfinden zu müssen?
Avdijaj: Die vielen neuen Länder und Umzüge haben mich persönlich weniger gestört. Wichtig ist mir aber zu betonen, dass die vielen Stationen so nicht geplant waren. Teilweise war es ein Zusammenspiel unglücklicher Umstände. Trotzdem habe bei allen Stationen auch wichtige Erfahrungen sammeln dürfen, aus denen ich viel gelernt habe.
Bereits dreimal waren Sie für einige Wochen ohne Verein. Wie schwer waren diese Phasen für Sie?
Avdijaj: An meinem Talent habe ich nie gezweifelt. Doch es geht im Profifußball nicht nur um Können und um Talent. Auch Dinge, die man nicht immer beeinflussen kann, entscheiden manchmal. Als ich in Limassol unter Vertrag stand, wurde öffentlich, dass der Klub große Finanzprobleme hatte und einige Spieler abgeben musste – auch mich. Deshalb stand ich diesen Sommer ohne Verein da. Bei Heart of Midlothian hat die Corona-Lage 2020 dafür gesorgt, dass die Liga abgebrochen wurde. Deshalb sind wir abgestiegen und ich stand wieder ohne Verein da. Auch wegen des Saisonabbruchs habe ich über ein halbes Jahr kein Spiel gemacht, mich nur fit gehalten. Danach wieder Anschluss und einen passenden Verein zu finden, war schwer.
Gab es bei Ihnen einen Schlüsselmoment, in dem Ihnen klar wurde, dass Sie in Ihrem Leben etwas Grundlegendes verändern müssen, um im Profifußball wieder erfolgreicher zu werden?
Avdijaj: Die Erkenntnis kam mir in diesem Sommer. Als es in Limassol für mich nicht weitergegangen ist, saß ich im Wohnzimmer meiner Eltern in Osnabrück und habe meine Situation reflektiert. Ich wusste, dass ich das nötige Talent und auch den Willen habe, es im Profifußball zu schaffen – trotzdem habe ich mich nicht so entwickelt, wie ich es mir persönlich vorgestellt habe. Ich habe mich gefragt: „Was läuft bei mir falsch? Was kann ich ändern, um es dorthin zurückzuschaffen, wo ich wieder hinmöchte?“
Wie ging es dann weiter?
Avdijaj: Ich habe ein Umfeld gesucht, das täglich das Beste aus sich herausholen will – und mir dabei hilft, dasselbe zu tun. In meinem neuen Berater und seinem Team habe ich da die richtigen Menschen gefunden. Mir war klar, dass ich professioneller arbeiten will als zuvor, ein Team brauche, mit dem ich mich ständig austausche. Gemeinsam haben wir in den ersten Wochen mit viel Selbstkritik alles analysiert und realistische Ziele für meine Entwicklung festgelegt.
Hatten Sie zu Beginn Ihrer Karriere das Gefühl, zu wenig Unterstützung zu bekommen?
Avdijaj: Rückblickend habe ich mich in den ersten Jahren als Profi allein gefühlt – und das zu einem Zeitpunkt, in dem ich vom Fußballgeschäft noch keine Ahnung hatte. Ich liebe es einfach, Fußball zu spielen und habe mich in meiner Anfangszeit darauf verlassen, dass diese Leidenschaft ausreicht, um es nach oben zu schaffen. Aber das war zu naiv von mir. Letztlich ist Fußball für viele nur ein knallhartes Geschäft und ich bin dort als Teenager herumgehüpft wie Freiwild.
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Gab es Phasen, in denen Ihnen die Liebe und der Spaß am Fußball vergangen sind?
Avdijaj: Es gab Rückschlage und Enttäuschungen abseits des Rasens, die mich verletzt haben, keine Frage. Aber, wenn ich den Ball am Fuß habe, bin ich noch immer wie verzaubert. Beim Fußball auf dem Platz kann ich alles vergessen. Fußball ist der Sinn meines Lebens – und mehr als nur ein Job für mich.
Wie sehr belastet es Sie, dass Ihnen in Deutschland häufig noch das Image des Problemprofis angehaftet wird?
Avdijaj: Ich muss zugeben: Als ich jünger war, haben mich die Negativschlagzeilen schon sehr getroffen – zumal die Kritik an mir aus meiner Sicht oft überzogen war. Inzwischen aber versuche ich, die Meinung anderer auszublenden und mich nur noch auf mich selbst zu konzentrieren. Statt mich zu beschweren, will ich es meinen Kritikern auf dem Platz mit Leistung beweisen, was mir derzeit gut gelingt.
Wie schwer ist es, das Bild, das viele Fußballfans von Ihnen haben, zu verändern?
Avdijaj: Mein Fokus liegt nicht darauf, einzelnen Menschen zu gefallen. Ich muss niemandem etwas beweisen außer mir selbst und meinen Mannschaftskollegen. Ja, ich habe in der Vergangenheit auch Fehler gemacht, das will und kann ich nicht abstreiten. Trotzdem sehe ich es rückblickend sehr kritisch, wie ich als junger Mensch derart ins Kreuzfeuer der Medien genommen wurde. Doch auch daraus habe ich viel gelernt, bin reifer geworden. Mir ist klar, dass ich mein Image nur verändern kann, indem ich auf dem Platz langfristig gute Leistungen zeige. Dann sehen die Leute vielleicht nicht mehr nur meine Fehler.
Wie viel von dem Donis Avdijaj, der als Teenager bei Schalke 04 Tor-Rekorde in der Jugend aufgestellt hat, steckt noch in Ihnen?
Avdijaj: Auf dem Platz habe ich den gleichen Hunger und Ehrgeiz, wenn nicht sogar mehr. Der alte Donis hat sich nur auf sein Talent verlassen, der neue Donis kombiniert Talent mit harter Arbeit. Ich würde also sagen, dass fußballerisch der alte Donis auf dem Platz steht – nur mit eine zu 100 Prozent professionellen Einstellung.
Welche Schlagzeile würden Sie im Jahr 2022 gern über sich selbst lesen?
Avdijaj: Ich will mich weiterentwickeln und auch meine gute Bilanz, was Torbeteiligungen angeht, noch verbessern. Vielleicht gibt es dann ja bald Überschriften wie: „Donis Avdijaj ist zurück.“
Welche Ziele haben Sie für den Rest Ihrer Laufbahn noch?
Avdijaj: Kurzfristig will ich hier im Trainingslager alles geben, um dann im Verein gut in die Saison zu starten. Mittel- bis langfristig ist eines meiner großen Ziele die Rückkehr in die deutsche Bundesliga.