Essen. Kiki Heming galt nach seiner Rückkehr als Hoffnungsträger für die Handballer des FC Schalke 04. Das Comeback dauerte jedoch keine 30 Minuten.
Es ist der 2. Oktober, ein Samstag der Hoffnung für die Handballer des FC Schalke 04: Christopher Heming ist zurück. Nach mehr als einem Jahr. Aber nur für einen Tag. Oder eine knappe Halbzeit, um genau zu sein. Er befindet sich wenige Sekunden vor der Pausensirene gerade im rechten Rückraum und spielt einen Pass auf die linke Seite.
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„Ich dachte, mir läuft einer in die Hacken“, sagt er. „Dann habe ich mich umgedreht, aber da war ja keiner. Da wusste ich sofort, dass die Achillessehne durch ist.“ Und als die königsblauen Handballer ihren ersten Verbandsliga-Saisonsieg feiern, das 30:29 über den OSC Dortmund, ist Kiki Heming schon im Krankenhaus. Er ist unser Pechvogel des Jahres.
Kiki Heming wohnt mit seiner Schulliebe in Essen-Heisingen
Fast drei Monate später fällt die schwere Verletzung kaum noch auf. Krücken braucht der 28-Jährige längst nicht mehr. „Ich kann den Alltag wieder ganz normal bestreiten“, sagt Christopher Heming. Das war anders, nicht schön. „Ich hatte sechs Wochen lang einen Bewegungsradius von zehn Metern“, sagt er. Und die Frau, der er am meisten dankt, hört seine Worte gar nicht. Magdalena Thauern sitzt in der Wohnung im Essener Stadtteil Heisingen in einem Nachbarzimmer: Homeoffice.
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„Sie war immer, wenn ich meine fünf wilden Minuten hatte, ganz entspannt“, sagt er. „Sie hat mich immer unterstützt. Das tat schon gut.“ Sie ist seine Schulliebe vom Gymnasium Am Stoppenberg. „Kurz vorm Abi. Wir sind seit mehr als achteinhalb Jahren zusammen“, erzählt Kiki Heming und lacht. „Ich denke gerne an die Schulzeit. Das Beste habe ich mitgenommen.“
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Klar: Der Rückraum-Spieler und Linksaußen, der einst mit der A-Jugend von Tusem Essen im Viertelfinale um die Deutsche Meisterschaft stand und dort an den Berliner Jungfüchsen mit den heutigen Nationalspielern Paul Drux und Fabian Wiede scheiterte, hätte den Handballern des FC Schalke 04 im Kampf um den Verbandsliga-Klassenerhalt gerne mehr geholfen. „Der Plan war, dass ich jedes Heimspiel und die wichtigen Auswärtsspiele bestreite. Aber mit einmal Training die Woche sofort Vollgas zu geben, ist doch nicht so ganz gut für den Köper“, sagt er – und kann dabei inzwischen auch problemlos lachen.
Kegelverein der ehemaligen Schalker Oberliga-Handballer
Seine Bereitschaft hatte Christopher Heming in dem Moment schon signalisiert, als der Hauptverein den Geldhahn zugedreht hatte und viele Spieler gegangen waren: „Wenn sie mich brauchen, bin ich jederzeit da.“ Die Bitte im Kegelverein der ehemaligen Schalker Oberliga-Handballer kam sehr schnell. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so früh in der Saison sein wird“, sagt er. Kegelverein? „Den haben wir vor vier Jahren gegründet. Damit wir uns auch noch sehen, wenn Handball schon für alle vorbei sein wird“, antwortet Kiki Heming, der auch schon mal Elle und Speiche sowie Schien- und Wadenbein gebrochen hatte und der seit dem Riss seiner linken Achillessehne keine Schalker Handball-Partie mehr gesehen hat. „Da hätte ich ein schlechtes Gefühl“, sagt er. „Ich würde wehmütig, wenn ich die Jungs spielen sehen müsste.“
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Christopher Heming hätte diesen Jungs, das haben die knapp 30 Minuten an jenem 2. Oktober eindrucksvoll bewiesen, verdammt gutgetan. Weil er eben mit dem Handball einige Dinge mehr kann und sich auf dem Spielfeld besser auskennt als andere. Läuft alles glatt, soll Kiki Heming ein Jahr nach der Verletzung so weit sein, dass er – nur auf seinem linken Bein stehend – sein komplettes Gewicht wieder hochdrücken kann. Zum besseren Verständnis führt er das mal eben mit seinem rechten Bein vor.
Start bei der DJK Schwarz-Weiß Gelsenkirchen-Süd
Dann kann er zur neuen Saison wieder einsteigen? Eine Frage, die Christopher Heming zunächst mit einem Schmunzeln und dann mit einem „Man soll ja niemals nie sagen!“ beantwortet. „Ich weiß, dass ich dem Handball immer verbunden bleiben werde“, sagt er dann. „Ich spiele ja seit meinem dritten Lebensjahr.“ Apropos: Los ging für den Rotthauser Jungen alles bei der DJK Schwarz-Weiß Gelsenkirchen-Süd, zu der er nach seinem Abstecher zum VfB Günnigfeld und seiner Tusem-Jugendzeit auch nach deren Bezirksliga-Aufstieg zurückkehrte, um mit ehemaligen F-Jugend-Kollegen bei den Männern zusammenzuspielen und später schließlich auf Schalke zu landen. Er denke schon darüber nach, schwere Verletzungen zu vermeiden, sagt er. Er wolle in den nächsten 50 Jahren ja auch noch was haben. „Wir sind keine Profis, und es stellt sich immer die Frage, wie es sich beruflich weiterentwickelt“, betont der Betriebswirt.
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Der Job war es auch, der vor der Oberliga-Saison 2020/21 dazu führte, dass Trainer Daniel van den Boom schweren Herzens ohne seinen ehemaligen Günnigfelder Teamkollegen planen musste. Nachdem er seinen BWL-Masterstudiengang abgeschlossen und dank zweier Investoren die Möglichkeit erhalten hatte, ein eigenes Unternehmen zu gründen, „wollte ich die Chance unbedingt nutzen“, sagt Christopher Heming. Das hat funktioniert. Aber Handball ist halt auch eine Sucht, so dass nicht viele Überredungskünste notwendig waren, um Kiki Heming zur Rückkehr auf die Platte zu bewegen. Leider nur für einen Tag, leider nur für eine knappe halbe Stunde in der Schürenkamp-Halle.