Bochum. Dieses Spiel hat zwar eine kleine und durchaus explosive Vorgeschichte, aber es hat überhaupt keine Geschichte, ist noch so etwas wie ein unbeschriebenes Blatt. Es handelt sich also um eine Premiere, wenn RB Leipzig am Freitag (18.30 Uhr) den VfL Bochum empfängt.
Die Vorgeschichte ist bekannt, weil sie tagelang für heftiges Blätterrauschen gesorgt hat. Auf der einen Seite der von der Konkurrenz gefürchtete und von den Fans vehement abgelehnte so genannte „Plastikklub“ als ambitioniertes Aushängeschild eines multinationalen Unternehmens, dort die um jeden Euro ringenden Traditionalisten, für die Klinkenputzen zum mühsamen Alltag gehört. RB Leipzig hier, der VfL Bochum dort.
Dass stimmberechtigte Mitglieder beim Konzernklub RB, wie man offen sagt, unerwünscht sind und als störend empfunden werden, mögen ja noch hier und da einige andere Vereinsvertreter insgeheim ähnlich sehen, dass der 2009 erst ins Leben gerufene Klub aber mit Cleverness Regeln elegant zu umschiffen vermag, provoziert Kritik - weniger an denen, die die Bestimmungen zu ihren Gunsten auszulegen vermögen, sondern mehr an denen, die für dieses Regelwerk und seine Anpassung an eine sich verändernde Welt - auch im Sport - zuständig sind.
Das Geplänkel der letzten Tage und der intensive „Gedankenaustausch“ werden aber am Freitagabend keine Rolle mehr spielen, wenn Schiedsrichter Benjamin Brand, 25 Jahre jung, die Partie in der sächsischen Metropole anpfeifen wird.
Kürzlich, nach der 0:1-Niederlage in Nürnberg, wurde deutlich, wie wenig man Misserfolge mag in Leipzig. „Hat jemand von Euch Super-Experten gedacht, wir marschieren durch diese ausgeglichene Liga“, fragte RB-Trainer Alexander Zorniger die Leipziger Journalisten. Zornigers gereizter Ton verriet, dass genau das - der Durchmarsch in die Bundesliga - offenbar ganz oben auf der Leipziger Agenda steht. Da drücken lediglich zwei Punkte aus den letzten drei Spielen schon einmal aufs Gemüt - vor allem dann, wenn ein Klub wie Ingolstadt, seit Jahren künstlich beatmet von Audi, vorneweg marschiert.
Bochums Spielweise ist mittlerweile bekannt
An Leipziger Befindlichkeiten indes sollten die Bochumer sich nicht stören. Sie müssen vielmehr darauf reagieren, dass, je länger die Saison läuft, sich immer mehr Gegner auf die Spielweise des VfL einzurichten vermögen. Man habe gewusst, dass die Bochumer Mittelfeld-Spieler „auf den Außenpositionen früh in die Mitte ziehen“ würden, sagte beispielsweise Darmstadts Trainer Dirk Schuster nach dem 1:1 und wirkte - unabhängig vom späten Bochumer Tor - ganz zufrieden mit der von ihm verordneten Gegenmaßnahme.
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Wahrscheinlich wird deshalb der VfL in Leipzig eine andere taktische Formation bevorzugen als gewohnt - zu Lasten des dynamischen, aber häufig auch etwas unkontrolliert wirkenden Michael Gregoritsch, und zur Freude von Tobias Weis. Ein Mittelfeld mit Weis, „Toto“ Losilla und Danny Latza, davor Yusuke Tasaka und schließlich Stanislav Sestak und Simon Terodde - damit könnte man die Leipziger zu überraschen versuchen. „Wir haben Ansätze entdeckt, wo Leipzig verwundbar ist“, sagte Peter Neururer, der wieder mit Jan Simunek planen kann. Dagegen muss sich Timo Perthel noch bis zur nächsten Sachsen-Tour - nach Dresden - gedulden.