Bochum. Der Abstieg ist ganz nah für den VfL Bochum, das Team wird zerfallen, eine neue Führung muss eine neue Hierarchie formen. Wer bleibt? Der Stand.

Es passte zum unrühmlichen Heimspiel-Ende der Saison-Nachspielzeit, dass sich ausgerechnet Bernardo mit einer 0:3-Packung im Relegations-Hinspiel gegen Fortuna Düsseldorf vom VfL Bochum wohl verabschiedete. Der Brasilianer holte sich seine zehnte Gelbe Karte ab, er fehlt dem VfL am Montag (20.30 Uhr/Sky und Sat.1) in Düsseldorf, wenn nur ein Fußball-Wunder noch den Klassenerhalt bescheren kann.

Bernardo, hier im Duell mit  Düsseldorfs Christoph Daferner, zählte zumindest eine Stunde lang auch gegen die Fortuna zu Bochums erstligatauglichen Spielern.
Bernardo, hier im Duell mit Düsseldorfs Christoph Daferner, zählte zumindest eine Stunde lang auch gegen die Fortuna zu Bochums erstligatauglichen Spielern. © Joachim Bywaletz / Jan Huebner | Joachim Bywaletz

Bernardo hat als Linksverteidiger eine starke Saison hingelegt, geht als der Bundesliga-Spieler mit den meisten gewonnenen Zweikämpfen (über 500) in die Geschichte der Saison 2023/24 ein, war auch gegen Düsseldorf lange Zeit gut unterwegs. Für den 29-Jährigen könnte Maxi Wittek in Düsseldorf starten - Bernardo indes wird wohl kein Pflichtspiel mehr für Bochum bestreiten.

Bernardo: zu gut und zu teuer für die 2. Liga beim VfL Bochum

Sein Marktwert liegt laut transfermarkt.de bei rund 5,5 Millionen Euro, eine Ausstiegsklausel hat er nach Informationen dieser Redaktion auch im Abstiegsfall nicht, sein Vertrag läuft dann noch ein Jahr bis zum Sommer 2025. Es gibt kaum einen Zweifel, dass Bernardo für den VfL nicht zu halten und auch nicht zu bezahlen wäre in der 2. Liga.

Der VfL vor dem XXL-Umbruch: In etwa eine Startelf muss der Klub nun neu verpflichten, und die Zeit eilt. Die stark besetzte und dank zahlreicher Traditionsklubs wie Köln, HSV, Schalke, Hertha BSC, Hannover oder Kaiserslautern attraktive 2. Liga startet bereits in knapp zwei Monaten, vom 2. bis 4. August, in die neue Saison. Trainingsauftakt dürfte Ende Juni sein. Schalke 04 etwa legt am 24. Juni los.

Wie man aus Vereinskreisen hört, hat der Klub zwar bereits aussichtsreiche Gespräche geführt mit etlichen potenziellen neuen Spielern auch für den Abstiegsfall, bisher aber gibt es keinen Vollzug. Wie auch, die Liga stand (und steht) ja noch nicht fest, und der Schwerpunkt der Kaderplanung lag monatelang, spätestens nach dem 3:2-Sieg gegen Bayern, klar auf einer vierten Bundesliga-Saison.

Heiko Butscher konnte seine Chance als Interims-Cheftrainer beim VfL Bochum nicht nutzen. Die Nachfolge-Suche läuft.
Heiko Butscher konnte seine Chance als Interims-Cheftrainer beim VfL Bochum nicht nutzen. Die Nachfolge-Suche läuft. © Joachim Bywaletz / Jan Huebner | Joachim Bywaletz

Wie geht es weiter mit Fabian und Lettau?

Offen ist zudem, wer überhaupt die Transfers abwickeln soll: Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian, dessen Vertrag nach unseren Informationen bis Juni 2025 gilt, und Sportdirektor Marc Lettau werden höchstwahrscheinlich nach einem Abstieg den Neuaufbau nicht mehr federführend gestalten dürfen oder auch wollen. Ein neuer Manager/Sport-Chef müsste also schnell verpflichtet werden vom Präsidium, ebenso wie ein neuer Trainer. Dass der Posten des Sportdirektors neu besetzt werden würde, ist eher unwahrscheinlich.

Interimstrainer Heiko Butscher hat nach sieben Punkten aus sechs Liga-Partien nach der Trennung von Thomas Letsch und nach dem 0:3 im Relegations-Hinspiel seine Chance nicht nutzen können, soll dann wieder im Talentwerk arbeiten und die neue U23 übernehmen.

Nach Informationen dieser Redaktion gibt es zwei, drei Favoriten für das Traineramt, Namen sickerten bisher aber noch nicht durch. Mit einer zeitnahen Entscheidung ist nach dem Relegations-Rückspiel zu rechnen - ligaunabhängig.

Eine womöglich neue sportliche Führung wird dann zügig Fakten schaffen müssen - auch bei vielen Spielern ist daher aktuell unklarer denn je, ob und wie es weitergeht beim VfL. Nach jetzigem Stand dürften 15 Spieler den Klub verlassen, weil sie begehrt sind wie Kevin Stöger, weil sie zu schwach sind auch für die 2. Liga wie Moritz Römling, weil sie sportlich oder charakterlich aussortiert wurden wie Danilo Soares und Manuel Riemann, weil sie ihre Ausstiegsklausel ziehen, weil der VfL Transfereinnahmen benötigt oder weil sie in der 2. Liga schlicht zu teuer sind für den VfL Bochum.

Wer also geht, wer bleibt im Abstiegsfall? Eine Einschätzung.

Diese zwei Spieler haben bereits einen neuen Klub

Patrick Osterhage wechselt für knapp fünf Millionen Euro Ablöse zum SC Freiburg. Danilo Soares zieht es nach Vertragsende laut Bild ablösefrei zum Zweitligisten 1. FC Nürnberg.

Diese zehn Spieler dürften den Klub zudem ablösefrei verlassen

Kevin Stöger hat eine starke Saison gespielt, er wird den Klub ablösefrei verlassen.
Kevin Stöger hat eine starke Saison gespielt, er wird den Klub ablösefrei verlassen. © Ralf Ibing /firo Sportphoto | Ralf Ibing

Die Verträge folgender Spieler laufen aus: Andreas Luthe, Michael Esser (beide Tor), Kevin Stöger, Takuma Asano, Ivan Ordets (nur im Abstiegsfall), Moritz Römling, Philipp Förster, Christopher Antwi-Adjei. Zudem enden die Leihen von Keven Schlotterbeck (SC Freiburg) und Goncalo Paciencia (Celta Vigo). Antwi-Adjei würde wohl nur im Fall des Klassenerhalts bleiben. Michael Esser, in dieser Saison langzeitverletzt, hat einen Anschluss-Vertrag als Torwart-Trainer im Talentwerk.

Diese fünf bis sechs Spieler könnten trotz Vertrages gehen

Neben Bernardo könnte auch Verteidiger Erhan Masovic (Marktwert 6 Millionen Euro), der ebenfalls keine Ausstiegsklausel hat, Geld in die Kasse spülen. Sein Anspruch ist die Bundesliga oder eine adäquate Liga in Europa. In beiden Fällen könnte es schnell gehen, könnten sich die Verhandlungen aber auch bis in den August ziehen.

Einige andere Profis haben Ausstiegsklauseln im Abstiegsfall. Die festgelegten Ablösesummen sollen sich nach WAZ-Informationen überwiegend im niedrigen Millionenbereich bewegen. Ob die Profis ihre Klausel ziehen, ist offen.

Matus Bero ist wohl kein Mann für die 2. Liga

Der slowakische Nationalspieler Matus Bero dürfte den VfL entsprechend verlassen, auch dem aus Arnheim geholten gestandenen Mittelfeldmann wird die 2. Liga nicht reichen, weder sportlich noch finanziell. Bero hat einen Markt auch im Ausland.

Ob das auch für Maxi Wittek gilt, ist aktuell schwer einzuschätzen. Gut möglich, dass der Mentalitäts-Spieler auch in der 2. Liga helfen will, den Abstiegs-Schaden zu beheben. Als Typ passt er gut zum VfL.

Rückkehr von Riemann so gut wie ausgeschlossen

Eine Rückkehr von Torwart Manuel Riemann (Vertrag bis 2025) scheint ausgeschlossen zu sein, man wird wohl eine Vertragsauflösung anstreben. Riemann hatte nach vielen Aussetzern gegenüber Kollegen dem Team und auch den Klub-Verantwortlichen nach dem 1:4 in Bremen den Rücken gekehrt, wollte sein Verhalten nicht im Sinne der Geschlossenheit anpassen.

Jordi Osei-Tutu (2025) kehrt nach einer Leihe zurück, Bochum würde den Engländer wohl gerne abgeben.

Auf diese 14 Spieler kann und will Bochum wohl recht sicher setzen

Tor (2 Profis): Niclas Thiede (Vertrag bis 2027) kann nach einer Saison mit vielen Verletzungen und ohne Pflichtspieleinsatz zunächst darauf hoffen, die neue Nummer eins zu werden - einen neuen, starken Keeper muss Bochum aber noch verpflichten. Zudem kehrt Paul Grave (Vertrag bis 2025) nach einer recht erfolglosen Leihe vom Wuppertaler SV zurück. In Kombination mit der neuen Oberliga-U23 sind zudem Hugo Rölleke (19) und Zugang Niclas Lübcke (24) eingeplant.

Innenverteidigung (3 Profis): Noah Loosli (Vertrag bis 2026) und Tim Oermann (2026) könnten sich in der 2. Liga besser entfalten als in der Beletage. Hinzu kommt Talent Mohammed Tolba (2025), der nach seinem Kreuzbandriss im Aufbautraining ist. Oermann kann, wie in dieser Saison, auch hinten rechts verteidigen. Mindestens drei Neue müssten kommen.

Tim Oermann (20) könnte sich in der 2. Liga womöglich besser entwickeln als in der Bundesliga. Er ist als Innen- und Rechtsverteidiger flexibel einsetzbar.
Tim Oermann (20) könnte sich in der 2. Liga womöglich besser entwickeln als in der Bundesliga. Er ist als Innen- und Rechtsverteidiger flexibel einsetzbar. © Max Ellerbrake / firo Sportphoto | Max Ellerbrake

Außenverteidigung rechts (2 bis 3 Profis): Routinier Cristian Gamboa (2025) bleibt als Führungsspieler erhalten - zuletzt weniger auf als vielmehr neben dem Platz. Felix Passlack (2025) dürfte in der Hierarchie aufsteigen. Der Ex-Dortmunder hatte seinen VfL-Vertrag bereits im Frühling 2023 unterschrieben, als noch nicht klar war, in welcher Liga Bochum 23/24 spielt - ein klares Bekenntnis. Passlack zeigte seine kämpferischen Qualitäten, seinen Teamgeist, ließ sich in den Monaten ohne Spielpraxis nie hängen, blühte als einer der wenigen Bochumer am Ende der Saison auf. Hinzu kommt der flexibel einsetzbare Oermann - diese Position ist keine Baustelle beim VfL.

Außenverteidigung links (1 Profi): Maxi Wittek ist vorerst wohl konkurrenzlos, sofern er nicht selbst wechselt.

Mittelfeld zentral (3 Profis): Anthony Losilla (2025) geht in seine elfte und mit danach 39 Jahren mutmaßlich letzte Saison als VfL-Kapitän. Lukas Daschner (2026) könnte, so die Hoffnung, nach einer enttäuschenden Saison an seine Zweitliga-Form anknüpfen, die er zuvor beim FC St. Pauli gezeigt hatte.

News und Hintergründe zum VfL Bochum

Der hochbegabte Mats Pannewig (19/Vertrag bis 2025), der nach der Winterpause als Leihspieler beim Viertligisten SC Wiedenbrück überzeugte, könnte vom Abstieg indirekt profitieren: Dem offensiven Mittelfeldspieler ist viel zuzutrauen, wenn er gesund bleibt. In der 2. Liga hätte der ehemalige U19-Kapitän des VfL eine realistische Chance auf mehr Einsatzzeit.

Hinzu kommt Winterzugang Agon Elezi (2027), der mangels Einsatzzeit bisher kaum zu beurteilen ist. Er gilt aber als Spieler mit großem Willen und Teamfähigkeit.

Außen-Angriff (1 bis 2 Profis): Moritz Kwarteng (2027) spielte sich beim FC Magdeburg in den Fokus, er war mit 1,1 Millionen Euro Bochums teuerster Sommerzugang, fiel aber die meiste Zeit verletzt aus. Kommt er auf die Beine, könnte er ein Unterschiedspieler über die Flügel oder im offensiven Mittelfeld werden. Gerrit Holtmann (2025) kehrt nach zwei weitgehend erfolglosen Leihen zurück, seine Zukunft ist offen. Es gibt großen Handlungsbedarf.

Stoßstürmer (2 Profis): Moritz Broschinski (2026), der sprichwörtlich sein Herz auf dem Platz lässt, hat unterm Strich einen Schritt nach vorne gemacht - mit Luft nach oben. Dem 23-Jährigen ist in der 2. Liga durchaus einiges zuzutrauen.

Dass Philipp Hofmann (2026) in der 2. Liga ein Toptorjäger sein kann, hat er beim Karlsruher SC drei Jahre lang bewiesen. Ein Stürmer eines anderen, spielstärkeren Typs, der sich auch fallen lassen kann, würde dem Kader gut tun. Denkbar, dass U19-Torjäger Mohammad Mahmoud einen Profivertrag erhält, aber auch in der U23 eingesetzt wird.

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