Bochum. VfL Bochums Geschäftsführer Patrick Fabian erklärt, was er in den nächsten Spielen von der Mannschaft sehen will und spricht über Verträge.

Patrick Fabian (36), Sport-Geschäftsführer des Bundesligisten VfL Bochum, spricht im großen Interview mit dieser Redaktion über den Saisonstart, die Systemdebatte, Vertragsverlängerungen mit Spielern und Trainer, Lys Mousset und wie der VfL im Frauenfußball plant.

Herr Fabian, der VfL hat nach sieben Spielen vier Punkte, steht auf Rang 16. Wie fällt Ihre erste Zwischenbilanz aus?

Bei den Unentschieden gegen Dortmund, Augsburg und Frankfurt hätten wir zumindest ein Spiel davon auch gewinnen müssen. Patrick Fabian: Man muss es differenziert betrachten. Daher fehlen uns sicherlich zwei, drei Punkte. Wir wussten von vorneherein , dass unser Auftaktprogramm sehr schwer ist, wir von den ersten acht Partien – in Freiburg spielen wir ja noch – nur drei Heimspiele haben, dazu fünf Clubs aus den Top 7 der vergangenen Saison. Grundsätzlich gab es Leistungen, die gut und ansprechend waren, aber es gab auch Leistungen, die überhaupt nicht dem entsprochen haben, was wir uns vorstellen, was wir auch spielen können. Jetzt gilt es, diese Diskrepanz in den Leistungen zu verringern.

Sind in Gesprächen über eine Vertragsverlängerung: Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian (r.) und Trainer Thomas Letsch, hier im Trainingslager in Gais/Südtirol im Sommer.
Sind in Gesprächen über eine Vertragsverlängerung: Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian (r.) und Trainer Thomas Letsch, hier im Trainingslager in Gais/Südtirol im Sommer. © FUNKE Foto Services | Dennis Ewert/RHR-FOTO

Diese extremen Schwankungen – hier ein 0:5 in Stuttgart, 0:7 in München oder 1:3 gegen Mönchengladbach etwa, dann aber ein 1:1 gegen Dortmund oder zuletzt ein 0:0 in Leipzig - gab es in den letzten zwei Jahren auch. Es ist ein Kernziel, mit dem verstärkten Kader, mehr Konstanz hinzubekommen, zudem weniger Gegentore zu kassieren. Warum ist das bisher nicht gelungen?

Ich denke,. Wir haben gesehen, dass wir mit einer anderen Spielweise auch erfolgreich sein können. Und vor allem wurde deutlich, dass wir in unserem Spiel immer Intensität, Disziplin und Energie brauchen. Leipzig hat uns gezeigt, dass wir flexibler spielen und auch damit erfolgreich sein können.

Bochums Sport-Geschäftsführer Fabian: Philosophie des VfL ist hohe Intensität

In Leipzig agierte Bochum extrem defensiv, gegen Frankfurt etwa oder in München war ein hohes Pressing die Devise. Für welche Philosophie steht der VfL Bochum 2023 denn nun?

Unsere Philosophie muss immer die hohe Intensität sein. Und unsere Philosophie muss es zudem sein, in erster Linie gegen den Ball zu arbeiten. Wie am Ende die Ausrichtung ist, die Formation, das System, ob wir höher oder tiefer stehen, kann variieren. Das hängt auch vom Gegner ab, die unterschiedliche Qualitäten haben. Da müssen wir variabel und flexibel sein. Es wird Spiele geben, in denen wir hoch attackieren, in denen wir tief stehen oder in denen ein Mittelfeldpressing angebracht ist. Am Ende geht es aber immer darum, dass wir Stabilität und Kompaktheit auf dem Platz haben und gemeinschaftlich agieren.

dass das Spiel in Leipzig gute Erkenntnisse geliefert hat, vor allem für die Spieler selberDie Umstellung auf Dreierkette wird weiterhin heiß und kontrovers diskutiert bei den Fans….

Diese Debatte ist unbegründet. In der Vorsaison hatten wir auf dem Papier eine Viererkette, hatten aber auch die Diskrepanz in den Leistungen. Es gibt im Fußball heute keine starren Formationen mehr, dafür ist das Spiel zu dynamisch, gibt es ständig Verschiebungen, Anpassungen auf dem Feld. Ein Beispiel: Gegen Mönchengladbach hat etwa Innenverteidiger Bernardo extrem hoch geschoben, die Außenverteidiger standen tiefer, da war es dann eher eine Viererkette. Wichtig ist: Man muss analysieren, warum haben manche Spiele nicht funktioniert und andere funktioniert. Dann erkennt man schnell, dass es kein Problem einer Dreier- oder Viererkette war, sondern an der fehlenden Intensität, reaktivem Verhalten und Kompaktheit lag.

Gegen Gladbach fehlte all das im ersten Durchgang. Es gab Pfiffe, was selten war in den letzten Jahren. Zu Recht?

Zur Pause waren sie auf jeden Fall berechtigt. Das gehört dazu, dem müssen wir uns stellen, wir wollen auch kein Operettenpublikum. Die Mannschaft war zu diesem Zeitpunkt in der Bringschuld. Ich habe allerdings schon relativ am Anfang vereinzelt Pfiffe wahrgenommen. Damit war ich nicht ganz einverstanden, weil ich einfach glaube, dass das in solchen Momenten nicht förderlich ist für unsere Mannschaft. Wir werden auch in dieser Saison nur über die Gemeinschaft bestehen können. Fans, Team, Gremien, alle, die mit diesem Klub verbunden sind, müssen zusammenhalten. Ich habe von vorneherein gesagt, dass der Klassenerhalt auch in diesem Jahr in der Liga kein Spaziergang wird. Dass es nach dem 3:0 gegen Leverkusen, dem Klassenerhalt nach null Punkten aus den ersten sechs Spielen und unserem nun dritten Jahr in der Bundesliga vielleicht andere Hoffnungen und auch Erwartungen gab, ist ja verständlich. Aber wenn man es rational betrachtet, war klar, dass es erneut keine einfache Saison wird, es hier und da holprig werden kann. Und da müssen wir einfach alle die Ruhe bewahren. Die Unterstützung unserer Fans ist seit Jahren brutal gut. Und die brauchen wir auch, dann wird es für die Gegner gerade in unserem Stadion extrem schwer.

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Jetzt geht es nach Freiburg. Mit einem VfL wie in Leipzig?

In Freiburg zu spielen, ist kein Zuckerschlecken. Die Mannschaft hat eine hohe Qualität. Ich erwarte, dass wir da weitermachen, wo wir in Leipzig aufgehört haben, also konsequent und diszipliniert verteidigen. Das ist die Basis unseres Spiels, und aus dieser Position heraus müssen wir dann auch gefährlicher werden. Das heißt nicht, dass wir zwingend so tief verteidigen müssen wie in Leipzig. Wir müssen Freiburg und allgemein jeden Bundesliga-Gegner intensiv bespielen, eklig sein, immer wieder Nadelstiche setzen. Dann haben wir auch immer die Möglichkeit, Punkte zu holen.

Aber natürlich sind das Spiele gegen unmittelbare Konkurrenten, die wir auf unsere Seite ziehen wollen.Danach folgen die Duelle gegen Abstiegskonkurrenten, gegen Mainz und Köln im Ruhrstadion, zudem bei den Aufsteigern Darmstadt und Heidenheim. Ein Schlüsselmonat?

Wir werden danach nicht den Klassenerhalt feiern und umgekehrt auch nicht abgestiegen sein. Es wird aber auch in diesen Spielen darum gehen, diszipliniert und mit hoher Intensität zu agieren. Wer glaubt, dass wir nach Darmstadt oder Heidenheim fahren und dann mal eben die Punkte mitnehmen, der ist auf dem Holzweg. Uns hatte in den letzten zwei Jahren im Prinzip niemand auf der Rechnung, und wir haben es auch zweimal geschafft. Bei aller Ambition, die wir als Klub auch haben, gilt es gleichzeitig immer, die Demut zu bewahren. Wir sind überzeugt davon, dass wir die Qualität haben, diese Spiele zu gewinnen. Es wird ein interessanter Monat.

Fabian: Darum ist Riemann beim VfL Bochum in dieser Saison so stark ist

Einer, der nach einer Vorsaison des Auf und Ab mit vielen Schlagzeilen bisher konstant stark war, ist Torwart Manuel Riemann. In Leipzig überragte er. Wie erklären Sie seine wieder gefundene Stabilität?

Manu ist jemand, der polarisiert, der aber einfach unglaublich wichtig ist für unsere Mannschaft auf dem Platz und darüber hinaus. Solche Typen brauchst du in einer Gruppe. Es gab viele Themen in der Vorsaison um das rein Sportliche herum. Er hat klar kommuniziert, dass er sich noch mehr auf das rein Sportliche fokussieren und beschränken will, deshalb wollte er auch nicht mehr zum Mannschaftsrat gehören. Was nicht heißt, dass er nicht mehr coachen will, im Gegenteil. Das gehört zu seiner Führungsrolle, für die braucht er kein Amt oder eine Kapitänsbinde. In Leipzig zu null gespielt zu haben nach 19 Gegentoren vorher, tut ihm auch nochmal richtig gut. Das wird ihm hoffentlich einen weiteren Schub geben für die kommenden Wochen. Wir brauchen ihn in Topform.

Ist er als Elfmeterkiller einer für die Nationalmannschaft, wie es Didi Hamann ins Spiel brachte?

Er ist ein sehr guter Torwart, aber in Deutschland haben wir viele gute Keeper. Wenn irgendwann mal ein Elfmeterkiller gesucht wird, dann sollte man auf jeden Fall über ihn nachdenken. In Bochum würden wir uns freuen.

Das denkt Fabian über das Fehlen von Matus Bero

Matus Bero überzeugte als bisher stärkster Zugang, gegen Gladbach hat er sich einen Innenbandteilriss im Knie zugezogen. Denkt der VfL bereits über Verstärkungen im Winter nach?

Matus Bero wird sicherlich bis zur Winterpause fehlen, das ist bitter. Aber wir haben gute Jungs, die den Ausfall kompensieren werden. Wir sind mit unserem Kader zufrieden, haben genug Qualität. Unabhängig davon dürfen wir uns aber vor nichts verschließen. Es wird sicherlich Ideen geben in beide Richtungen. Wir haben einen breiten Kader, es wird den einen oder anderen geben, der nicht zufrieden ist. Dann müssen wir gemeinsam sehen, was Sinn macht.

Jordi Osei-Tutu, Moritz Römling waren ja im Sommer schon Wechsel-Kandidaten. Auch Tim Oermann, der sich im August verletzt hatte, dem der VfL perspektivisch ja noch viel zutraut.

Eine Leihe könnte im Winter sicherlich wieder ein Thema werden für Tim. Wir hoffen erstmal, dass er nun verletzungsfrei bleibt. Anfang Dezember wird insgesamt das Bild sicherlich noch etwas klarer sein. Wir werden vorbereitet sein.

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Hat Trainer Thomas Letsch bis Dezember seinen nach der Saison auslaufenden Vertrag verlängert?

Das weiß ich nicht, da gehören ja zwei Parteien dazu. Wir sind im guten Austausch, in Gesprächen. Da lassen wir uns gemeinsam auch gar nicht treiben. Wir haben immer wieder gesagt, dass wir mit der Arbeit von Thomas Letsch als Trainer und mit ihm als Typ und Menschen sehr zufrieden sind.

Gibt es einen konkreten Zeitplan, wann eine Entscheidung fallen sollte?

Nein.

So ist der Stand bei den auslaufenden Verträgen beim VfL Bochum

Von den Spielern haben Philipp Hofmann und Erhan Masovic ihre Verträge in dieser Saison bereits vorzeitig verlängert. Acht weitere Kontrakte laufen aus. Wie ist etwa der Stand bei bei Cristian Gamboa?

Er ist sehr wichtig für unsere Mannschaft. Nicht nur als Fußballspieler, sondern auch als Mensch, als Führungsfigur, auch in der Kabine. Er hat eine hohe Identifikation mit dem Klub. Die Gespräche über eine Verlängerung laufen.

Und bei Danilo Soares, auch einem der wenigen Aufstiegsspieler, die noch beim VfL sind?

Wir haben ein Gespräch geführt uns ausgetauscht, den Status Quo beider Seiten diskutiert. Wir sind jetzt so verblieben, dass wir die weitere Entwicklung erst einmal abwarten. Das gilt auch für andere Spieler.

Für Lys Mousset sicherlich nicht. Er wurde im Januar vom Training freigestellt, dann verliehen nach Nijmes. Er ist seit Sommer verletzt (Achillessehnenriss), der VfL muss daher sein Gehalt derzeit nicht zahlen. Sein Vertrag läuft noch bis zum Sommer 2024. Wie geht der VfL mit ihm um, wenn er wieder gesund ist?

Wir wissen nicht, wie lange die Rehabilitationszeit noch dauern wird, ob er etwa im Dezember, Januar, Februar wieder gesund ist. Die sportliche Einschätzung hat sich aber nicht geändert, er wird hier sportlich keine Rolle mehr spielen. Wir werden versuchen, eine Lösung zu finden, die für alle Seiten die Beste ist, um das Kapitel endgültig zu beenden.

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Frauenfußball: Leichtathletik-Platz als Heimspielort Favorit auch bei einem Aufstieg

Freude machen die Fußballerinnen des VfL. Sieben Siege aus sieben Partien, 33:2 Tore, Platz eins. Plant der VfL schon für die 2. Liga?

Wir verfolgen sportlich die höchsten Ziele, das ist die Bundesliga. Ein erster Schritt dahin wäre jetzt der Aufstieg in die 2. Liga. Aber der Meister der Regionalliga West steigt ja leider nicht direkt auf, sondern muss sich in der Relegation mit Hin- und Rückspiel gegen den Meister der Regionalliga Südwest durchsetzen. Insofern ist es noch ein langer, schwieriger Weg. Wir sind aber überzeugt davon, dass unser Frauenteam mit Trainerin Kyra Malinowski den Aufstieg schaffen kann. Darauf bereiten wir uns bereits vor, denn das hätte ja auch weitere strukturelle Herausforderungen.

Zum Beispiel, wo die Frauen dann ihre Heimspiele bestreiten. Wie ist der Stand?

Stand jetzt würden wir den Leichtathletik-Platz am Stadion, wo sie ja bisher auch spielen, bevorzugen. Wir befinden uns bereits im Austausch mit der Stadt, der Eigentümerin des Platzes. Es müsste dann Anpassungen geben, zum Beispiel bei den Sicherheitsstandards. Wir haben bereits in der Vergangenheit Highlight-Spiele im Ruhrstadion ausgetragen, auch das gilt es zu diskutieren. Wir bereiten uns im Hintergrund auf alles vor und werden nicht überrascht sein, sollten aber immer den ersten Schritt vor dem zweiten machen.