Düsseldorf. Politikwissenschaftler Marschall erklärt den Trend junger Menschen zur AfD. Warum Zweitwähler so selten wählen – und wie sich das ändern lässt.

Was bewegt junge Menschen kurz vor der Bundestagswahl 2025? Welcher Partei werden sie wohl ihre Stimme geben? Und werden sie überhaupt wählen gehen? Warum die Wahl bei Jungwählerinnen und Jungwählern häufig unberechenbar ist, erklärt Stefan Marschall, Professor für Politikwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, im Gespräch mit Laura Lindemann.

Bei der vergangenen Bundestagswahl haben viele junge Menschen die Grünen und die FDP gewählt. Jetzt entscheiden sie sich Umfragen zufolge immer öfter für die AfD?

Bereits bei der Europawahl haben viele junge Menschen die AfD gewählt. Wir können davon ausgehen, dass sich der Trend vermutlich so fortsetzen wird. Mittlerweile ist Migration auch für viele junge Menschen ein zentrales Thema, welches sie zum Teil mit Ängsten verbinden. Und dann wählen sie Parteien wie die AfD, die klare und einfache Antworten haben. Klimathemen etwa stehen nun nicht mehr so im Mittelpunkt. Allerdings sind gerade Jungwählerinnen und Jungwähler oft unberechenbar.

Portraitaufnahme vom Politikwissenschaftler  Prof. Stefan Marschall
Prof. Stefan Marschall ist Professor für Politikwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf mit dem Schwerpunkt „Politisches System Deutschlands“. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Inwiefern?

Dadurch, dass junge Menschen noch nicht so häufig gewählt haben, fehlt vielen die Bindung an eine bestimmte Partei. Da ist mehr Bewegung von Wahl zu Wahl. Hier kommt es auch drauf an, wie gut die Kampagnen der Parteien laufen, wie präsent sie in den sozialen Medien sind. Und die Botschaft ist wichtig: In der Corona-Zeit haben etwa viele die FDP gewählt, weil sie den Freiheitsgedanken stark betont hat. Gerade junge Menschen haben sich in dieser Zeit oft eingeschränkt gefühlt. Aber natürlich sprechen wir hier von einer heterogenen Gruppe, es gibt immer noch viele, die zum Beispiel der Klimabewegung anhängen. Einige probieren sich auch aus und entscheiden sich für Kleinstparteien wie Volt oder die Partei.

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Wie hoch ist insgesamt ihre Wahlbereitschaft?

Die Wahlbeteiligung bei Erstwählerinnen und Erstwählern liegt unter dem Durchschnitt. Die niedrigste Wahlbeteiligung haben wir jedoch bei den Zweitwählern, üblicherweise bei der Altersgruppe 20 bis 24 Jahren. Das ist problematisch, denn die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass wenn man diese Gruppe einmal verloren hat, sie auch später nicht mehr wählen geht.

Warum wählen so wenig junge Menschen ein zweites Mal?

Die erste Wahl ist für viele noch neu und aufregend. Das nimmt beim zweiten Mal schon ab. Außerdem sind Themen rund um die Wahl in der Altersgruppe der Erstwähler meist noch in einen schulischen Kontext eingebettet. Danach ist man auf sich gestellt. Junge Menschen haben zudem häufig den Eindruck, dass die Politik sowieso nicht in ihrem Sinne handelt. So denken viele, dass es für sie keinen Unterschied macht, wer letztlich regiert.

Was kann man dagegen tun?

Wenn wir ein Wahlrecht ab 16 Jahren bei allen Wahlen einführen würden, könnte man die jungen Menschen noch früher begleiten und ihnen vermitteln, warum es wichtig ist, wählen zu gehen. Und die Politik muss andere, geeignetere Kommunikationskanäle finden, über die sie Jungwählerinnen und Jungwähler erreicht. Die richtige Ansprache in den sozialen Medien ist hier etwa entscheidend.

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