Dortmund. Hohe Mieten, schlechte Bedingungen: Junge Menschen in NRW suchen bezahlbaren Wohnraum. Besonders betroffen: internationale Studierende wie Mehdi.

Elf Quadratmeter, ohne fest installierte Heizung: Mehdis Zimmer im Dortmunder Norden ist spärlich und doch ist er erleichtert, es gefunden zu haben. Der 30-jährige Iraner kam im Frühling für sein Film-Masterstudium in das Ruhrgebiet. Bald startet er in sein zweites Semester. Das letzte halbe Jahr hat er in einer Unterkunft in Dortmund-Hombruch gewohnt – für 350 Euro ohne Küche. Ein bezahlbares Zimmer zu finden, war schwieriger als er erwartet hat. Damit ist er nicht allein. Die Mieten steigen, und günstiger Wohnraum wird immer knapper. Besonders Studierende wie Mehdi bekommen das zu spüren.

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Bereits im Iran sucht Mehdi wochenlang nach einer Wohnung in Dortmund – erfolglos. „Ich habe nur Absagen bekommen oder gar keine Antwort“, erzählt er. Mit jedem Tag wird die Hoffnung, rechtzeitig ein Zimmer zu finden, kleiner, während der Abflug immer näher rückt. Von der Wohnungsnot in Deutschland hat der Student bereits gehört und sich darauf eingestellt, länger suchen zu müssen. Entsprechend niedrig sind seine Ansprüche. „Ich wollte einfach irgendwo übernachten.“

Wohnungsnot in NRW: Student fliegt ohne Unterkunft nach Deutschland

Ende März fliegt er nach Deutschland, ohne eine Unterkunft zu haben. Da er in Dortmund niemanden kennt, ist seine erste Anlaufstelle München. Dort schläft er bei einem Freund. Mehdis Hoffnung: Vor Ort wird die Wohnungssuche einfacher. Während er sich an die neuen Eindrücke, Gerüche und Menschen gewöhnt, sucht er parallel weiter nach einem Zimmer. Doch auch in Deutschland kassiert er Absagen.

Die Wohnheimplätze in NRW decken den Bedarf nicht. Gleichzeitig steigen auf dem privaten Wohnungsmarkt die Mieten und Studierende konkurrieren zunehmend mit anderen Gruppen.
Die Wohnheimplätze in NRW decken den Bedarf nicht. Gleichzeitig steigen auf dem privaten Wohnungsmarkt die Mieten und Studierende konkurrieren zunehmend mit anderen Gruppen. © Istock

Als er sich in einen Fernbus nach NRW setzt, bleiben ihm zwei Möglichkeiten: Ein Zimmer in Dortmund-Hombruch, zwölf Quadratmeter, ohne Küche, ohne WLAN, Abwaschen im Bad oder eine teure Wohnung für 900 Euro. Die kann er sich nicht leisten. Die Zeit wird knapp. Das Studium soll bald beginnen. Er überlegt, sich bei einem Studierendenwohnheim zu bewerben, doch die langen Wartezeiten von sechs Monaten schrecken ihn ab. „Ich war enttäuscht.“ Als er am Dortmunder Hauptbahnhof aussteigt, ruft er die Vermieterin in Hombruch an. „Meine einzige Option.“ Nicht optimal, doch für ihn eine Notlösung.

Mit seinem Vormieter soll er alles Weitere besprechen. „Komm nicht hierher, renn“, will Mehdi am Telefon gehört haben. Ein Alarmsignal, doch die Verzweiflung des 30-Jährigen überwiegt: „Ich habe Glück gehabt, dass ich was gefunden habe. Viele übernachten für einen Monat in einem Hotel, was zu viel kostet.“

„Ich habe Glück gehabt, dass ich was gefunden habe. Viele übernachten für einen Monat in einem Hotel, was zu viel kostet.“

Mehdi K. (30), Filmstudent in Dortmund

Vier Stunden wartet der Student vor dem Haus auf die Schlüsselübergabe. Der erste Eindruck von dem zwölf Quadratmeter kleinen Zimmer ist ernüchternd: Der Schrank zerfällt, der Stuhl wackelt, die Kochnische besteht aus einem Tisch mit Klapp-Kochplatte. Neben dem Badezimmer gibt es zwei weitere Zimmer, die verschlossen sind. „Meine Tochter sammelt viel von der Straße und räumt es in das Zimmer“, soll die Mutter der Vermieterin zu Mehdi gesagt haben. Trotz eines mulmigen Gefühls sagt er zu: „Ich habe schon unter schlechteren Bedingungen gelebt.“ Er zahlt die Miete und Kaution bar – die Schlüsselübergabe erfolgt durch die Nachbarin der Vermieterin, die im Ausland ist. Als er einen 200-Euro-Schein herausholt, ist die Nachbarin misstrauisch. „Sie dachte, dass ich sie veräppele.“

NRW: Student trägt zwei Monate 11.000 Euro in bar bei sich

In den folgenden Monaten ist die Bürokratie Mehdis größte Herausforderung: Anmeldungen, Behördengänge, die Eröffnung eines Bankkontos. „Es gab viel zu erledigen.“ Zwei Monate wartet er auf einen Termin bei der Ausländerbehörde. Die Voraussetzung, um zu arbeiten und ein Bankkonto zu eröffnen. „Ohne Anmeldung existiert man quasi nicht.“ Solange trägt er 11.000 Euro in bar bei sich – das Geld, das er bei der Einreise vorweisen musste. Einen Großteil davon schmuggelte er illegal aus dem Iran, versteckt zwischen Buchseiten.

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Mit der Anmeldung kommt auch die Arbeitserlaubnis. Mehdi findet einen Job bei einer Leiharbeitsfirma, arbeitet abends in Bochum in der Essensvorbereitung für Krankenhäuser und studiert tagsüber. Während er sich bemüht, sich in Deutschland einzuleben, wird die Situation in seiner Unterkunft immer unangenehmer: Seine Vermieterin betritt sein Zimmer unangekündigt, auch ihre Mutter kommt regelmäßig vorbei, „um die Situation zu überprüfen.“ Mehdi fühlt sich unwohl, bleibt aber, aus Angst, das Zimmer zu verlieren. „Ich kannte meine Rechte nicht“, sagt er.

Dann die nächste Hiobsbotschaft: Eine E-Mail informiert ihn über eine Mieterhöhung um 100 Euro. „Wenn du einverstanden bist, kannst du bleiben, ansonsten suche ich jemand anderen.“ Das ist für Mehdi der Wendepunkt. Er schreibt eine Nachricht in seine Masterstudiums-Gruppe: „Ich brauche eure Hilfe. Diese Frau nutzt mich aus.“ Über einen Kommilitonen findet er schließlich ein neues Zimmer in der Dortmunder Nordstadt. „Jetzt wohne ich wie ein richtiger Mensch“, sagt Mehdi erleichtert. 260 Euro zahlt er für seine elf Quadratmeter ohne Heizung. Und trotzdem kann er sagen: „Meine Lebensqualität ist deutlich besser.“

„Die Wohnsituation in Deutschland hat ihn traumatisiert. Er sagt oft, er habe sein Lächeln verloren.“

Mehdi K. (30), Filmstudent in Dortmund

Mehdi ist mit dieser Erfahrung nicht allein. „Ich kenne viele solcher Geschichten“, sagt er. Ein Freund habe monatelang in einem Lager von Rewe geschlafen, ohne eigenen Schlüssel. „Die Wohnsituation in Deutschland hat ihn traumatisiert. Er sagt oft, er habe sein Lächeln verloren.“

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