Ruhrgebiet. Derzeit werden kaum Wohnungen gebaut. Die Folge: steigende Mieten. Wird sich das wieder ändern? Das sagt die Wohnungswirtschaft.

Eine bezahlbare Wohnung zu finden, wird immer schwieriger. Nicht nur gefühlt, auch messbar, bestätigt Alexander Rychter. Er ist Chef des Verbandes der sozial orientierten Wohnungswirtschaft (VdW) Rheinland Westfalen. Hauptgrund: die Krise der Bauwirtschaft. Hauptleidtragende: Familien aus der Mittelschicht.

Die Mieten sind gestiegen, nicht nur in den vermeintlich besseren Vierteln. Können Sie das bestätigen?

Rychter: Ja. Auch im Ruhrgebiet merken wir, dass die Leute in der jetzigen Situation deutlich weniger umziehen – selbst wenn das erste Kind geboren wird, wenn der Arbeitsplatz wechselt oder man eine Partnerschaft eingeht. Es gibt nur ein eingeschränktes Angebot an Mietwohnungen und das ist teurer. Wir beobachten auch, dass die Leerstände sinken, nicht nur in der Emscherzone. Vor drei Jahren noch hätte ich den Wohnungsmarkt im nördlichen Ruhrgebiet als vergleichsweise entspannt und aufnahmefähig beschrieben. Das ist nicht mehr so.

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Woran liegt‘s?

Mehr als zwei Drittel unserer Mitgliedsunternehmen haben den Neubau eingestellt oder massiv zurückgefahren, darunter sind viele Genossenschaften, kommunale Gesellschaften und Stiftungen, also diejenigen, die traditionell für bezahlbare Wohnungen sorgen. Wenn diese Gruppe erklärt, sie können nicht mehr bauen, hinterlässt das Schleifspuren auf dem Wohnungsmarkt. Frei finanzierter, also nicht geförderter Wohnungsbau, findet kaum noch statt. Bei den Kosten muss man für Neubauprojekte Mieten zwischen 16 und 20 Euro pro Quadratmeter verlangen, das geht im Ruhrgebiet nur in kleinen Bereichen, vielleicht mit Blick auf den Baldeneysee. Diesen Stopp werden wir in den nächsten Jahren verstärkt spüren.

Alexander Rychter ist Chef des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft für das Rheinland und Westfalen.
Alexander Rychter ist Chef des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft für das Rheinland und Westfalen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Welche Rolle spielt der Zuzug, speziell aus der Ukraine?

Auch Menschen, die in dieses Land migrieren, fragen Wohnungen nach. Das muss auch so sein, damit sie gut integriert werden. Dazu gehört auch eine eigene, feste Wohnung, kein Provisorium. Aber wenn wir in den nächsten Jahren knapper werdende Märkte und steigende Mieten haben, geschieht das nicht wegen des Zuzugs, sondern weil wir eine Baukrise auf der einen Seite und einen hohen Bedarf an bezahlbaren Wohnungen auf der anderen Seite haben.

Welche Gruppen trifft die Wohnungskrise am härtesten?

Menschen, deren Einkommen sich gerade oberhalb der Wohnberechtigungssituation befinden, sind am stärksten betroffen. Also der ganz normale Mittelstand. Aber auch Menschen mit Berechtigung: Das können an die 50 Prozent einer Stadtgesellschaft sein. Und für diese beiden Gruppen steht einfach nicht genug Wohnraum zur Verfügung. Auch altengerechte und barrierefreie Wohnungen und solche für betreutes oder gemeinschaftliches Wohnen sind knapp. Grundsätzlich ist es auch für Familien mit mehreren Kindern schwierig, passende und vor allem bezahlbare Wohnungen zu finden – allein schon wegen der benötigten Größe oder Zimmerzahl. Bei der Miethöhe nur noch auf eine bezahlbare Kaltmiete zu schauen, reicht auch nicht. Von den Heizkosten über die Müllgebühren ist alles gestiegen und gerade die Städte im Ruhrgebiet haben die höchsten Grundsteuerhebesätze eingesetzt.

Ist Kaufen noch eine Option?

Auch die Zahl der Hypothekenkredite ist massiv eingebrochen. Wenn nicht von vornherein Vermögen da ist, ist es für viele jüngere Menschen schwieriger geworden, Wohneigentum zu bilden. Sie leben dann länger oder grundsätzlich in einer Mietwohnung, sie wird dann nicht wie bisher frei. Es gibt also einen Verstopfungseffekt, der das Angebot an bezahlbaren Mietwohnungen auch noch verringert.

Haben sie Tipps für Familien?

Familien haben es auf diesem engen Wohnungsmarkt derzeit wirklich besonders schwer. Große Wohnungen sind noch weniger als andere Wohnungstypen verfügbar. Einen Tipp zu geben, wäre unseriös. Wenn eine Wohnung nicht da ist, ist sie nicht da. Am Ende kann die Lösung nur darin bestehen, das Angebot auszuweiten. Aber das hilft auch erst mittel- und langfristig – und niemandem, der heute eine Wohnung sucht.

Was kann die Politik tun, um die Lage zu entspannen?

In NRW sieht es im Vergleich zu anderen Bundesländern noch gut aus. 40 Prozent des sozialen Wohnungsbaus in Deutschland stehen bei uns. Und das Land baut weiterhin auf einem höheren Niveau als andere Bundesländer. Es stellt dafür immerhin 1,7 Milliarden in diesem Jahr zur Verfügung. Wer die Hausaufgaben nicht macht, ist der Bund. Zuletzt stellte er zwar eine Milliarde extra für den Neubau energieeffizienter und bezahlbarer Wohnungen zur Verfügung, aber wir brauchen einen generellen bundespolitischen Impuls. Helfen könnte beispielsweise ein Sonderprogramm über die Kreditanstalt für Wiederaufbau mit einem reduzierten Zinssatz, um die frei finanzierten Baukosten wieder herunterzudrücken auf ein Niveau von vielleicht zehn bis zwölf Euro. Die Bundesregierung ist gefordert, sich ernstlich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.