Dortmund. 35 Jahre im Büro, dann zog Dortmunderin (55) „die Reißleine“. Warum sie Verständnis dafür hat, dass Unternehmen lieber Jüngere einstellen.

Menschen ab 50 Jahren haben es schwer auf dem Arbeitsmarkt – trotz Fachkräftemangels. Lesen Sie hier ihre Geschichten.

Heike, 55, gelernte Industriekauffrau, 35 Jahre lang bei einem Autohaus in Dortmund beschäftigt

„Nach dem Fachabitur 1988 bin ich meinem Ausbildungsunternehmen immer gerne treu geblieben, über lange Jahre in Teilzeit. In den vergangenen fünf oder sechs Jahren hat sich allerdings viel verändert: immer mehr Arbeit, mit immer weniger Personal. Zudem ist die Kundschaft im Umgang schwieriger geworden. Fordernd, ungeduldig, aggressiv auch, mit wenig Verständnis füreinander. Warum das so ist, weiß ich nicht, ich möchte das nicht alles Corona zuschreiben.

Im Frühjahr habe ich selbst die Reißleine gezogen. Ich habe gekündigt. Zuvor habe ich lange überlegt: Will ich so weitermachen, kann ich das? Aber mir wurde klar, es geht nicht mehr. Es muss etwas passieren, bevor ich krank werde. Natürlich wurde ich für das Arbeitslosengeld zunächst gesperrt.

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Arbeitsumfeld zu Zeiten von Heikes Ausbildung. Derzeit macht sie Kurse am PC, bildet sich weiter.  © IMAGO | IMAGO

Bewerbungen viele Jahre lang nicht mehr gebraucht

Eigentlich wollte ich in der Firma meines Mannes mitarbeiten, aber die wirtschaftliche Lage ist nicht so. Ich habe eine dreimonatige Schulung bekommen, Powerpoint, Word, Excel, ich kann nicht nur die Systeme, die ich damals gelernt habe. Auch ein Bewerbungscoaching habe ich gemacht, das war sehr effektiv. Ich habe das ja so viele Jahre nicht mehr gebraucht. Früher machte man dafür eine Mappe, heute geht das online mit ein paar Klicks. Das ist einfacher.

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Inzwischen habe ich mich auf einige Stellen beworben. Die Resonanzen waren eher mau. Manchmal gibt es gar keine. Ein persönliches Vorstellungsgespräch hatte ich noch nicht. Ob das am Alter liegt? Sagen tut das keiner. Aber die Konkurrenz junger Leute ist natürlich groß. Ich könnte es nachvollziehen, wenn jemand Jüngeres eingestellt würde. Man muss das fairerweise sagen: Mit 25 hat man noch ein ganzes Arbeitsleben vor sich.

„Ich will kein Job-Hopping“, lieber noch zehn Jahre bleiben

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Die Schreibmaschine ist out, aber Heike kann längst auch mit modernen Computerprogrammen umgehen. © IMAGO | IMAGO

Die Unternehmen lehnen mich nicht rundweg ab, aber es muss für beide passen. Ich möchte auf jeden Fall wieder ins Büro. Es muss nicht unbedingt mit Kundenkontakt sein, stupides Daten-Reinhauen wünsche ich mir aber auch nicht. Es ist eine Gratwanderung, das ist mir klar.

Aber ich will kein Job-Hopping, ich möchte etwas machen, was ich noch zehn Jahre machen kann. Was das ist, ist mir also nicht egal. Wenn man wieder unzufrieden ist, bringt es ja auch nichts. Ich fühle mich noch nicht unter Druck, einen neuen Job zu finden. Noch nicht.“ *Name geändert