Berlin. Klagen Arbeitnehmer über schlechtes Firmenklima, fehlen sie häufiger. AOK-Experten fordern eine neue Führungskultur in Unternehmen.

  • Jeder vierte bescheinigt seinem Arbeitgeber schlechtes Klima am Arbeitsplatz
  • Daraus resultierender Job-Frust führt zu mehr Krankmeldungen
  • Jüngere Mitarbeiter sind eher unzufrieden mit Situation als ältere

Gute Chefs haben gesunde Mitarbeiter. Beschäftigte, die fit sind, leisten mehr und fühlen sich dem Unternehmen verbunden. Diese simplen Leitsätze werden in vielen Firmen in Deutschland offenbar nicht eingehalten. Laut einer Studie des wissenschaftlichen Instituts der Krankenkasse AOK klagt jeder Vierte, der seinem Arbeitgeber eine schlechte Stimmung bescheinigt, über gesundheitliche Beschwerden. Bei den Beschäftigten, die ihr Unternehmen positiv sehen, ist es nur jeder Zehnte.

Helmut Schröder, Mitherausgeber des „Fehlzeiten-Reports“, spricht von der DNA einer Firma, den Werten, Normen, Grundhaltungen, die von der Führungsetage vorgelebt werden. Vor allem die Loyalität des Arbeitgebers ist der Belegschaft wichtig. Knapp 78 Prozent der Befragten wünschen sich, dass das Unternehmen hinter seinen Mitarbeitern steht. Doch nur etwa 54 Prozent erleben dies im Joballtag. Ähnlich sieht es beim Thema Anerkennung aus. Knapp 70 Prozent wünschen sich, für gute Arbeit gelobt zu werden. Im Job spürt tatsächlich nur rund die Hälfte der Befragten ausreichend Anerkennung. „Wunsch und Wirklichkeit driften auseinander“, sagt Schröder.

Jüngere Mitarbeiter sind eher unzufrieden

Mit der Unzufriedenheit steigt die Zahl der Fehltage. Wo die Stimmung schlecht ist, häufen sich psychische wie physische Beschwerden. Die Folge sind Rücken- und Gelenkschmerzen, Kopfweh und Herz-Kreislauf-Krankheiten. Genauso häufig fühlen sich die Beschäftigten erschöpft und ausgebrannt, sind nervös, gereizt und schlafen schlecht.

Für die Erhebung zur Unternehmenskultur hat die AOK rund 2.000 Beschäftigte befragt. Im Durchschnitt arbeiten Beschäftigte in Deutschland rund zehn Jahre für einen Arbeitgeber. Männern ist die Haltung der Chefetage tendenziell wichtiger als Frauen, heißt es. Jüngere Mitarbeiter sind eher unzufrieden. Auch Beschäftigte mit befristeten Arbeitsverhältnissen, Leiharbeiter und ungelernte Angestellte leiden verstärkt unter der schlechten Stimmung.

Krankenstand leicht höher als im Vorjahr

Generell belegt die Studie, dass der Krankenstand im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen ist. Beschäftigte haben im Durchschnitt rund 19,5 Tage im Job gefehlt. Besonders Erkältungen haben Mitarbeiter 2015 dazu gezwungen, zu Hause zu bleiben. Hinzu kommt: Psychische Erkrankungen nehmen zu. Jeder zehnte Fehltag geht laut Report auf diese Erkrankungsart zurück. Seit 2004 ist dies eine Steigerung von weit mehr als 70 Prozent. Wer ausgebrannt ist und nicht arbeiten kann, fehlt im Schnitt mehr als 25 Tage.

Für den Gesundheitswissenschaftler Bernhard Badura sind die Ergebnisse des Reports eine Warnung. Stress im Job sei nicht der entscheidende Punkt, sondern die emotionale Unternehmensbindung, sagt Badura von der Universität Bielefeld. „Wenn Mitarbeiter ihre Arbeit als sinnhaft empfinden, wollen sie auch Überstunden leisten.“ Die Führungsetage müsse sich besonders um die psychische Gesundheit der Belegschaft kümmern. Der Wissenschaftler spricht von einer „Kopfarbeitergesellschaft“, in der hochqualifizierte Beschäftige ihre Arbeit immer häufiger selbst bestimmen.

Viele Chefs setzen immer noch auf Kontrolle

Der Trend von der klassischen Führungskultur hin zu einer Kultur, die auf Vertrauen setzt, sei in den Firmen noch nicht angekommen, sagt Badura. „Menschen brauchen Werte, die sich nicht nur in Geld ausdrücken.“ Viele Chef setzen aber nach wie vor auf Kontrolle anstatt darauf, Mitarbeiter zu fördern. Dies führe zu hohen zusätzlichen Personalkosten, die eigentlich vermeidbar wären. Dabei müssten Unternehmen angesichts des Fachkräftemangels stärker denn je um gutes Personal werben.