Essen. Neun Millionen Frauen sind in den Wechseljahren, viele kämpfen mit Symptomen. Für Firmen gibt es gute Gründe darauf einzugehen.

Die Frage kam eher am Rande des Gesprächs auf. Ob es im Betrieb nicht auch mal ein Angebot zu den Wechseljahren geben könne, fragte die Arbeitskollegin. „Ich gebe zu, ich hatte das Thema anfangs auch nicht auf dem Schirm“, sagt Anne Goltz rundheraus. „Aber wenn man nur einen Moment darüber nachdenkt, ist es vollkommen logisch, dass sich auch Arbeitgeber mit den Wechseljahren beschäftigen sollten.“

Goltz ist zuständig für das Betriebliche Gesundheitsmanagement des Jobcenters Bochum und kümmert sich um Angebote zur Aufklärung und Förderung der Belegschaft. Zwei Drittel der Jobcenter-Beschäftigten sind weiblich – und damit über kurz oder lang von den Wechseljahrenbetroffen. „Frauen beschäftigten sich in diesem Alter ganz anders mit ihrer Gesundheit. Der Informationsbedarf zu den Wechseljahren ist groß, aber das Thema an sich ist immer noch ein Tabu“, beobachtet Goltz. Darauf wolle das Jobcenter reagieren. Und es geht einen zumindest ungewöhnlichen Schritt: Erstmals spricht es ganz gezielt Frauen mit einem Seminar zu den Wechseljahren an – und lädt auch männliche wie weibliche Führungskräfte zu einem Workshop ein.

Jede dritte Frau in den Wechseljahren leidet unter heftigen Symptomen

Die Wechseljahre als Thema am Arbeitsplatz? Man mag darüber schmunzeln, welche Wege das Jobcenter Bochum da geht. Befürworterinnen kontern mit einer Reihe von Statistiken. Frauen über 50 sind die am schnellsten wachsende Gruppe unter den Berufstätigen und bis 2030 wird rein rechnerisch ein Viertel der Weltbevölkerung in den Wechseljahren sein. Mit anderen Worten: In Unternehmen arbeiten immer häufiger Frauen, die in den Wechseljahren sind.

Und nicht wenige von ihnen leiden unter den Symptomen, die weit über die bekannten Hitzewallungen hinaus gehen. Fachleute gehen davon aus, dass rund ein Drittel der betroffenen Frauen einen erheblichen Leidensdruck hat. Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Ängste und Stimmungsschwankungen haben Einfluss auch auf ihren beruflichen Alltag.

„Wir wollen Sensibilität und Verständnis schaffen“, erklärt Jeanette Rasmussen, stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte des Jobcenters. „Die Symptome der Wechseljahre können sich auf die Arbeit und auch auf die Arbeitsleistung auswirken. Das wollen wir ansprechen.“ Im Sinne der Personalfürsorge gehe es darum, präventiv die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten zu erhalten, ergänzt Anne Goltz.

Krankmeldung, Frührente: 150 Milliarden Dollar wirtschaftlicher Schaden

Der Bedarf ist da: Nach einer aktuellen Studie aus Großbritannien denken 49 Prozent der dortigen Frauen in den Wechseljahren darüber nach, im Job kürzerzutreten oder ganz auszusteigen. Die deutschlandweit erste Befragung zu diesem Thema, die die Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin 2023 startete, bestätigte diese Zahlen: Ein Viertel der Befragten gab an, wegen der Wechseljahre-Symptome ihre Arbeitszeit reduziert zu haben. Fast 20 Prozent der Befragten über 55 wollen sogar früher in den Ruhestand gehen.

Den Unternehmen gehen also Arbeitskräfte und damit Umsätze verloren. Das Beratungsunternehmen Frost & Sullivan hat den wirtschaftlichen Schaden 2019 hochgerechnet, der aus Krankmeldungen, Kündigungen oder schlimmstenfalls Frühruhestand aufgrund von Wechseljahresbeschwerden entsteht. Wie zahlreiche Medien berichteten kamen Frost & Sullivan auf weltweit rund 150 Milliarden Dollar.

Gründerin berät Unternehmen: Herausforderungen der Wechseljahre behindern Frauen

Anke Sinnigen hat sich der Aufklärung über die Wechseljahre verschrieben. Die 54-jährige Unternehmerin und Gründerin der Wissensplattform „Wexxeljahre“ berät und schult nicht nur betroffene Frauen, sondern auch Firmen und öffentliche Einrichtungen wie das Bochumer Jobcenter. „Die Herausforderungen der Wechseljahre können Frauen daran hindern, weiterhin so berufstätig zu sein, wie sie es ursprünglich geplant haben“, beobachtet Sinnigen und nennt zwei Probleme.

Einerseits würden viele Frauen eher verschweigen, dass sie in den Wechseljahren sind. Diese seien immer noch negativ besetzt, und die meisten Frauen würden sich mit dem gesellschaftlichen Bild der älter werdenden Frau nicht identifizieren. Aus Sinnigens Sicht gibt es so gut wie keine Aufklärung. Deshalb würden Frauen viele der mehr als 30 Symptome gar nicht kennen und bei Beschwerden nicht an die Wechseljahre denken.

Frauen schieben das nächtliche Aufwachen eher auf Stress zu Hause und im Job. Ursachen für Konzentrationsschwächen suchten sie auch woanders. „Viele Frauen zweifeln an ihrer Kompetenz“, sagt Sinnigen. „Dass die Symptome auf die hormonellen Veränderungen zurückzuführen und meist gut behandelbar sind, wissen viele nicht.“

Anke Sinnigen rät Unternehmen: Wenn sie sich nicht kümmern, „verlieren sie im Zweifel lange tätige Mitarbeiterinnen und sie verlieren Frauen in Führungsverantwortung“.
Anke Sinnigen rät Unternehmen: Wenn sie sich nicht kümmern, „verlieren sie im Zweifel lange tätige Mitarbeiterinnen und sie verlieren Frauen in Führungsverantwortung“. © Wexxeljahre | Wexxeljahre

Zweitens seien die Wechseljahre in Unternehmen noch einmal speziell tabuisiert. Frauen fühlen sich vom Arbeitgeber alleingelassen und befürchten benachteiligt zu werden, wenn andere von ihren Beschwerden erfahren, so Sinnigen.

Einfache Hilfen in den Wechseljahren: Flexible Bürozeiten und Hygieneprodukte

Oft seien es einfache Dinge, die Unternehmen für Beschäftigte in den Wechseljahren tun könnten: Regelungen zu flexiblen Bürozeiten und Homeoffice erleichtere das Arbeiten nach einer durchwachten Nacht. Hygienemittel in den Damen-Toiletten seien genauso hilfreich wie die Überlegung, helle Farben bei Unternehmenskleidung zu nutzen, auf denen man Schweißflecken nicht so stark sehe.

Für Sinnigen gehören die Wechseljahre zum betrieblichen Gesundheitsmanagement dazu: „Wenn sich Unternehmen nicht kümmern, verlieren sie im Zweifel lange tätige Mitarbeiterinnen und sie verlieren Frauen in Führungsverantwortung.“ Das schade im Zweifel den Firmen, weil Wissen verloren gehe. Sinnigen blickt noch weiter: Solche Entwicklungen begünstigten den sogenannten Gender Pay Gap, Frauen erhalten durchschnittlich immer noch weniger Lohn als Männer.

In Bochum ist man gespannt auf die ersten Seminare. Anne Goltz jedenfalls macht ihr Anliegen klar: Es gehe auch darum, Hemmungen abzubauen und ein paar Mauern einzureißen.

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Dieser Artikel ist in Vorbereitung auf den Frauengesundheitsgipfel „Aktion Gesundheit“ entstanden. Er wird am 29. Februar zum zweiten Mal von der „Bild der Frau“ ausgerichtet, die wie diese Redaktion auch zur Funke Mediengruppe gehört. Auf dem Podium sprechen Anke Sinnigen und Prof. Dr. Petra Stute mit Fernsehmoderatorin Katja Burkard über „Wechseljahre: Mehr als Hitzewallungen“ und die Frage der Hormonersatztherapie.