Essen. Durch die Wechseljahre müssen Frauen durch, zur Verhütung reicht das schnelle Pillenrezept? Feministische Frauenheilkunde will es besser machen.

Der Arztbesuch und im Speziellen der Frauenarztbesuch ist etwas sehr Privates. Die Frauenärztinnen und Frauenärzte begleiten ihre Patientinnen oft durch alle prägenden Lebensphasen - von der Pubertät bis zu den Wechseljahren. Mandy Mangler (47), Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum und Chefärztin der Klinik für Gynäkologie am Vivantes Klinikum Neukölln in Berlin, fordert mehr Feminsimus in ihrem Berufsstand - und hat einen einfachen Wunsch.

Frau Mangler, woran erkennt eine Frau, dass ihr Gynäkologe ein Feminist ist?

Am Umgang und daran, wie individuell er auf die Bedürfnisse und Belange seiner Patientin eingeht. Letztlich ist feministische Medizin ein Zwischenschritt zu einer individualisierten Medizin.

Was heißt das?

Wir müssen wegkommen von einer pauschalen Medizin, in der für Patientinnen und Patienten mit ganz unterschiedlichen Hintergründen die immer gleiche Therapie herangezogen wird. Wir sollten unsere Patienten mit ihren individuellen medizinischen und sozialen Hintergründen und Bedürfnissen sehen und behandeln und ihnen dabei nicht unsere eigenen Werte und Vorstellungen überstülpen. Wenn eine 20-jährige Frau in eine Praxis kommt und nach einer Sterilisation fragt, dann werden Kollegen dazu eine Meinung haben. Unser Ziel muss sein, diese Frau davon losgelöst zu behandeln, zu ermächtigen und zu stärken.

Nun geht es in der Frauenheilkunde doch um Frauen. Wieso ist das nicht per se feministisch?

Nein, leider nicht. Ein Beispiel ist die Forschung zur Endometriose, eine gutartige Erkrankung der Gebärmutterschleimhaut, die aber zu starken Regelschmerzen führt. Gut zehn Prozent aller Frauen sind betroffen. Wir wissen aber nur sehr wenig darüber, weil es sehr wenig Geld für Forschung gibt. Das ist doch ungerecht diesen vielen Frauen gegenüber. Frauen dürfen ohne Beratung und Wartezeit auch nicht eine Schwangerschaft beenden und die 20-Jährige wird es schwer haben, ihren Wunsch nach einer Sterilisation durchzusetzen. Durch die ganze Medizin zieht sich eine konservative und verstaubte Sichtweise, es gibt reichlich weitere Beispiele.

Sprechen wir über ein anderes: Frauen in den Wechseljahren bekommen heute immer noch zu hören, dass sie da schlicht durchmüssen.

Die Phase, in der Frauen aufhören regelmäßig zu menstruieren, wirkt sich je nach Frau sehr unterschiedlich aus. Man kann Hormonersatztherapien nicht pauschal ablehnen und nicht pauschal jeder Frau empfehlen. Ärztinnen und Ärzte müssten sich jede Frau individuell ansehen, ihre Familiengeschichte kennen, ihre Symptome erfragen und genau schauen, was dieser einzelnen Frau konkret hilft. Es braucht Zeit, diese Fakten zu sammeln. Das ist in unserem System aber gar nicht vorgesehen. Ärztinnen bekommen 17 Euro im Quartal für solch ein Gespräch. Das Gleiche gilt für die Pubertät: Die Verhütungsberatung ist sehr komplex, was eine Vergütung von knapp 17 Euro nicht abbildet.

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Was müsste sich als erstes ändern?

Wir brauchen einen viel stärkeren Fokus auf Familien- und Frauenmedizin. Die Natur hat uns Frauen eine ganze Menge frauenheilkundliche Themen aufgehalst. Männer haben viel weniger dieser Herausforderungen direkt am eigenen Körper. Ziel der Gynäkologie sollte deshalb sein, Frauen so zu stärken, dass sie sich frei von allen medizinischen Belangen in ihrem Leben behaupten können. Das Gegenteil passiert. In der Bundeskrankenhausreformetwa ist das Thema Geburtshilfe und Gynäkologie fast nicht existent. Dafür gibt es einen starken Fokus auf Hirninfarkte. Rund 270.000 Menschen im Jahr erleiden einen Hirninfarkt. Rechnen wird in Geburtenzahlen, Schwangerschaftsabbrüche und Aborte zusammen, kommen wir aber auf eine Million Frauen, die mit Schwangerschaft zu tun haben.

Sie haben selbst zwei Chefärztinnenposten inne und fünf Kinder – wie feministisch ist es, Sie nach Ihrer Work-Life-Balance zu fragen?

(lacht) Feministisch wäre, den dazugehörigen Partner zu fragen. Ich fühle mich verantwortlich für die Frauen. Ich habe Töchter, Schwestern, eine Mutter. Für mich ist es schmerzhaft zu sehen, dass Frauen nicht mitgedacht werden.

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Dieser Artikel ist in Vorbereitung auf den Frauengesundheitsgipfel „Aktion Gesundheit“ entstanden. Er wird am 29. Februar zum zweiten Mal von der „Bild der Frau“ ausgerichtet, die wie diese Redaktion auch zur Funke Mediengruppe gehört. Auf dem Podium spricht Prof. Dr. Mandy Mangler über die Chancen einer feministischen Gynäkologie.