Gladbeck. Die Coronapandemie zwang Arbeitnehmer ins Homeoffice. Was sagen Gladbecker Arbeitgeber heute: Ist mobiles Arbeiten zur neuen Normalität geworden?
Deutschland hinkt in Sachen Digitalisierung bekanntlich hinterher. Das gilt insbesondere in der Arbeitswelt. In den letzten Jahren hat sich indes einiges getan. Auslöser war allerdings nicht die Initiative der Politik oder ein Strategiewechsel von Wirtschaftsakteuren. Impulsgeber war vielmehr die Coronapandemie, die seit 2020 unser aller Leben schlagartig und teils nachhaltig ins Digitale verlagert hat. Konferenzsoftware zum Beispiel eroberte allerorten neues Terrain: im Fernsehen, im Parlament, an Schulen und Universitäten, am Arbeitsplatz. Für das mobile Arbeiten wurde sogar ein neuer vermeintlicher Anglizismus geprägt, das „Homeoffice“, das es übrigens wie das „Handy“ nur in der deutschen Sprache gibt.
Vier Jahre nach dem ersten Coronafall in Deutschland am 27. Januar 2020 stellt sich die Frage: Ermöglichen Unternehmen und Behörden auch abseits der großen Bürozentren in Düsseldorf, Berlin oder Hamburg ihren Mitarbeitenden weiterhin die Arbeit von Zuhause aus? Und in welchem Maße? Wir haben mit vier der größten Arbeitgeber in Gladbeck gesprochen. Ihre Antworten lassen einen klaren Trend erkennen.
„Das sind in etwa doppelt so viele wie vor der Pandemie.“
Die Sparkasse Gladbeck gibt an, zwar auch schon vor Corona an digitalen Lösungen gearbeitet zu haben. Diese Entwicklung habe während der Pandemie aber einen neuen Schub bekommen, so der Marketing-Referent der Sparkasse Gladbeck Mathias Bludau. „Zu nennen ist sicherlich die verstärkte Nutzung des Online-Bankings durch unsere Kunden und Kundinnen. Einhergehend damit ist auch der Ausbau unseres Kunden-Service-Centers zu benennen. Beratung erfolgt hier telefonisch oder per Chat.“
Gänzlich neu etabliert habe sich 2020 die Verlagerung von Besprechungen in den virtuellen Raum: „Der digitale Austausch beziehungsweise die digitale Durchführung von Besprechungen, intern wie extern, ist durch Corona erst in den Arbeitsalltag integriert worden“, so Bludau. Die Möglichkeit, aus dem Homeoffice zu arbeiten, habe es vor Corona nur für Mitarbeiter ohne Kundenkontakt gegeben, mit Ausbruch der Pandemie habe man diese Beschränkung aufgehoben. Aktuell machten rund 60 Prozent, also die deutliche Mehrheit der Beschäftigten, Gebrauch von der Homeoffice-Option.
+++ Nachrichten aus Gladbeck bequem ins Postfach: Hier können Sie sich für unseren kostenlosen Newsletter anmelden! +++
Bei der Volksbank Ruhr Mitte zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: „Überall dort, wo dies betrieblich möglich und verantwortbar ist, verfügen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit Beginn der Pandemie über eine vollständige Ausstattung für einen Heim-Arbeitsplatz. Da sich die Regelungen dazu bewährt hatten, haben wir die Grundsätze dazu auch nach Ende der Pandemie beibehalten“, erklärt Personalchef Jens Polleit. Aktuell nutzten rund zwei Drittel der Beschäftigten die Option zur Heimarbeit. „Das sind in etwa doppelt so viele wie vor der Pandemie“, rechnet Polleit vor.
Für die neue Generation ist mobiles Arbeiten schon zum Standard geworden
Mobiles Arbeiten spielt seit 2020 auch bei der Personalgewinnung eine immer größere Rolle. Wie sehr die Möglichkeit, auch vom heimischen Schreibtisch aus arbeiten zu können, in manchen Berufsfeldern bereits als Norm wahrgenommen wird, zeigen auch die gewandelten Ansprüche von Jobinteressenten. „Im Vergleich zu früheren Zeiten ist auffällig, dass in den Vorstellungsgesprächen von den Bewerbern auch konkrete Rückfragen dazu gestellt werden“, so Mathias Bludau von der Sparkasse Gladbeck.
Das deutet darauf hin, dass im hart umkämpften Wettbewerb um Azubis und Fachkräfte die Homeoffice-Option zu einem entscheidenden Faktor geworden ist. „Das Homeoffice-Angebot ist ein wichtiges Kriterium für Bewerber und mittlerweile unverzichtbar. Wir werben damit auch in nahezu allen unseren Stellenausschreibungen“, bestätigt Jens Polleit von der Volksbank Ruhr Mitte.
Lesen Sie auch
- Gladbeck wird älter und jünger zugleich – was das bedeutet
- Ausgerechnet die Kinder: So trifft die Inflation Gladbecker
- Mangel an Arbeitskräften: „Unser Wohlstand steht auf dem Spiel“
- Gladbeck wird bunter: Aus diesen Ländern kommen die Menschen
Homeoffice nach Corona: Einst wenigen vorbehalten, jetzt offen für alle
Die Caritas Gladbeck ist mit aktuell rund 750 Mitarbeitenden ebenfalls einer der ganz großen Arbeitgeber in Gladbeck. Bei dessen Tätigkeitsfeld, etwa in der Senioren- und Familienhilfe, ist indes klar, dass mobiles Arbeiten nur für einen kleineren Teil der Beschäftigten überhaupt infrage kommt. Aktuell seien es 120 Mitarbeitende, sagt Antonia Gemein, Pressesprecherin des Ortsverbands. „Das sind deutlich mehr als vor der Pandemie“, so Gemein weiter. Im Zuge der Pandemie habe man in die technische Ausrüstung der Mitarbeitenden investiert. Auch bei der Caritas werbe man mittlerweile mit der Homeoffice-Option: „Mobiles Arbeiten ist sicherlich ein Baustein, den wir je nach Stellenausschreibung auch in den Vordergrund stellen“, sagt Antonia Gemein.
Rund 1000 Beschäftigte arbeiten aktuell bei der Gladbecker Stadtverwaltung. Von denen waren laut Pressesprecher David Hennig im Rahmen eines Pilotprojekts vor Corona ganze sechs Beschäftigte an manchen Tagen im Homeoffice. Mit der Pandemie sei es dann zu einer „absoluten Beschleunigung und massiven Lockerung“ gekommen. Seien früher noch zwingende Gründe, wie Kinderbetreuung oder pflegebedürftige Angehörige nötig gewesen, habe man die Regelungen im Zuge der Pandemie „sehr flexibel gehandhabt“, so Hennig weiter.
Auch interessant
Stadt Gladbeck: Fünfzigmal mehr Mitarbeitende seit Corona im Homeoffice
Und heute? Man überarbeite derzeit die Dienstvereinbarung und befinde sich in einer Übergangszeit, in der aktuell rund 300 Beschäftigte zeitweise von zuhause aus arbeiteten. Fast ein Drittel also, was beachtlich ist, bedenkt man, dass es bei der Feuerwehr oder beim Kommunalen Ordnungsdienst ohnehin wenig Spielraum für Heimarbeit gibt. Von den Mitarbeitenden an Büroarbeitsplätzen werde das Angebot ganz verschiedentlich genutzt: „Mal sind es ein paar Stunden, mal zwei volle Tage“, so Pressesprecher Hennig.
+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook! +++
Die Stichprobe in Gladbeck bestätigt einen bundesweiten Trend. Einer Umfrage des ifo Instituts vom Juli 2023 zufolge, erlaubten rund 61 Prozent der Unternehmen ihren Beschäftigten, an einigen Tagen im Homeoffice zu arbeiten. Bei Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten seien es sogar 94 Prozent.