Kaarst. Lange war Grünkohl aus der Mode, aber heute gilt er als Supernahrung. Und das auch schon vor dem ersten Frost. Über ein Wintergericht.
Komisch ist das ja schon, dass Grünkohl genau in dem Moment reif wird, in dem die Leute danach fragen. „Wenn der erste nach Grünkohl fragt, sage ich ,Jetzt’ und gehe nach hinten“, sagt Rainer Coenen. Aus dem Hofladen auf eines der nahen Felder. Das passiert jedes Jahr zwischen dem 10. und 30. Oktober, das der Erste fragt: je kälter, desto früher. Je wärmer, desto gar nicht. Über ein Wintergericht.
Rainer und Ulrike Coenen führen einen Gemüsehof in Kaarst im Rheinland, 17 Hektar mit wechselnden Kulturen, und auf zweieinhalb Hektar davon wächst in Sommer und Herbst Grünkohl. 50- bis 60.000 Pflanzen haben sie bestellt und von der zweiten Junihälfte an gepflanzt, und im Oktober beginnt die Ernte. Das muss nicht, wie die alte Regel sagt, erst nach dem ersten Frost sein.
Der Grünkohl platzt vor Vitaminen
Denn die Kälte macht zwar, dass der Kohlkopf mehr Zucker, aber weniger Stärke und weniger Bitterstoffe produziert, aber „heute ist das nicht mehr so wichtig wegen neuer Sorten“, so die Bauersfrau. Bei diesen neuen Sorten läuft der entsprechende Stoffwechsel schon bei nicht ganz so niedrigen Temperaturen.
Naja, wenn sie weiterhin gesund sind. Grünkohl platzt vor Vitaminen, vor allem C, E und K; und er steckt voller Ballaststoffe, die nachhaltig satt machen und die Verdauung in Schwung bringen. Kalorien- und fettarm ist er auch noch, einheimische Super-Nahrung. Und sie ist auch noch leicht und schnell zuzubereiten.
„Gerade im Winter, was ist da überhaupt noch grün?“
Rainer Coenen (50) bringt es auf den anschaulichen Punkt: „Gerade im Winter, was ist da überhaupt noch grün?“, so seine rhetorische Frage. Praktisch nichts – während der Kohl noch im tiefsten Winter und nach mehreren Frösten seinen Mann draußen auf dem Feld steht. Gigantische Köpfe übrigens sind das, und Erntearbeiter brauchen eine Machete, um sie abzuernten.
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Lange galt das Gemüse als altbacken, war im späteren 20. Jahrhundert dermaßen aus der Mode. Das hat sich geändert: Die Freiland-Erntemenge liegt in Deutschland immer zwischen gut 15.000 und gut 20.000 Tonnen im Jahr; beim Anbau führt Niedersachsen (2019 gut 7500 Tonnen) knapp vor Nordrhein-Westfalen (fast 7300 Tonnen). Die Großtrends „regional“ und „saisonal“ in der Ernährung kommen ihm also sehr entgegen. „Wenn Sie mir das vor 20 Jahren gesagt hätten, ich hätte es nicht geglaubt.“
„Wenn im März die Sonne scheint, dann ist der Grünkohl tot“
Zum klassischen Grünkohl mit Mettwurst kamen freilich etliche neue Rezepte hinzu. „In Smoothies, als Pfannengerichte, Grünkohlsuppen, Grünkohl-Chips, Grünkohl mit Erdnüssen“, sagt Ulrike Coenen (52). Sie hat alles ausprobiert und ist dann da gelandet, wo sie anfing; zurückgekehrt zu Grünkohl mit Mett-Enden und Kassler. Essen, das wärmt.
Draußen auf dem Feld ist jetzt Wassili Pavulescu mit der Machete zugange: Den – und den – und den. Der Grünkohl landet in Großkisten auf dem Schlepper, der Rumäne fährt ihn zum nahen Hof Coenen. Dort werden die äußeren Blätter abgerissen, der Kohlkopf kommt in eine Schneidemaschine und gestückelt wieder heraus. Verpackt und verkauft wird er heute klassischerweise in 400-Gramm-Beuteln.
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Typischerweise ist mit dem Winter auch die Grünkohl-Saison vorüber. „Wenn im März die Sonne scheint, dann ist der Grünkohl tot“, sagt Rainer Coenen: „Und umgekehrt, wenn im März noch Schnee liegt, dann bist du König.“ Und Coenen ist gerne König.
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