Essen. . Einen angeblichen Dieb melden, vor einem mutmaßlichen Vergewaltiger oder Pädophilen warnen: Facebook und Co. ermöglichen es jedem mit Internetzugang, sich selbst zur Polizei zu machen. Wie jüngst in einem Fall in Oberhausen. Doch das ist rasch strafbar – auch wenn man solche Posts bloß teilt.
"Wichtig, bitte teilen!" Wer würde einer solchen Aufforderung in seinem Facebook-Newsfeed nicht folgen? Und dann, wie jüngst in Oberhausen geschehen, auch ein Foto weiterverbreiten, das einen Jugendlichen zeigt, der angeblich ein Kind vergewaltigt haben soll. Wenn man dann noch liest, "dass die Polizei leider nicht sehr hilfreich ist, dieses Biest ins Gefängnis zu stecken" - wer würde da nicht die Hand zum Mausklick führen, der den Eintrag unter den eigenen Facebook-Freunden weiterverbreitet - auf dass die ihn auch teilen?
Gerechtigkeit gilt als eine Grundnorm unseres Zusammenlebens und eine Tugend, die uns bereits in früher Kindheit prägt. Aber Recht und Unrecht liegen in sozialen Netzwerken wie Facebook so dicht beieinander, dass dort das, was man für recht und billig hält, tatsächlich Unrecht sein kann.
"Facebook ist ein Spiel mit dem Feuer"
Der Düsseldorfer Rechtsanwalt und -Blogger Udo Vetter mahnt: "Facebook ist ein Spiel mit dem Feuer". Wer private Fahndungsaufrufe über soziale Medien wie Facebook oder Twitter verbreitet, kann sich strafbar machen. Das kann auch für die gelten, die solche Einträge retweeten oder teilen.
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Dabei ist es egal, ob sich der geschilderte Sachverhalt als zutreffend erweist, sagt Vetter: Ein privater Fahndungsaufruf in Bezug auf eine angebliche Straftat ist Selbstjustiz - aber die Strafverfolgung ist in Deutschland - Notwehr ausgenommen - den Strafverfolgungsbehörden vorbehalten.
Facebook-Fahndung: Was darf die Polizei?
Selbst die Polizei darf mutmaßliche Straftäter nicht ohne Weiteres zur öffentlichen Fahndung ausschreiben. Ein Richter muss eine Veröffentlichung bewilligen. Und die Polizei ist gehalten, die Verhältnismäßigkeit zu wahren. So nutzen manche Polizeibehörden in NRW seit einige Zeit auch Facebook als Verbreitungskanal. "Da soziale Netzwerke eine immer größere Rolle spielen, müssen wir sie künftig auch verstärkt einbinden", sagt NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD). Er schränkt allerdings ein: "Wir wollen nicht nach jedem Eierdieb auf Facebook fahnden".
Nach Auskunft im NRW-Justizministerium beschränkt sich die Facebook-Fahndung der Polizei auf "Straftaten von besonderer Schwere" - maßgeblich dafür sei "eine Straferwartung von mehreren Jahren Haft". Zudem werde eine Fahndung nur dann per Pressemitteilung oder über andere Kanäle verbreitet, wenn eine vorgefallene Straftat anders nicht besser aufklärbar ist.
Gilt für die Polizei auch das "Recht am eigenen Bild"?
Was die Polizei von sonstigen Facebooknutzern unterscheidet: Sie darf Fotos veröffentlichen, auch ohne dass die abgebildete Person ihre Einwilligung dazu gegeben hat. Anderes wäre auch reichlich bizarr. Nur: für andere gilt diese Ausnahme nicht.
ErmittlungenEin bundesweit einheitlicher Rechtsrahmen für die Facebooknutzung durch die Polizei wird derzeit noch erarbeitet, sagt der Ministeriumssprecher. Darin werde auch festgelegt, dass persönliche Daten aus Fahndungsaufrufen, wozu auch Fotos zählen, auf Behörden-eigenen Servern in Deutschland lagern müssen und nicht etwa - Datenschutz! - bei Facebook in den USA. Der Sprecher: "Wir müssen auch Sorge tragen, dass erledigte Fahndungsaufrufe nicht mehr in Netz zu finden sind".
Übrigens: Facebook-Nutzer, die polizeiliche Fahndungsaufrufe teilen, sind gehalten Fotos zu löschen, wenn Fahndungen beendet sind.
Tätersuche auf Facebook - was dürfen Privatnutzer?
Und wie steht es um private Fahndungsaufrufe, zum Beispiel bei Facebook?
Konkretes Beispiel: Einem Nutzer wird das Smartphone gestohlen. Doch es finden sich nach dem Diebstahl Fotos in der Cloud, die möglicherweise den Täter zeigen. Darf man die als Privatnutzer auf Facebook veröffentlichen?
"Nein", sagt Rechtsanwalt Udo Vetter, "das darf man nicht". Eine Veröffentlichung solcher Fotos widerspricht dem Recht am eigenen Bild der fotografierten Person. Nur für die Polizei - siehe oben - gilt das nicht. Als Privatnutzer kann man sich mit dem Posten des Fotos eines mutmaßlichen Kriminellen schnell Ärger einhandeln, sagt Vetter: "Weil gar nicht erwiesen ist, ob tatsächlich der mutmaßliche Täter abgebildet ist". Strafrechtliche Konsequenzen reichen bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
Weitere Strafvorwürfe, die man Gefahr läuft sich aufzuhalsen: Beleidung, üble Nachrede, falsche Verdächtigung bzw. Verleumdung, sagt Vetter. "Man kann nie abschätzen, wer solche Fotos sieht". Wenn die Person zu Unrecht einer Straftat bezichtigt wurde, dadurch aber den Job verloren hat? "Dann haben Betroffene Anspruch auf Unterlassung und Schadenersatz". Neben diesen zivilrechtlichen kann ein solcher Facebook-Post auch strafrechtliche Folgen haben.
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Was man bei einem Handydiebstahl statt dessen tun sollte: Experten empfehlen, Strafanzeige zu stellen. Wer die IMEI-Nummer seines Handys angeben kann, gibt der Polizei eine wichtige Hilfe: Damit kann das gestohlene Handy geortet werden.
Ist die private Tätersuche grundsätzlich verboten?
Ein Foto auszudrucken und damit auf der Straße nach einer bestimmten Person zu suchen, ist erlaubt - "wenn man die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Person wahrt", sagt Udo Vetter - also wenn man bei der Suche nicht etwa behauptet, die abgebildete Person sei ein Straftäter.
Ein privater Fahndungsaufruf auf Facebook kann rechtlich rasch heikel werden, sagt Udo Vetter. Im NRW-Innenministerium rät man von solchen Posts grundsätzlich ab -auch in Bezug auf das Teilen solcher Nachrichten. Entpuppten sich Behauptungen als falsch, üble Nachrede oder gar Verleumdung, erfülle dies Straftatbestände, bei denen Freiheitstrafen von ein bis drei Jahren drohen können - oder entsprechend hohe Geldstrafen samt dem Vermerk "vorbestraft" im polizeilichen Führungszeugnis. "Damit kann man sich selbst die Karriere kaputt machen", sagt Vetter.
Facebook-Fahndungen teilen - kann das strafbar sein?
"Teilen gilt im Zweifel als eigene Veröffentlichung", sagt Udo Vetter - mit den gleiche Konsequenzen. Sollten sich die geteilten Behauptungen als falsch herausstellen und wehrt sich das Opfer dagegen, kann das eine Abmahnung zur Folge haben: "Bei einem angenommenen Streitwert von 10.000 Euro" - Vetter sagt, diese Summe sei bei einer schweren Verletzung des Persönlichkeitsrechts üblich - schlage eine Abmahnung mit mindestens 1500 Euro zu Buche. Komme es zum Prozess mit Hauptverhandlung, "ist man als Verurteilter schnell bei 5000 Euro Kosten".
In Bezug auf den Fall in Oberhausen könnte der Betroffene nun also gegen 11.000 Personen vorgehen, die den Fahndungsaufruf auf Facebook geteilt haben.
Posten und Teilen - wie sollte man sich auf Facebook verhalten?
Handelt es sich um Fahndungsaufrufe der Polizei, kann man diese als Facebooknutzer weiter verbreiten, ohne Probleme erwarten zu müssen, sagen Juristen. Der Grund: Die Polizei ist gehalten die Aufrufe als Link auf ihr Presseportal auf Facebook zu stellen. "Aber Achtung, lassen Sie die Finger von Privatseiten, die wie Polizeiseiten gestaltet sind und insbesondere in Facebook Fahndungsaufrufe mit Bildern verteilen", warnt der Mainzer Rechtsanwalt Tobias Röttger in einem ausführlichen Blogbeitrag zur "Facebook-Fahndung (...) mit Hetzgarantie".
Generell rät die Polizei von privaten Facebook-Fahndungsaufrufen ab. Und zum Thema "Teilen" sagt etwa die Oberhausener Polizei: "Schauen Sie sich genau an, was Sie auf Ihrer Facebookseite teilen! Machen Sie sich nicht strafbar!"
Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Udo Vetter appelliert an den "gesunden Menschenverstand": "Man sollte sich fragen, was wäre, wenn das Foto einer privaten Facebook-Fahndung mich selbst zeigen würde?" Wie, fragt Vetter, "würde ich mich fühlen, wenn ich das Opfer wäre?" Weil die im Post behaupteten Vorwürfe nicht zutreffen müssen.
Facebook-Post als Rache-Akt
Experten von Mimikama, einer Web-Plattform zur Bekämpfung von Internet-Missbrauch, raten vor dem Teilen von Facebook-Fahndungen inne zu halten und sich nicht vom ersten "Da-muss-ich-doch-mithelfen"-Impuls leiten zu lassen: "Fragt Euch selbst, was ist, wenn diese Behauptung nicht wahr ist? Dann würdet Ihr Beihilfe dazu leisten, einen Menschen für immer zu brandmarken. Ihr würdet sein Leben quasi zerstören!"
Im Fall der Facebook-Hetze in Oberhausen hat die Polizei unterdessen Ermittlungen aufgenommen - gegen diejenige oder diejenigen, die den Post über den mutmaßlichen Vergewaltiger veröffentlicht hatten. Die Polizei stuft den Eintrag als "Fake" ein: "Das ist ein Racheakt von Leuten, die dem jungen Mann Böses wollen", sagte ein Behördensprecher.