Essen/Mülheim. . Das Handyvideo eines Fahrgastes zeigt hustende Passagiere, jemand ruft: “Ich seh nix mehr“. Ein Zugbegleiter hatte gegen einen 29-Jährigen in der Bahn zwischen Mülheim und Essen Pfefferspray eingesetzt, ihn geschlagen. Woher er das Spray hatte, ist unbekannt. Die Polizei ermittelt nun.
Mit Tüchern und Mantelkrägen schützen die Fahrgäste ihre Gesichter, ein junger Mann schüttelt sich auf dem Gang in einem Hustenanfall. "Ich seh nix mehr", ruft jemand: Gerade eben hat hier ein Zugbegleiter mitten im Abteil Pfefferspray versprüht. Ein Handyvideo zeigt in wackligen Bildern die Szene, die sich am Mittwoch im Regionalexpress zwischen Mülheim und Essen abgespielt hat. Ein Fahrgast hatte das Video auf Facebook gepostet.
Hintergrund: Der Zugbegleiter war mit einem 29 Jahre alten Mann aus Mülheim aneinandergeraten, der offenbar keine Fahrkarte dabei hatte und der ihn habe angreifen wollen. Deshalb habe er das Pfefferspray eingesetzt, sagte der Kontrolleur später der Bundespolizei am Hauptbahnhof in Essen.
Video liegt der Bundespolizei vor
Indes: Auch andere Fahrgäste wurden durch das Pfefferspray beeinträchtigt, wie auf dem Video zu sehen ist - und wie die Bundespolizei bestätigt: "Uns ist bekannt, dass mehrere Personen von dem Pfefferspray getroffen wurden", sagt Bundespolizei-Sprecher Volker Stall.
Sowohl der mutmaßliche Schwarzfahrer als auch der Zugbegleiter haben Strafantrag gegen den jeweils anderen gestellt - wegen Körperverletzung. "Die Ermittlungen laufen jetzt an", so Stall, deshalb könne er auch noch keine weiteren Details nennen. Es gebe aber Zeugenaussagen - und das Video liege der Polizei auch vor.
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Am Kragen gepackt und ins Gesicht geschlagen
Zu erkennen ist darauf, wie der Zugbegleiter den mutmaßlichen Schwarzfahrer am Kragen packt und durch eine Tür schubst. Dabei schlägt er ihn augenscheinlich mit der Faust einmal von hinten und anschließend von vorn ins Gesicht.
"Du gibst mir zweimal eine?", fragt der mutmaßliche Schwarzfahrer in Richtung des Zugbegleiters. "Er hat mich bedroht", verteidigt der sich, während der andere um Wasser bittet.
Zugbegleiter normalerweise unbewaffnet
Eigentlich sollen die Zugbegleiter deeskalieren, erklärt ein Bahnsprecher zu dem Vorfall: "Alle Zugbegleiter absolvieren ein zweitägiges Training mit Rollenspielen, bei dem sie lernen, sich in Konfliktsituationen angemessen zu verhalten." War das Verhalten in diesem Fall angemessen? Der Sprecher wolle derzeit noch nichts werten. Denn es sei noch nicht bekannt, was vor dem Pfefferspray-Einsatz geschehen sei.
"Wir nehmen das Thema sehr ernst und unterstützen die Bundespolizei bei ihren Ermittlungen und befragen intern unsere Mitarbeiter", versichert der Bahn-Sprecher. Klar ist: Mit Pfefferspray oder anderen Waffen werden die Kontrolleure nicht ausgestattet. "So was sollen die Mitarbeiter natürlich keinesfalls einsetzen, sie sollen ja deeskalieren", so der Sprecher. Womöglich habe er das Spray privat dabei oder jemand hat es ihm vielleicht gegeben, "dazu können wir noch nichts sagen".
800 Mitarbeiter wurden im letzten Jahr angegriffen
Bis der Fall geklärt sei, werde der Mitarbeiter jedenfalls nicht mehr eingesetzt. Doch hätten es die Zugbegleiter "unabhängig davon auch nicht immer leicht", so der Sprecher, der betont: "800 Zugbegleiter wurden im letzten Jahr bundesweit angegriffen. Meist passiert das beim Kontrollieren von Fahrkarten."
Fahrgäste, die auch vom Pfefferspray beeinträchtigt wurden, können sich bei der Bahn per E-Mail unter ran.nrw@bahn.de melden oder telefonisch unter 01806/464006 - hier kostet der Anruf 14 Cent pro Minute.