Düsseldorf. Dortmund und Duisburg bissen noch auf Granit, beim Kreis Düren gibt die NRW-Regierung nach: Homeschooling statt Präsenzunterricht.
- Nicht zuletzt durch den Stopp der Impfungen mit AstraZeneca gibt es seit Beginn der Woche Streit zwischen einigen Städten und der Landesregierung über die Öffnung der Schulen.
- In einem Pressegespräch am Donnerstag stellte Schulministerin Yvonne Gebauer klar, dass Schulschließungen das letzte Mittel sei: Alle Städte und Kommunen müssten sich dafür aber an ein geordnetes Verfahren halten.
- Dafür hatte das Land am Mittwochabend einen Erlass veröffentlicht. Demnach können Städte und Kommunen zusätzliche Maßnahmen zum Infektionsschutz prüfen, wenn der Inzidenzwert von 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner pro Woche nachhaltig überschritten werde.
- Auch Schulschließungen seien möglich - aber erst dann, wenn andere Schutzmaßnahmen ergriffen worden seien. Zudem müsse dafür ein Antrag eingereicht werden. Gebauer ermahnte indirekt den Dortmunder OB Westphal: Auch SPD-Hauptverwaltungsbeamte hätten sich an das geordnete Verfahren zu halten, sagte sie.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung erlaubt erstmals in der dritten Corona-Welle einem Kreis, den Präsenzunterricht in den Schulen wieder einzuschränken. Im Kreis Düren kehren die weiterführenden Schulen mit Ausnahme der Abschlussklassen in der kommenden Woche zum Distanzunterricht zurück, teilten der Kreis und die Staatskanzlei am Donnerstagabend mit. Die Landesregierung habe einen entsprechenden Antrag des Kreises genehmigt.
Zuvor hatte die Landesregierung ihr Nein zum Vorstoß mehrerer Städte, darunter jetzt auch Wuppertal, verteidigt, Schulen oder Kitas selbstständig schließen zu wollen. „Schulschließungen auf Zuruf oder per Twitter darf es nicht geben“, sagte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Donnerstag mit einem Seitenhieb auf Dortmund und andere SPD-geführte Kommunen wie Duisburg. [Lesen Sie hier mehr über den Streit zwischen Kommunen und Landesregierung]
Auch SPD-Hauptverwaltungsbeamte hätten sich an ein „geordnetes Verfahren“ zu halten. Städte, die über Schulschließungen nachdenken, müssten sich erst mit dem NRW-Gesundheitsministerium in Verbindung setzen. Dann könnten gemeinsam örtliche Maßnahmen zum Eindämmen des Pandemiegeschehens vereinbart werden.
Familienminister Stamp bekräftigt Nein zur Kita-Schließung
Parallel dazu bekräftigte NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) trotz stark ansteigender Corona-Infektionszahlen sein Nein zu Kita-Schließungen und verwahrte sich gegen kommunale Maßnahmen „nach Gutdünken“, zum Beispiel in Duisburg. Stamp warnte am Donnerstag im Landtag ausdrücklich davor, „Kindertageseinrichtungen als Pandemie-Treiber zu inszenieren und damit Ängste zu schüren“.
Für Pläne der Stadt Duisburg, wegen des erhöhten Ansteckungsrisikos bei Jüngeren wie im ersten Lockdown nur noch Kinder von Eltern aus systemrelevanten Berufsgruppen zu betreuen (Notbetreuung), werde es „keine Genehmigung der Landesregierung“ geben, so Stamp. Gestattet wird nur ein lokaler Eltern-Appell, die Kinder, wenn möglich, zu Hause zu betreuen.
Schulministerium will an Wechselmodell festhalten
Das NRW-Schulministerium erklärte, dass es derzeit gute Gründe dafür gebe, den Wechselunterricht in der Fläche beizubehalten. Keine einzige Schule sei derzeit in NRW wegen Covid-Fällen komplett geschlossen. Gebauer verdeutlichte, dass Schulen keine Corona-Hotspots seien: Aktuell seien durch den Wechselunterricht nicht einmal die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler an den Schulen, nur 45,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen seien täglich vor Ort. Auch aus diesem Grund sei es nicht notwendig, etwa weitere Räume in leerstehenden Hallen für die Schulen anzumieten.
Darüber hinaus sei das Infektionsgeschehen an den Schulen im Vergleich zum vergangenen Jahr weniger gravierend: Waren in der zweiten Novemberwoche noch 5.137 Infektionen bei Schülerinnen und Schüler gezählt worden, so seien laut den aktuellsten Zahlen von Mittwochnachmittag 1.281 Schülerinnen und Schüler mit dem Coronavirus infiziert. „Unsere Maßnahmen, zum Beispiel eine strenge Maskenpflicht und der Wechselunterricht, greifen“, versicherte Gebauer.
Selbsttests sollen nur unter Lehreraufsicht vorgenommen werden
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Gleichzeitig könne jede Kommune beantragen, Schulen zu schließen - wenn zuvor alternative Möglichkeiten geprüft worden seien. Ein Inzidenzwert von 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner könne aber nicht automatisch zu Schulschließungen führen. Vielmehr müssten ab diesem Zeitpunkt weitere Maßnahmen durch die Städte geprüft werden.
Zusätzliche Sicherheit erhoffe man sich außerdem von der weiteren Verteilung der Selbsttests: Diese könnten nur unter Aufsicht von Lehrerinnen und Lehrern vorgenommen werden, um das Ergebnis zu verifizieren. Die Anzeige auf einem Testkit gehe nach kurzer Zeit verloren, daher könnten die Testungen nicht zu Hause vorgenommen werden, wie viele Eltern gefordert hatten. Aktuell ist pro Schüler/Schülerin ein Test pro Woche vorgesehen. Weitere Testkits sollen aktuell auf dem Weg zu den Schulen sein. Pro Tag würden aktuell 300.000 dieser Testkits an die Schulen geliefert.
Gewerkschaft fordert mehr Mitspracherecht für Städte
NRW-SPD-Generalsekretärin Nadja Lüders bezeichnete den Vorwurf, hier hätten sich SPD-Kommunen verabredet, als „Verschwörungstheorie“ zurück. Die Regierung habe auch Hilfegesuche aus Wuppertal, Hagen dem Kreis Düren, dem Oberbergischen Kreis und aus Wermelskirchen „ignoriert“. Dort regiere nicht die SPD.
Die Lehrer- und Erziehergewerkschaft GEW rief die Regierung auf, den Städten mehr Mitspracherechte zu geben. Die Lage sei ernst und der angekündigte Selbsttests für Schüler vor den Osterferien, der vielerorts noch fehle, sei „nicht mehr als ein Placebo“.
Wie sich das Infektionsgeschehen in NRW in den verschiedenen Altersgruppen entwickelt, zeigt diese Grafik:
Stadt Wuppertal will ebenfalls Schulen schließen
Am Donnerstag gab auch die Stadt Wuppertal bekannt, Schulen ab Montag wieder schließen zu wollen - sowie im Zweifelsfall sämtliche Lockerungen zurückzunehmen. Die Stadt begründet das mit "eklatanten Fallzahlsteigerungen um 40 Prozent" und einem "Inzidenzwert, der auf 141 geschossen ist".
NRW-Gesundheitsminister Laumann hatte bereits am Dienstag erklärt, dass sein Ministerium keine Schulschließungen akzeptiere. Das Land veröffentlichte am Mittwochabend einen Erlass, in dem die hohe Priorität für den Präsenzunterricht betont wird. Demnach könnten zusätzliche Schutzmaßnahmen an Schulen ergriffen werden, wenn eine Inzidenz von 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner pro Woche "signifikant überschritten" werde.
"Schulschließungen können eingebettet in ein Gesamtkonzept einen Beitrag zum Infektionsschutz vor Ort darstellen, dürften aber nur das letzte und nicht das erste und alleinige Mittel der Wahl sein", heißt es in dem Erlass weiter.
Anordnungen der Ordnungs- und Gesundheitsbehörden bezogen auf einzelne Schulen seien nur dann möglich, wenn es zu Infektionsausbrüchen an einzelnen Schulen oder ihrem direkten Umfeld komme. Dabei könnten an einer einzelnen Schule sowohl verschärfte Verhaltensregeln angeordnet werden wie auch (teilweise) Schulschließungen, heißt es in dem Erlass. Zudem seien die Bezirksregierungen einzubinden. (mit dpa)
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