Dortmund/Düsseldorf. Das Land NRW hat Dortmund untersagt, Schulen und Kitas zu schließen. Oberbürgermeister Westphal (SPD) fürchtet Folgen nach den Osterferien.

  • Dortmund ist mit dem Versuch, Schulen und Kitas zu schließen, am Veto des Landes gescheitert
  • OB Thomas Westphal: "Wir werden in einen rechtlichen Rahmen gepresst, der längst nicht mehr zum Infektionsgeschehen passt"
  • Die Landesregierung lehnt flächendeckende Schul- und Kita-Schließungen in Städten bislang ab; sie seien "letztes Mittel".

Schulen und Kitas bleiben in Dortmund vorerst geöffnet. Das Land habe einen Antrag auf Schließung in der kommenden Woche am Freitag abgelehnt, teilte die Stadt Dortmund mit. Damit gebe es weiterhin Wechsel-Präsenzunterricht und Kindertagesbetreuung. Wegen steigender Inzidenzwerte in der Ruhrgebietsstadt wollte der Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) ab Montag Schulen und Kitas wieder schließen. Das "Nein" der Landesregierung kritisierte er am Samstag scharf als "inakzeptabel".

„Die Landesregierung scheint noch immer nicht bereit zu sein, auf die veränderte Dynamik der Pandemie zu reagieren“, erklärte er. „Wir werden in einen rechtlichen Rahmen gepresst, der längst nicht mehr zum Infektionsgeschehen passt.“ Die Präsenztage in Schulen vor Ostern erhöhten „die Gefahr der Ansteckungsbeschleunigung in den Familien“. Von einer Teststrategie sei „nichts zu sehen“, monierte Westphal.

Dortmunds OB fürchtet längere Schließung nach Ostern

Dortmunds OB befürchtet: „Eine längerfristige Schließung der Schulen nach Ostern und damit ein weit größerer Schaden für unsere Kinder und Jugendlichen sind damit praktisch vorgezeichnet." Der Klausurendruck für die Schülerinnen und Schüler in den Abschlussklassen werde in keiner Weise gemildert.

Am Freitag hatte Westphal an seine Pläne für Schul- und Kitaschließungen publik gemacht. Zunächst kursierte auch ein Schreiben des Jugendamtes in Sozialen Netzwerken. Darin hieß es, dass die Schließung der Kitas ab Montag beschlossene Sache sei – die Stadt Dortmund zog diese Ankündigung wenig später zurück und bezeichnete den Versand als Versehen.

Dortmunds OB Thomas Westphal kritisiert die Absage des Landes an seine Pläne für Schul- und Kitaschließungen: „Die Landesregierung scheint noch immer nicht bereit zu sein, auf die veränderte Dynamik der Pandemie zu reagieren.“
Dortmunds OB Thomas Westphal kritisiert die Absage des Landes an seine Pläne für Schul- und Kitaschließungen: „Die Landesregierung scheint noch immer nicht bereit zu sein, auf die veränderte Dynamik der Pandemie zu reagieren.“ © Ralf Rottmann/ Funke Foto Services

Die Landesregierung lehnte den Antrag noch am Freitag ab und begründete dies unter anderem mit Kinder- und Jugendrechten, die „nicht einseitig aus Infektionsschutzgründen vollständig beschnitten werden“ dürfen.

Westphal: Warten auf Ü100-Inzidenz verkennt Dynamik

Westphal argumentiert, dass die Stadt bei der Prüfung des Gesamtkonzepts „mehrere Alternativen bedacht, die teils in der Vergangenheit erfolgreich umgesetzt wurden“. Das Infektionsgeschehen spiele sich mit der ansteckenderen Coronavirus-Mutation B.1.1.7 zunehmend in der Gruppe der „Null- bis 19-Jährigen“ ab. Daher seien die bisher teils umgesetzten Maßnahmen nun „nicht mehr geeignet, den gewünschten Effekt zu erzielen“.

Schulen und Kitas müssten geschlossen werden, auch wenn die Inzidenz noch nicht über der Schwelle von 100 liege. Darauf zu warten, verkenne die Dynamik. Freitag meldete das RKI für Dortmund eine Sieben-Tage-Inzidenz von 92,8. Am Samstag bezifferte es den Wert bei 82,4.

Laumann: Bei Inzidenz über 100 Verschärfungen prüfen

Der OB hatte in den vergangenen Tagen bereits betont, die Stadt habe Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) in seiner „präventiven Funktion“ angesprochen. Dass nun für ohnehin nur wenige Tage vor den Osterferien alle Schüler im Wechselmodus tageweise in die Klassenräume zurückkehrten, sei „gemessen am Risiko nicht vertretbar“. Wenn Laumann mit Inzidenzen argumentiere, „dann argumentiert er rückwärts“.

Karl-Josef Laumann (CDU) lehnt flächendeckende Schulschließungen, wie sie Dortmunds OB Westphal (SPD) plant, ab.
Karl-Josef Laumann (CDU) lehnt flächendeckende Schulschließungen, wie sie Dortmunds OB Westphal (SPD) plant, ab. © dpa

Laumann hatte zuvor im WDR klargestellt: Der Grundsatz laute, dass Unterricht in den Klassenräumen in Präsenz stattfinden solle, soweit das vertretbar sei. Bei einer Inzidenz von über 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen werde eine Verschärfung der Maßnahmen geprüft.

Schulschließungen dürften nach dem Willen der Landesregierung nur „ultima ratio“, also das letzte und auf keinen Fall das alleinige Mittel der Wahl sein, heißt es in einem aktuellen Erlass. Schulschließungen könnten vor Ort nur Teil eines Gesamtkonzeptes zur Reduzierung der Infektionszahlen sein. Bildungsgerechtigkeit dürfe dabei auf keinen Fall ausgeklammert werden.

Sie sind Telegram-User? Dann verpassen Sie mit unserer regionalen Nachrichtenübersicht der WAZ keine Infos mehr. Hier kostenlos bestellen!

Corona-Fallzahlen bei Kindern und Jugendlichen steigen

Dortmunds Gesundheitsamts-Chef Frank Renken hatte am Dienstag Zahlen zur Corona-Ausbreitung bei Kindern und Jugendlichen genannt: Hatten in der sechsten Kalenderwoche nur 25 unter 19-Jährige das Coronavirus, zählte Dortmund zwei Wochen später schon 66 Fälle. „Die Gefahr für exponentielles Wachstum in einem überschaubaren Zeitraum“, warnte Renken, „hat erheblich zugenommen.“

Für den Oberbürgermeister ist die Sache deshalb klar: „Jetzt ist der entscheidende Zeitpunkt, um Zeit zu gewinnen, um Maßnahmen entwickeln zu können, damit wir nicht nach den Osterferien ein völlig anders Infektionsgeschehen haben, das bei Größenordnungen angekommen ist, die wir bisher noch gar nicht kannten.“

Es sei eine „absurde Situation“, sagte Westphal. „Wir sehen genau, was auf uns zu kommt. Aber handeln dürfen wir nicht.“ Er verglich die aktuelle Pandemielage mit einer Fahrt gegen eine Mauer, die schon zu sehen sei. „Bremsen ist nicht vorgesehen, denn diese Landesregierung will die freie Fahrt nicht gefährden.“

Auch Hagen und Duisburg für Schulschließungen

Auch Hagens Oberbürgermeister Erik O. Schulz hatte am Montagabend bei der Landesregierung in Düsseldorf eine Rückkehr zum Homeschooling eingefordert. In dem Schreiben an NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) heißt es: „Ich bitte Sie dringend, die Entscheidung zum Übergang in den Wechselunterricht an allen Schulen zu revidieren.“ » Corona: Hagens OB will die Schulen wieder schließen

Ähnlich äußerte sich am späten Dienstagnachmittag der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link. „Einmal mehr hätte ich mir an dieser Stelle die Unterstützung durch das Land gewünscht“, so Link in einer Pressemitteilung. „In Anbetracht der weiter steigenden Inzidenz wäre es absolut sinnvoll, die Schulen zum Schutz der Schülerinnen und Schüler sowie ihrer Familien, aber auch der Lehrkräfte wieder zu schließen und auf Distanzunterricht umzustellen. Es ist mir daher vollkommen unverständlich, dass das Land diesen Plänen einen Riegel vorschiebt.“

Auch in Bochum kam der Vorschlag aus Dortmund gut an. „Mit Sorge haben wir die Absage der Landesregierung auf die von Dortmund beabsichtigte Aussetzung des Präsenzunterrichtes zur Kenntnis nehmen müssen“, so der Bochumer Oberbürgermeister Thomas Eiskirch auf Twitter.

Kutschaty fordert Entscheidungsfreiheit für Kommunen

Der Vorsitzende der NRW-SPD, Thomas Kutschaty, hat für die Kommunen in Sachen Schulöffnung Entscheidungsfreiheit gefordert. Zwar seien die Kommunen in solchen Fragen rechtlich Weisungen des Landes unterworfen, sagte der frühere NRW-Justizminister. Es sei aber „völlig falsch, wenn man jetzt mit der Dickschädeligkeit des Schulministeriums unterwegs ist“, um Verordnungen „mit der Brechstange“ durchzusetzen. Angesichts der steigenden Neuinfektionsraten sei es „falsch, jetzt über weitere Öffnungsschritte zu diskutieren“, sagte Kutschaty. (mit dpa)