Düsseldorf. Widerstand von Städten gegen den Präsenzunterricht scheitert. Land NRW stellt den Schulen 1,8 Millionen Selbsttests in Aussicht.
Der Protest gegen die Rückkehr der Schüler in den Präsenzunterricht wird in NRW immer lauter. Mehrere Eltern- und Lehrerverbände kritisierten die Entscheidung von Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP), die Schulen am Montag trotz vielerorts steigender Corona-Infektionszahlen, fehlender Selbsttests für Schüler und vieler noch ausstehender Impfungen von Lehrern für den Wechselunterricht zu öffnen.
Die Landeselternschaft der Gymnasien fordert Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) auf, das Schulthema wegen einer offenbar nicht gut funktionieren Zusammenarbeit der Ministerien für Schulen und Gesundheit zur Chefsache zu machen. „Das Risiko ist zu groß, die Schüler vor den Osterferien nur für ein paar Unterrichtsstunden in die Schulen zu rufen“, sagte Ralf Radtke, Vorsitzender der Landeselternschaft der integrierten Schulen (Leis), dieser Redaktion.
Gymnasialeltern: "Kinder nicht um jeden Preis in die Schulen schicken"
Radtke hat „volles Verständnis“ für Eltern, die ihre Kinder wegen des Infektionsrisikos vom Unterricht abmelden. In sozialen Medien kursieren Aufrufe von Eltern, den Präsenzunterricht zu boykottieren. Franz-Josef Kahlen von der Landeselternschaft der Gymnasien mahnte, die Kinder „nicht um jeden Preis“ wieder in die Schulen zu schicken.
Maike Finnern, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sagte, ein Schulstart unter den Voraussetzungen einer anlaufenden dritten Corona-Welle sei „falsch“. Die GWE wirft der Landesregierung vor, ihre Hausaufgaben nicht gemacht zu haben.
Landesregierung stellt Selbsttests in Aussicht
Die Landesregierung kündigte am Montag an, „in einem ersten Schritt“ den weiterführenden Schulen ab dieser Woche kurzfristig rund 1,8 Millionen Corona-Selbsttests zur Verfügung zu stellen. Ziel sei, allen Schülern bis zu den Osterferien eine Testmöglichkeit zu geben. Eine entsprechende Schulmail mit Informationen zum Einsatz von Selbsttests wurde verschickt.
Das Schulministerium verteidigte seinen Öffnungskurs: Der Start mit Wechselunterricht am Montag sei „landesweit gelungen“, hieß es. Die Schulen seien gut vorbereitet gewesen und die kleineren Lerngruppen ein wichtiger Schritt, um Kontakte zu reduzieren.
Städte scheitern am Widerstand der Landesregierung
Der Konflikt um den Schulstart hatte sich zugespitzt, nachdem der Kreis Düren und weitere Kommunen, in denen die Infektionszahlen hoch sind, nicht mitmachen wollten, aber von der Landesregierung gezwungen wurden, Präsenzunterricht anzubieten. Das Schulministerium bekräftigte, dass es zu dieser Entscheidung stehe: Das pauschale Schließen von Schulen für alle Schüler könne nur „ein letztes Mittel“ sein.
Bei Ralf Radtke vom Elternverband Leis löst diese Haltung der Landesregierung Kopfschütteln aus: „Wenn Kommunen wie Düren sagen, wir wollen die Schulen derzeit nicht öffnen, darf das Ministerium nicht hingehen und anordnen, wir machen die Schulen trotzdem auf.“ Und solange die Schnelltests noch nicht an den Schulen angekommen seien, fehle die Voraussetzung für eine Öffnung.
Schulmail informiert über die Selbsttests
Noch vor den Osterferien will das Land NRW den weiterführenden Schulen insgesamt 1,8 Millionen Corona-Selbsttests zur Verfügung stellen, damit jeder Schüler vor dem Ferienbeginn am 29. März einmal freiwillig auf das Virus getestet werden kann.
In einer Schulmail informierte das Schulministerium am Montag über die Details. Schüler, die im Präsenzunterricht sind, sollen möglichst morgens bei Unterrichtsbeginn in der Klasse oder im Kurs unter Aufsicht durch die Lehrer getestet werden.
Die ersten Test-Lieferungen und die entsprechenden Anleitungen fürs Testen sollen die Schulen am Dienstag erreichen. Die Schulen müssen sicherstellen, dass vor den Osterferien ein Test durchgeführt wird. Eltern beziehungsweise volljährige Schüler können den Test verweigern.
Auf saubere Hände und gelüftete Räume sei dabei besonders zu achten. Bei einem positiven Schnelltest solle die Schulleitung die Eltern beziehungsweise Ausbildungsbetriebe oder sozialpädagogischen Einrichtungen informieren und entscheiden, ob der betroffene Schüler nach Hause geschickt oder aus der Schule abgeholt werden muss. Busse und Bahnen sollen für die Heimfahrt keinesfalls genutzt werden. Auf einen positiven Selbsttest muss eine Überprüfung mit dem sichereren PCR-Test folgen.
Lehrerverband VBE: "Improvisationstalent der Schulen ist einmal mehr gefragt"
„Durch einen Dreiklang aus Schützen, Impfen und Testen wird der Schulbetrieb ab dieser Woche begleitet, mit dem Ziel, Gesundheitsschutz und Bildungschancen in einem ausgewogenen Verhältnis sicherstellen zu können“, sagte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Montag.
Der Lehrerverband VBE sprach von einem weiteren Stresstest für die Schulen. „Es ist zu begrüßen, dass den Schulen Selbsttests zur Verfügung gestellt werden, doch jetzt müssen sie wieder einmal sehr kurzfristig neue Vorgaben umsetzen“, erklärte VBE-Landeschef Stefan Behlau. Neben den laufenden Wechselmodellen gelte es nun, die Testangebote zu organisieren, Eltern und Schüler zu informieren und Testungen durchzuführen. „Das Improvisationstalent der Schulen ist einmal mehr gefragt.“ Nach den Osterferien sollte eine Teststrategie vorliegen, „die den Namen auch verdient“. Eine Testmöglichkeit pro Woche für die Schüler könne nur einen „Testlauf“ darstellen.
Clinch zwischen Kommunen und Landesregierung
Allerdings öffnen mehrere Kommunen in NRW nur unter Protest die Schulen. Der Kreis Düren, Halver, Lüdenscheid, Iserlohn und andere Kommunen haben Bedenken, die Schulen wieder für den Präsenzunterricht zu öffnen. Aber sie werden vom Land NRW dazu gezwungen. Der Aufstand der Städte erinnert an den Clinch zwischen der Stadt Solingen und dem NRW-Schulministerium im Herbst: Auch Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) musste sich damals der Landesregierung beugen und auf das Unterrichts-Wechselmodell, das die Stadt einführen wollte, verzichten. Damals wie heute befürchten die Kommunen Infektionsrisiken durch die Schulöffnung.
Roland Schäfer, Präsident des Städte- und Gemeindebundes NRW riet zur Vorsicht. „Ein Stück weit hilft, dass wir über das Modell Wechselunterricht erheblich weniger Kontakte in den Schulen haben als in der letzten Präsenzphase im Herbst. Voraussetzung für den Erfolg sind aber regelmäßige Tests und klare Abläufe“, sagte Schäfer dieser Redaktion. Die zwei Wochen vor den Osterferien sollten genutzt werden, um das Testen und den Wechselunterricht einzuüben.
Landesweit stieg die Kennziffer der Neuinfektionen je 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen (Inzidenz) laut Robert Koch-Institut (RKI) auf 81,2. In 14 kreisfreien Städten und Kreisen lag sie am Montag über der Marke von 100. Ausgerechnet in diesem Szenario gehen die Schüler wieder in die Schulen, wenn auch in kleineren Gruppen.