Kiew/Berlin. Noch immer kein Weg aus der Krise in der Ukraine: Vor allem die Führung setzt offenbar weiter auf Gewalt. Regierungsgegner Klitschko will auf der Sicherheitskonferenz in München um Unterstützung werben. Und Angela Merkel fordert derweil von Janukowitsch, dass seinen Worten jetzt auch Taten folgen.
Im erbitterten Machtkampf in der Ukraine hat sich erstmals die Armeeführung zu Wort gemeldet. Bei einer weiteren Eskalation der schweren Krise drohe die Spaltung des Landes, warnten die Militärs in einer aktuellen Mitteilung. Die Besetzung staatlicher Gebäude durch Demonstranten sei unzumutbar.
Bei einem Treffen unter Vorsitz von Verteidigungsminister Pawel Lebedew forderte die Armee Präsident und Oberbefehlshaber Viktor Janukowitsch auf, "dringend Maßnahmen zur Stabilisierung der Situation im Land zu ergreifen und Harmonie in der Gesellschaft zu erreichen".
Menschenrechtler kritisierten indes, Polizeieinheiten hätten während der Straßenschlachten mit radikalen Regierungsgegnern absichtlich auch Journalisten und Ärzte angegriffen. Die Opposition beklagt zudem, dass etwa 30 Aktivisten verschleppt worden seien, angeblich von angeheuerten Schlägerbanden.
Regierungsgegner taucht schwer verletzt wieder auf
Acht Tage nach seinem Verschwinden wurde ein entführter Regierungsgegner schwer misshandelt gefunden. Seine Peiniger hätten ihn massiv gefoltert und einen Teil seines Ohrs abgeschnitten, berichtete der Aktivist Dmitri Burlatow. Der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko sprach von einem "Akt der Einschüchterung".
Was Vitali Klitschko sich für seinen München-Besuch vorgenommen hat
Trotz der innenpolitischen Krise in der Ukraine hat der Ex-Boxweltmeister seine Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz bestätigt. Geplant seien Treffen unter anderem mit US-Außenminister John Kerry, Bundespräsident Joachim Gauck, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, teilte Klitschkos Partei Udar (Schlag) am Freitag mit. Für diesen Samstag ist eine Rede des 42-Jährigen zur Lage in der früheren Sowjetrepublik vorgesehen. Der Ex-Boxweltmeister ist einer der Anführer der monatelangen Proteste gegen den prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch.
Auch der amtierende ukrainische Außenminister Leonid Koschara wurde in München erwartet, wo er sich unter anderem mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow sowie dem für Nachbarschaftspolitik zuständigen EU-Kommissar Stefan Füle treffen will.
Partnerschaftsabkommen auf Eis gelegt
Der russische Vize-Regierungschef Dmitri Rogosin kritisierte das geplante Treffen von Kerry mit der ukrainischen Opposition als "Zirkus". Moskau hatte dem Westen wiederholt vorgeworfen, sich in die inneren Angelegenheiten der früheren Sowjetrepublik einzumischen und den Machtkampf in Kiew anzuheizen. Die Proteste in der Ukraine waren ausgebrochen, nachdem Präsident Janukowitsch Ende November auf Druck Russlands ein historisches Partnerschaftsabkommen mit der Europäischen Union auf Eis gelegt hatte.
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Mindestens vier Menschen wurden bei Zusammenstößen seit Mitte Januar getötet, mehr als 500 verletzt. Von rund 230 Festgenommenen sitzen derzeit noch etwa 140 in Untersuchungshaft.
Laut Umfrage will Mehrheit der Deutschen keine Einmischung der EU
Eine Mehrheit der Deutschen sprach sich in einer Umfrage gegen eine stärkere Einmischung der EU in den Machtkampf in der Ukraine aus. Nach dem am Freitag veröffentlichten ZDF-"Politbarometer" votierten 59 Prozent gegen ein solches Vorgehen der Europäischen Union, 36 Prozent waren für eine stärkere Einmischung. Genauso klar wird eine finanzielle Unterstützung des Landes abgelehnt, nämlich von 60 Prozent der Befragten. Nur 33 Prozent sind für Finanzhilfen der EU, um damit die Abhängigkeit der Ukraine von Russland zu verringern.
Bundeskanzlerin Merkel fordert Taten statt Worte von Janukowitsch
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch aufgefordert, die vom Parlament beschlossene Rücknahme umstrittener Gesetze zu unterzeichnen. Es sei klar, "dass den Worten nun auch Taten folgen müssen", sagte sie nach einem Treffen mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk am Freitag in Berlin. "Es muss möglich sein, friedlich zu demonstrieren, es muss möglich sein, seine Meinung zu sagen und es gibt (...) auch einen hohen Veränderungsbedarf in der Ukraine."
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Pawlo Klimkin, hat derweil das Engagement der Bundesregierung und der EU zur Beilegung der Krise in seinem Land begrüßt. "Deutschland macht schon sehr viel auf diesem Weg, und auch die Europäische Union", sagte Klimkin am Freitag im rbb-Inforadio. Er verwies auf die Telefonate von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Auch die Außenminister beider Länder hätten mehrmals miteinander gesprochen.
Schlägerei im Parlament
Ukrainischer Diplomat spricht sich für europäische Ukraine aus
Dabei gehe es derzeit nicht um eine Vermittlung im klassischen Sinn, sagte Klimkin. Die Gespräche seien aber "ganz, ganz wichtig". Der ukrainische Diplomat wies die Einschätzung zurück, wonach in der Ukraine bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten. Es handele sich um eine "politische und teilweise auch gesellschaftliche Krise". Um den Konflikt zu beenden, müsse sowohl ein politischer als auch gesellschaftlicher Konsens erreicht werden. Ziel müsse es sein, eine europäische Ukraine zu schaffen. (dpa/afp)