Kiew. Nach dem Gewalttod von Demonstranten soll das Parlament in Kiew über einen Rücktritt der Regierung entscheiden. Ein Ausweg aus der Krise dürfte aber nicht leicht werden. Der Westen droht mit Sanktionen.

Nach den ersten Todesfällen bei den Protesten von Regierungsgegnern in der Ukraine hat das prorussische Machtlager ein Einlenken signalisiert. Parlamentspräsident Wladimir Rybak kündigte am Donnerstag eine Sondersitzung an, in der auch über den Rücktritt von Regierungschef Nikolai Asarow entschieden werden soll. Die Proteste Tausender Regierungsgegner hielten nach blutigen Straßenschlachten mit mindestens drei Toten unvermindert an. Kommentatoren betonten, dass Präsident Viktor Janukowitsch den unbeliebten Asarow opfere.

"Die Situation erfordert eine sofortige Lösung", sagte Janukowitsch. In der Sitzung sollten auch umstrittene Gesetze zur Einschränkung der Pressefreiheit und des Versammlungsrechts besprochen werden. Damit geht das Machtlager nach Sicht von Beobachtern auf eine Hauptforderung der Regierungsgegner um Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko ein.

Opposition stellt Janukowitsch Ultimatum

Nach der Eskalation der Anti-Regierungs-Proteste hatte die Opposition Präsident Viktor Janukowitsch ein Ultimatum gestellt. Der Staatschef müsse binnen 24 Stunden zurücktreten, sagten die Anführer der Protestbewegung am Mittwochabend auf dem Unabhängigkeitsplatz im Zentrum Kiews und riefen zum Widerstand gegen Janukowitsch auf. "Wenn es eine Kugel in den Kopf gibt, dann gibt es eine Kugel in den Kopf", sagte der frühere Außenminister Arseni Jazenjuk.

Der seit Wochen friedliche Machtkampf in dem Land war am Mittwoch in brutale Gewalt umgeschlagen. Hunderte Demonstranten wurden bei Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften verletzt. Die Opposition sprach von drei bis sieben toten Regierungsgegnern. Zwei Menschen starben nach Behördenangaben, sie wurden erschossen. Einen offiziellen Schießbefehl gab es nicht. Wer die tödlichen Schüsse abfeuerte, blieb zunächst unklar.

"An seinen Händen klebt Blut"!

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Die Opposition machte die Sicherheitskräfte für die Gewalt verantwortlich. "Janukowitsch hat die größtmögliche Schande über die Ukraine gebracht. An seinen Händen klebt jetzt Blut", schrieb der Protestanführer Vitali Klitschko in einem Gastbeitrag in der "Bild"-Zeitung (Donnerstag). Die Regierung hingegen warf der Opposition vor, die Menschen zu Unruhen aufgewiegelt zu haben. Janukowitsch rief seine Landsleute auf, "nach Hause zurückzukehren". In der Ukraine müsse "Frieden, Ruhe und Stabilität" wiederhergestellt werden.

Ungeachtet der Gewalt, der Einschränkungen des Versammlungsrechts und der Eiseskälte harrten in der Nacht dennoch erneut Tausende Regierungsgegner im Zentrum Kiews aus.

Treffen zwischen Janukowitsch und Klitschko

Mehrere Oppositionspolitiker, darunter Klitschko und Jazenjuk, hatten sich zuvor über drei Stunden mit Janukowitsch getroffen, um ein Ende der Gewalt zu erreichen. Die Gespräche seien ergebnislos verlaufen, hieß es im Anschluss. Am Donnerstag wird daher eine weitere Eskalation befürchtet.

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Klitschko geht derweil von einem weiteren Zulauf für die Protestbewegung aus. Janukowitsch werde es nicht gelingen, der Opposition die Schuld "für das Chaos" zuzuschieben, schrieb der frühere Boxweltmeister in der "Bild"-Zeitung weiter. "Das Volk weiß genau, dass nur er dafür verantwortlich ist, dass er selbst diese unglaublichen Gesetze erlassen hat." Daher sei er überzeugt davon, "dass in den nächsten Tagen so viele Menschen wie noch nie seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in der Ukraine auf die Straße gehen."

Das US-Außenministerium betonte, die Spannungen seien die direkte Folge der Weigerung der Regierung, einen echten Dialog mit ihren Gegnern zu führen. Die bislang friedlichen Proteste waren Ende November ausgebrochen, nachdem Janukowitsch auf Druck Russlands den Abschluss eines EU-Partnerschaftsabkommens auf Eis gelegt hatte. (dpa)